Voraussetzungen und Bemessung der Jugendstrafe: Begriff der schädlichen Neigungen; Berücksichtigung des Erziehungsgedankens
Gesetze: § 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG
Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 80 KLs 2/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung zur Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ohne weitere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist aufgrund der fehlenden Angaben der den Mangel enthaltenden Tatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand:
4Das Landgericht hat bei dem zu den Tatzeiten zwanzig Jahre und vier Monate bzw. zwanzig Jahre und acht Monate alten Angeklagten aufgrund seines Werdegangs Reifeverzögerungen angenommen und deshalb auf ihn gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt. Zur Begründung der Verhängung von Jugendstrafe hat es lediglich ausgeführt, dass bereits in den zurückliegenden Verurteilungen aus den Jahren 2010 und 2011 der jeweilige Tatrichter von dem Vorliegen schädlicher Neigungen ausgegangen sei und die nunmehr abzuurteilenden Taten dies erneut belegen würden.
5Diese knappen Wendungen reichen zur Begründung schädlicher Neigungen nicht aus. Um solche handelt es sich bei erheblichen Anlage- oder Erziehungsmängeln, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2013, 287 mwN). Hier fehlen insbesondere sämtliche Angaben dazu, dass auch im Zeitpunkt der Urteilsfindung bei dem Angeklagten noch schädliche Neigungen bestanden. Ausführungen dazu waren auch nicht entbehrlich, weil zwischen den Taten und dem Urteil zwölf bzw. acht Monate lagen und der mittlerweile 21-jährige Angeklagte in der Untersuchungshaft an einer (weiteren) berufsvorbereitenden Maßnahme mit Besuch der Berufsschule teilgenommen hat.
6Auch im Übrigen genügt die Strafzumessung nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2012, 186 mwN). Das Landgericht hat demgegenüber vorrangig auf die Vorbelastungen des Angeklagten abgestellt und für zwei der drei Taten jeweils einen entlastenden Gesichtspunkt genannt. Daneben hat es weitere dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie die Rückfallgeschwindigkeit, die Begehung der Tat unter Führungsaufsicht sowie den Schuldausgleich und den Sühnegedanken berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die Strafkammer "von einem Gesamterziehungsbedarf" ausgeht, "der die Verhängung einer zur Bewährung aussetzbaren Strafe ausschließt." Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2013, 287 mwN).
Becker Pfister Schäfer
Gericke Spaniol
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NAAAI-14087