§ 3 EStG Leistungen für die Zukunftssicherung von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH und von Vorstandsmitgliedern einer AG oder eines VVaG [1]
1. GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
Arbeitgeberbeiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sind nicht nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei. Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer liegt arbeitsrechtlich kein Arbeitsverhältnis vor, so dass der Arbeitgeber gesetzlich nicht zur Zahlung von Arbeitgeberanteilen verpflichtet ist [2].
Ob es sich um einen beherrschenden, nicht sozialversicherungspflichtigen Gesellschafter-Geschäftsführer oder um einen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer handelt, beurteilt sich allein nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Die Entscheidung trifft die zuständige Einzugsstelle der Sozialversicherungsträger. Sie ist infolge ihrer Tatbestandswirkung auch im Besteuerungsverfahren zu beachten, sofern sie nicht offensichtlich rechtswidrig ist [3].
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu der GmbH liegt sozialversicherungsrechtlich i.d.R. nicht vor, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH ausüben kann. Das ist i.d.R. der Fall, wenn der Anteil am Stammkapital der GmbH mindestens 50 v.H. beträgt. Das Gleiche gilt auch bei einem Kapitalanteil von weniger als 50 v.H., wenn aufgrund des Gesellschaftsvertrags für Beschlüsse der Gesellschaft eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist und dieser Anteil eine Sperrminorität darstellt, die ausreicht, eine Beschlussfassung zu verhindern oder wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und seine Tätigkeit wirtschaftlich gesehen nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt.
Die beigefügte Übersicht (Anlage) gibt versicherungsrechtliche Entscheidungen zur Behandlung von Gesellschafter-Geschäftsführern, mitarbeitenden Gesellschaftern und Geschäftsführern wieder.
Zukunftssicherungsleistungen, die nicht nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei sind, zählen aber nur zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, soweit keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorliegen. Um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt es sich z.B., wenn die Arbeitgeberanteile nicht klar und eindeutig in den Dienstverträgen festgelegt sind. Das Gleiche gilt, wenn die Gesamtausstattung der Tätigkeitsvergütungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer unangemessen hoch ist. Ob es sich im Zweifelsfall um Arbeitslohn oder um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt, ist im Einvernehmen mit der für die GmbH zuständigen VST zu entscheiden.
2. Vorstandsmitglieder einer AG oder eines VVaG
Vorstandsmitglieder einer AG unterliegen nach § 1 Satz 4 SGB VI ausdrücklich nicht der Rentenversicherungspflicht. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BSG [4] davon auszugehen, dass sie regelmäßig keine (abhängig) Beschäftigten i.S. des § 7 Abs. 1 SGB IV sind, weil das AktG die Tätigkeit der Vorstandsmitglieder im Wesentlichen als nicht abhängig geregelt hat. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Der Vorstand hat dagegen nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Ihm obliegt die Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und die Vertretungsbefugnis nach außen (§ 78 AktG), die nicht beschränkt werden kann (§ 82 Abs. 1 AktG). Die Vorstandsmitglieder unterliegen keinen Weisungen durch den Aufsichtsrat. Dieser hat vielmehr lediglich eine Überwachungsfunktion (§ 111 Abs. 1 AktG). Ein Vorstandsmitglied kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG). Soweit die Handlungsmöglichkeiten des Vorstandes im Übrigen begrenzt sind, beruht dies nicht auf Einzelanordnungen, sondern auf generell-abstrakten Leitlinien (Gesetz, Satzung, Beschlüsse der Hauptversammlung), deren Beachtung zur Erreichung des mit der Tätigkeit verbundenen Ziels notwendig ist. In solchen Fällen hat die Rechtsprechung des BSG keine abhängige Beschäftigung angenommen. Dem gegenteiligen ) lag ein von der Regel abweichender Sachverhalt im rentenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde.
Auch Vorstandsmitglieder einer großen WaG sind grundsätzlich nicht Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.
Die Entscheidungen der Sozialversicherungsträger sind grundsätzlich zu beachten [5].
3. Vorstandsmitglieder eingetragener Genossenschaften
Für Vorstandsmitglieder eingetragener Genossenschaften [6] und angestellte Vorstandsmitglieder öffentlicher Sparkassen [7] hat das BSG die Arbeitnehmereigenschaft bejaht. Hinsichtlich der hauptamtlichen Vorstandsmitglieder gesetzlicher Krankenkassen und deren Verbände gehen die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger davon aus, dass es sich um abhängig Beschäftigte i.S. des § 7 SGB IV handelt. Arbeitgeberzuschüsse zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die gesetzlichen Ansprüche auf Arbeitgeberzuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sind im Rahmen des § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.
Die Entscheidungen der Sozialversicherungsträger sind grundsätzlich zu beachten [8].
Anlage:
Versicherungsrechtliche Beurteilung:
Gesellschafter-Geschäftsführer einer
GmbH/GmbH-Geschäftsführer
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beurteilungskriterien | Entscheidung | Arbeitnehmer |
Fallgruppe I: Kapitalanteil unter 50 v. H. | ||
Beispiel 1: | ||
Gesellschafter,
Geschäftsführer, Kapitalanteil unter 50 v.H. Anstellungsvertrag,
keine Sperrminorität, keine Verhinderung von
Gesellschafterbeschlüssen Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den
Betrieb. | Ein aufgrund eines Anstellungsvertrages tätiger
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist versicherungspflichtig,
wenn er als Gesellschafter keinen maßgebenden Einfluss auf die
Gesellschaft hat. Das ist der Fall, wenn der Geschäftsführer weniger
als die Hälfte der Geschäftsanteile besitzt und auch nicht
hinsichtlich wesentlicher Gesellschaftsbeschlüsse eine Sperrminorität
besitzt. | Ja |
Beispiel
2: | ||
Gesellschafter,
Geschäftsführer, Kapitalanteil 33,3 v.H. des Gesamtkapitals,
vertretungsberechtigt mit einem weiteren zu einem Drittel beteiligten
Geschäftsführer, kein anderer Gesellschafter hat mehr als ein Drittel
des Gesamtkapitals, keine Weisungsgebundenheit nach den tatsächlichen
Verhältnissen, freie Bestimmung der Tätigkeit (Arbeitszeit, Urlaub
usw.). | Ein GmbH-Geschäftsführer, der an der GmbH mit einem
Drittel am Kapital beteiligt ist und die GmbH mit einem weiteren zu einem
Drittel beteiligten Geschäftsführer gemeinschaftlich vertritt,
unterliegt nicht der Versicherungspflicht. Entscheidend ist: Der
Gesellschaftsführer trägt nach der tatsächlichen Gestaltung der
Tätigkeit das volle Unternehmerrisiko, unterliegt keinerlei Weisungen und
kann seine Tätigkeit nach den Belangen des Unternehmens, die in
Wirklichkeit mit seinen eigenen Belangen übereinstimmen, selbst frei
bestimmen. Bei freier Bestimmung über Arbeits- und Urlaubszeit nimmt er
als G
eschäftsführer weitgehend unternehmerische Funktionen wahr und steht
nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis. | nein |
Beispiel 3: | ||
Gesellschafter, Geschäftsführer,
Alleinvertretungsberechtigung, Kapitalanteil unter 50 v.H., Anstellungsvertrag,
keine Beschränkung in Gestaltung und Ausführung der Arbeit durch
Vertrag oder nach den tatsächlichen Verhältnissen, keine
Weisungsgebundenheit. | Ein alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer, der vertraglich seine Arbeit uneingeschränkt
gestalten und ausführen kann (besonders hinsichtlich der Arbeitszeit),
unterliegt nicht der Versicherungspflicht. Die tatsächliche
Durchführung des Vertrags muss aber dieser Vereinbarung entsprechen. | nein |
Beispiel 4: | ||
Gesellschafter, kein
Geschäftsführer, Führung des Unternehmens wegen seiner
Branchenkenntnisse, Geschäftsanteil ein Drittel des Gesamtkapitals, keine
Beschränkung in Gestaltung und Ausführung der Arbeit, keine
Weisungsgebundenheit, ohne ausdrücklichen Gesellschafterbeschluss oder
schriftlichen Anstellungs-, Arbeits-, Dienstvertrag tätig. | Ein
beschäftigter Gesellschafter mit einem Drittel Kapitalbeteiligung, der
aufgrund stillschweigender Übereinkunft wegen seiner einschlägigen
Branchenkenntnisse maßgeblich bei der Führung des Unternehmens
mitwirkt, die Gesellschaft nach außen ohne ausdrücklichen
Gesellschafterbeschluss oder schriftlichen Anstellungsvertrag vertritt und in
der Gestaltung seiner Arbeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit keinen
Weisungen unterliegt, steht nicht in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis. Der Gesellschafter ist nicht wie eine
fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert, sondern tatsächlich als
Mitinhaber des unter seinem Namen in der Rechtsform einer GmbH geführten
Unternehmens tätig. | nein |
Beispiel 5: | ||
Ehegatten-GmbH,
Gesellschafterin, Geschäftsführerin, Kapitalanteil unter 50 v.H.,
Ehegatte als weiterer Gesellschafter mit restlichem Kapitalanteil, keine
Weisungsgebundenheit. | Eine als Geschäftsführerin tätige
Ehefrau, die gleichzeitig Gesellschafterin der GmbH ist (sie unter, Ehemann
über 50 v.H. Kapitalanteil), steht nicht in einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, wenn sie an
keine Arbeitszeit und an keine Weisungen gebunden ist. Das gilt auch, wenn ihr
Gehalt steuerrechtlich als Betriebsausgabe behandelt wird. Die unterschiedliche
Kapitalbeteiligung von Ehegatten an einer GmbH ist nicht das ausschlaggebende
Merkmal für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht. Für die
Frage der Sozialversicherungspflicht sind Kapitalanteile von Ehegatten nicht
zusammenzurechnen. | nein |
Fallgruppe II: Kapitalanteil 50 v.H. | ||
Beispiel
1: | ||
Gesellschafter,
Geschäftsführer, Kapitalanteil 50 v.H. | Ein
Gesellschafter-Geschäftsführer mit 50 v.H. Kapitalbeteiligung kann
durch sein Stimmrecht bei Gesellschafterbeschlüssen einen
maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der GmbH ausüben. Er
steht nicht in einer persönlichen Abhängigkeit zur Gesellschaft, auch
wenn er aufgrund eines Dienstvertrages mit monatlich feststehender
Vergütung, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw. tätig wird. | nein |
Beispiel 2: | ||
Gesellschafter, Geschäftsführer,
Kapitalanteil 50 v.H. ein weiterer Geschäftsführer mit 50 v.H.
Kapitalanteil. | Zwei Geschäftsführer, die je zur Hälfte
am Stammkapital einer GmbH beteiligt sind und die Gesellschaft gemeinschaftlich
vertreten, können nur übereinstimmend handeln. Daraus ergibt sich: Es
besteht kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zu der
Gesellschaft im Sinne einer Weisungsgebundenheit oder eines entsprechenden
Direktionsrechts. Jeder der beiden Geschäftsführer hat insoweit eine
unabhängige Stellung, als ohne ihn keine Beschlüsse gefasst werden
können. | nein |
Beispiel
3: | ||
Gesellschafter, leitender
Angestellter (kein Geschäftsführer), Kapitalanteil 50 v.H., in der
Angestelltentätigkeit leistungsbezogenes Entgelt, ein weiterer
Gesellschafter mit 50 v.H. Kapitalanteil. | Ein leitender Angestellter
(Prokurist), dessen Gehalt vertraglich ”entsprechend der erbrachten
Leistung” festgesetzt wird, unterliegt nicht der Versicherungspflicht.
Beide zu je 50 v.H. Beteiligte haben gleichen Anteil an den Entscheidungen der
Gesellschaft, keiner der Gesellschafter ist gegenüber der GmbH
weisungsgebunden. | nein |
Fallgruppe III: Kapitalanteil über 50 v.H. | ||
Gesellschafter, Geschäftsführer, Kapitalanteil über
50 v.H. | Ein in einer GmbH als Geschäftsführer tätiger
Gesellschafter, der Geschäftsanteile von mehr als 50 v.H. besitzt und
allein in dem Unternehmen tätig ist, steht nicht in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. | nein |
Fallgruppe IV:
ohne Kapitalanteil | ||
kein Gesellschafter,
Geschäftsführer, Weisungsgebundenheit gegenüber der
Gesellschafterversammlung, monatlich gleichbleibende Vergütung,
persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit. | Ein nicht an
einer Gesellschaft beteiligter Geschäftsführer, der nach seiner
Arbeitsplatzbeschreibung der Gesellschafterversammlung im Rahmen des
GmbH-Gesetzes und des Gesellschaftervertrags unterstellt ist, dem die
allgemeine Verwaltung der GmbH obliegt, dabei nur im Rahmen der
Gesellschafterbeschlüsse handeln darf und insoweit der Prüfung und
Überwachung durch die Gesellschafter unterliegt, für seine
Tätigkeit eine monatliche gleichbleibende Vergütung sowie bezahlten
Urlaub erhält, steht in einem abhängigen, d.h.
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. | ja |
OFD Düsseldorf
v. - S 2333
– 47 – St 213 – K
Fundstelle(n):
SAAAA-82058
1Bei rückwirkendem Wegfall der Sozialversicherungspflicht bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH vgl. § 3 EStG Fach 6 Nr. 802.
2Vgl. BStBl II 2002, 886.
3Siehe – 1 – V B 3, § 3 Fach 6 Nr. 801.
4Urteil vom B 2 U 38/98 R, DB 2000, 329.
5Siehe – 1 – V B 3, § 3 Fach 6 Nr. 801.
6 SozR-2940 § 3 Nr. 1. NZA 1990, 950.
7 SozR 3-2940 § 3 Nr. 2.
8Siehe – 1 – V B 3, § 3 Fach 6 Nr. 801.