OFD Kiel

Feststellungsfrist bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens

1. Anlaufhemmung nach § 181 Abs. 3 AO

Nach der Regelung des § 181 Abs. 3 Satz 1 AO beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten (Feststellungsfrist) mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Einheitswertes vorzunehmen ist. Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswertes abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird (Anlaufhemmung; § 181 Abs. 3 Satz 2 AO).

Durch die Anlaufhemmung wird sichergestellt, dass in den Fällen, in denen eine Feststellungserklärung abzugeben ist, die 4-jährige Feststellungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Erklärung eingereicht wird. Voraussetzung für das Eintreten der Anlaufhemmung ist also, dass eine Erklärungspflicht besteht. Diese kann sich aus dem Gesetz (§ 149 Abs. 1 Satz 1 AO) oder aber aus einer Aufforderung der Finanzbehörde (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) ergeben.

Die Aufforderung durch das Finanzamt, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf einen Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt einzureichen, reicht für die Anlaufhemmung im Sinne des § 181 Abs. 3 Satz 2 AO aus. Für die Dauer der Anlaufhemmung ist regelmäßig der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts abgegeben wird.

Die Anlaufhemmung endet jedoch spätestens mit Ablauf des 3. Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist (§ 181 Abs. 3 Satz 2 AO).

Eine Anlaufhemmung besteht auch dann, wenn die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung nach Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist, aber noch innerhalb der 4-jährigen Feststellungsfrist ergeht. Die Anlaufhemmung ist auch für diesen Fall auf drei Jahre begrenzt ( BStBl 2001 II S. 14).

Erfolgt die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung erst nach Ablauf der 4-jährigen Feststellungsfrist, führt dies wegen des Eintritts der Feststellungsverjährung nicht zu einer Anlaufhemmung ( BStBl 1999 II S. 529).

Beispiele:
a)

Die Bewertungsstelle des Finanzamts hat den Grundstückseigentümer A schriftlich zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts für sein unbebautes Grundstück auf den aufgefordert. Die Aufforderung ist A am zugegangen. Er reicht die Erklärung am beim Finanzamt ein.

Lösung:

Nach § 181 Abs. 3 AO beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung beim Finanzamt eingegangen ist, mithin am .

Dauer: 4 Jahre

Eintritt der Feststellungsverjährung:

b)

Die Bewertungsstelle hat den Grundstückseigentümer A schriftlich zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts für sein mit einem Wochenendhaus bebautes Grundstück zum aufgefordert. Die Aufforderung ist am zugegangen. A reicht die Erklärung am beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung auf den innerhalb der Feststellungsfrist wird eine Anlaufhemmung für die Feststellungsverjährung in Gang gesetzt. Diese Anlaufhemmung tritt bis zum Ende des Jahres ein, in dem die Feststellungserklärung dem Finanzamt eingereicht wird, somit dem . Für EW-Feststellungen auf den beginnt die Feststellungsfrist somit am und endet mit Ablauf des .

c)

Wie Beispiel b), jedoch reicht A die Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes erst am beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung verschiebt sich der Beginn der 4-jährigen Feststellungsfrist auf das Ende des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung beim Finanzamt eingeht. Dies wäre im konkreten Fall der . Da die Anlaufhemmung jedoch spätestens am , mit Ablauf des 3. Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist, endet, beginnt die Feststellungsfrist am und endet am .

d)

Das Finanzamt hat den Grundstückseigentümer H am zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den aufgefordert. H reicht trotz Erinnerung, Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld keine Feststellungserklärung beim Finanzamt ein.

Lösung:

Durch die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung auf den innerhalb der Feststellungsfrist wird die Anlaufhemmung in Gang gesetzt. Diese endet jedoch spätestens mit Ablauf des 3. Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Erklärung nicht abgegeben wird.

Die Feststellungsverjährung beginnt also mit Ablauf des . Das Finanzamt kann die Schätzung des Einheitswerts auf den Feststellungszeitpunkt noch bis zum vornehmen.

e)

Das Finanzamt hat den Grundstückseigentümer S im Januar 2000 zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den aufgefordert.

Lösung:

Mit Ablauf des ist die Feststellungsverjährung eingetreten. Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung führt nicht mehr zu einer Anlaufhemmung.

2. Durchführung von Einheitswertfeststellungen trotz abgelaufener Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 5 AO

Von dem Grundsatz, dass nach Ablauf der Feststellungsfrist Einheitswertbescheide nicht mehr ergehen dürfen, enthält § 181 Abs. 5 AO eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift kann eine Einheitswertfeststellung auch noch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Beispiel:

Es soll eine Nachfeststellung auf den durchgeführt werden. Die Feststellungsfrist begann mit Ablauf des und endete mit Ablauf des . Die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer auf den endet wegen einer Anlaufhemmung erst am . Die Nachfeststellung auf den kann trotz abgelaufener Feststellungsfrist somit noch erfolgen, hat aber steuerliche Wirkung nur für die Grundsteuer. Auf diese eingeschränkte Wirkung ist im Einheitswertbescheid hinzuweisen.

Nach dem (BStBl 1998 II S. 555) muss der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war. Soweit der BFH in seinem Urteil vom (BStBl 1995 II S. 302) darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkung zukommen soll, hält er daran nicht mehr fest.

Das Finanzamt braucht daher nicht konkret ermitteln, für welche Steuerarten, Steuerabschnitt und für welche Beteiligten der Feststellungsbescheid tatsächlich noch von Bedeutung ist. Vielmehr ist es ausreichend, in Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von einkommensteuer- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften, die nach Ablauf der Feststellungsfrist erteilt werden, folgenden Erläuterungstext aufzunehmen:

”Der Feststellungsbescheid ist nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen. Nach § 181 Abs. 5 AO kann er deshalb nur solchen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden, deren Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war.”

Der gleiche Erläuterungstext kann auch in Einheitswertbescheiden eingesetzt werden, weil weitergehende Einzelheiten der beschränkten Wirkung eines nach Ablauf der Feststellungsfrist ergehenden Einheitswertbescheides durch die Auslegung dieses Bescheides ermittelt werden können.

Fehlt der nach § 181 Abs. 5 AO erforderliche Hinweis, führt dies zur Rechtswidrigkeit - nicht: Nichtigkeit - des Feststellungsbescheids ( BStBl 1990 II S. 411). Ein fehlender oder unklarer Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO kann auch nicht durch einen Ergänzungsbescheid i.S. des § 179 Abs. 3 AO nachgeholt werden ( BStBl 1998 II S. 426).

Die Vorschrift des § 181 Abs. 5 AO gilt nicht nur für erstmalige Feststellungen, sondern auch für Änderungen und Berichtigungen nach den Vorschriften der Abgabenordnung ( BStBl 1992 II S. 454).

Beispiel:

Auf den wurde eine bestandskräftige Nachfeststellung durchgeführt. Die Feststellungsfrist endete am . Im April 2002 werden neue Tatsachen bekannt, die eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen. Die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer auf den endet wegen einer Anlaufhemmung am . Trotz Ablaufs der Feststellungsfrist kann die Nachfeststellung auf den geändert werden.

Beispiel:

Auf den wurde eine bestandskräftige Nachfeststellung durchgeführt. Die Feststellungsfrist für diesen Feststellungszeitpunkt endete mit Ablauf des . Im April 2002 werden neue Tatsachen bekannt, die eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen. Die Verjährungsfrist der von der Einheitswertfeststellung abhängigen Grundsteuer auf den ist bereits abgelaufen.

Dennoch kann eine Änderung des Nachfeststellungsbescheids durchgeführt werden. Die geänderte Nachfeststellung auf den kann jedoch steuerliche Wirkung erstmals auf den Feststellungszeitpunkt entfalten, für den die Festsetzungsfrist der von der Einheitswertfeststellung abhängigen Grundsteuer noch läuft. Im vorliegenden Fall ist dies die Grundsteuer auf den . Auf diese eingeschränkte Wirkung ist im geänderten Einheitswertbescheid hinzuweisen.

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Fundstelle(n):
XAAAA-82266