BGH Beschluss v. - 4 StR 445/14

Strafverurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes: Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung

Gesetze: § 56 Abs 2 StGB, § 176a StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Stendal Az: 503 KLs 2/14

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.

3Das Landgericht hat dem Angeklagten eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB versagt und auch keine „besonderen Umstände" gemäß § 56 Abs. 2 StGB zu erkennen vermocht.

4a) Die Verneinung einer günstigen Sozialprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist von einer Neigung des Angeklagten zu sexuellen Übergriffen auf Mädchen im Kindesalter ausgegangen, „die bisher weder von ihm noch im Familienverbund aufgearbeitet" worden sei. Es hat dem Angeklagten angelastet, „keine professionelle Hilfe bei der Aufarbeitung des Tatgeschehens" gesucht zu haben. Der - die Tat in Abrede nehmende - Angeklagte hätte sich indes zu seinem Recht, den Tatvorwurf zu bestreiten, in Widerspruch setzen müssen, wenn er diese Neigung zugegeben und z.B. vorgetragen hätte, er habe bereits an einer fachkundigen Behandlung teilgenommen. Im Hinblick auf die Verteidigungsrechte des Angeklagten durfte ihm der Tatrichter diesen Vorwurf nicht machen (vgl. , NStZ 1997, 434).

5Die Strafkammer hat sich an dieser Stelle auch nicht - wie erforderlich - mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit insbesondere durch die Erteilung von Therapieweisungen sowie Weisungen nach § 56c Abs. 2 Nr. 3 StGB die Voraussetzungen für eine günstige Kriminalprognose geschaffen werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 440/91, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 21, und vom - 5 StR 41/13, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozialprognose 5).

6b) Auf diesen Rechtsfehlern kann die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung beruhen.

7Es ist nicht auszuschließen, dass der Tatrichter dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt hätte, da dieser nicht vorbestraft und sozial integriert ist.

8Hätte die Strafkammer eine günstige Prognose gestellt, so wäre sie auch bei der Prüfung des Vorliegens „besonderer Umstände" (§ 56 Abs. 2 StGB) möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann die Frage einer günstigen Sozialprognose auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Umstände von besonderem Gewicht im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 623/93, StV 1995, 20, vom - 2 StR 284/95, und vom , aaO; Urteil vom - 4 StR 365/99).

92. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

103. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der Vorwurf, der Angeklagte habe auch     S.    im Kindesalter missbraucht, bisher nur durch Zeugnis vom Hörensagen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.

Sost-Scheible                            Cierniak                              Franke

                            Bender                            Quentin

Fundstelle(n):
EAAAI-14090