BGH Beschluss v. - 1 StR 590/15

Unterbrechung der Hauptverhandlung: Berechnung der Dreiwochenfrist; Eintritt der Fristhemmung kraft Gesetz

Gesetze: § 228 Abs 1 StPO, § 229 Abs 1 StPO, § 229 Abs 3 S 1 Halbs 2 StPO, § 229 Abs 3 S 2 StPO, § 229 Abs 4 S 1 StPO

Instanzenzug: LG München I Az: 3 KLs 371 Js 153329/12

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Es bestehen bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung von § 261 StPO, weil der Revisionsführer nicht vorträgt, dass der Inhalt der schriftlichen Auskunft von W.       zu einer Überweisung nicht auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Vor dem Hintergrund der Einheit der Hauptverhandlung muss sich der Revisionsführer hierzu grundsätzlich verhalten (vgl. , NStZ 2014, 604 mwN). Zwar stellt die Kammer in den Urteilsgründen auf die „verlesene“ Urkunde ab (vgl. hierzu , NStZ 2007, 235, 236). Weil es sich aber um einen denkbar überschaubaren Urkundeninhalt handelt, der auch auf einen Blick erfasst werden kann (vgl. hierzu , NStZ 2014, 606), und sich der nichtrevidierende Mitangeklagte als Absender des Geldes ausweislich der Urteilsgründe ganz ausführlich zu dieser Überweisung, deren Höhe, der Empfängerin und der Transaktionsnummer geäußert hat (UA S. 14 f.), war entsprechender Vortrag hierzu zu erwarten.
Jedenfalls ist die Rüge unbegründet, denn der Senat kann angesichts der ausführlichen Angaben des genannten Mitangeklagten zu der Überweisung ausschließen, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruht. Ist der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung erörtert und auch nicht bestritten worden, dass das Schriftstück diesen Inhalt hat, so kann ein Urteil regelmäßig nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (, NStZ 2007, 235, 236).
2. Die Rüge einer Verletzung von § 228 Abs. 1, § 229 StPO ist unbegründet. Es liegt keine unzulässige Überschreitung der dreiwöchigen Unterbrechungsfrist (§ 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO) vor.
Am (41. Hauptverhandlungstag) wurde die Hauptverhandlung vom Vorsitzenden unterbrochen. Zwar konnte der ursprünglich vorgesehene Fortsetzungstermin am nicht stattfinden, weil aus unerfindlichen Gründen ein Schöffe nicht erschienen war. Der vom Vorsitzenden deshalb angesetzte Fortsetzungstermin am wahrte aber noch die Frist des § 229 Abs. 1 StPO. Bei dieser Fristberechnung sind weder der Tag, an dem die Unterbrechung angeordnet wird, noch derjenige, an dem die Verhandlung wieder aufgenommen wird, in die Frist einzuberechnen (, NStZ 2014, 469 mwN). Die am Montag, den unterbrochene Hauptverhandlung musste nach § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO also erst am Mittwoch, den fortgesetzt werden.
Da der inhaftierte Angeklagte an diesem Tag, wie die Revision unter Vorlage einer Bestätigung der zuständigen Justizvollzugsanstalt vorträgt, erkrankt war und deshalb an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen konnte, zudem die Hauptverhandlung schon bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hatte, war der Lauf der Frist während der Dauer der Verhinderung des Angeklagten nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO gehemmt. Zwar war die Erkrankung des Angeklagten nach der Auskunft der Justizvollzugsanstalt nicht von langer Dauer. Die zulässige Unterbrechung endete gemäß § 229 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO aber frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung am war demnach rechtzeitig. Ein Verstoß gegen § 228 Abs. 1, § 229 StPO liegt nicht vor.
Dass das Gericht entgegen § 229 Abs. 3 Satz 2 StPO den Beginn und das Ende der Hemmung nicht durch Beschluss festgestellt hat, steht dem nicht entgegen. Die Hemmung tritt kraft Gesetzes ein (, NStZ 1992, 550, 551). Zu einer weiteren freibeweislichen Klärung der Frage, ob und wie lange der Angeklagte erkrankt war (hierzu näher Gmel, in KK, 7. Aufl., § 229 Rn. 15), bestand für den Senat angesichts der aussagekräftigen Bestätigung durch die Justizvollzugsanstalt kein Anlass.
3. Soweit der Revisionsführer einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO mit der Begründung rügt, ihm sei nicht der förmliche Hinweis erteilt worden, dass er im Fall 1 wegen Beihilfe statt Täterschaft verurteilt werden könnte, schließt der Senat jedenfalls ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler aus. Der Revisionsführer war nicht nur durch die Mitteilung eines Gesprächs zwischen Gericht und Verteidiger (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts S. 6), sondern auch durch den Nichtabhilfe- im Rahmen des Haftbeschwerdeverfahrens eindeutig und unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass die Kammer seine mögliche Beteiligung an der fraglichen Tat als Beihilfe und nicht als Täterschaft wertet. In welche Richtung er sich verteidigen musste, konnte dem Angeklagten demnach nicht zweifelhaft sein (vgl. zum Ausschluss des Beruhens in solchen Konstellationen Meyer-Goßner, in Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 265 Rn. 48 mwN).
Raum                                Jäger                          Cirener
                Mosbacher                           Bär

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:180216B1STR590.15.0

Fundstelle(n):
HAAAI-15518