BGH Urteil v. - 4 StR 70/13

Urteilsfeststellungen zur Strafzumessung: Darstellung der Vortaten und Vorstrafen im Urteil und erforderliche Erörterungen bei der erstmaligen Verhängung einer Freiheitsstrafe

Gesetze: § 31 JGG, § 55 StGB, § 56 Abs 1 StGB, § 56b StGB, § 56c StGB, § 267 Abs 3 StPO

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 3 Ks 37/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt und ihn vom Vorwurf eines schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner - zulässig (vgl. BGHSt 11, 393, 395; BGH NStZ 1982, 285, 286) - auf die Frage der Nichtaussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung beschränkten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

21. Die gemäß § 56 Abs. 1 StGB getroffene negative Prognoseentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. Den Umstand, dass der Angeklagte bisher wegen einer Vielzahl auch einschlägiger Vortaten (Diebstahl, Raub, räuberische Erpressung) bis zum Schluss nur mit milden jugendstrafrechtlichen Maßnahmen belegt wurde, hat die Strafkammer ausdrücklich erwogen. Bei der Strafzumessung ist zudem ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass er erstmals als Erwachsener strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Dass das Landgericht diesen Umstand dann bei der Bewährungsprognose nicht berücksichtigt haben könnte, schließt der Senat aus. Die Strafkammer hat nach alledem auch nicht verkannt, dass gegen den Angeklagten erstmals eine Freiheitsstrafe verhängt wird und er demnach das erste Mal der Warnwirkung der Strafaussetzung zur Bewährung mit dem Druck eines möglichen Bewährungswiderrufs ausgesetzt wäre. Einer ausdrücklichen Erörterung der zu erwartenden Wirkungen einer spezialpräventiv ausgestalteten Strafaussetzung durch die Erteilung von Auflagen und Weisungen (§ 56b, § 56c StGB) bedurfte es hier nicht, da Anhaltspunkte dafür, dass Auflagen und Weisungen nunmehr anders als bei den früheren jugendrichterlichen Ahndungen den Angeklagten von weiteren Straftaten abhalten könnten, nicht erkennbar sind.

3Die Darstellung der Vortaten und Vorstrafen im angefochtenen Urteil weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Schon eine detailgetreue Wiedergabe des Bundeszentralregisterauszugs bei den Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten ist im Regelfall untunlich (). Es genügt, wie hier, die Vorstrafen gestrafft und zusammengefasst darzulegen. Einer Sachverhaltsschilderung oder gar der Darlegung der vom früheren Richter oder Staatsanwalt angestellten Strafzumessungs- bzw. Entscheidungserwägungen bedarf es nur bei der Bildung einer neuen Einheitsjugendstrafe (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 139/88, StV 1989, 307; vom - 3 StR 10/96, StV 1998, 344 und vom - 2 StR 162/08, NStZ 2009, 43) oder einer nachträglichen Gesamtstrafe (BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 134/97; vom - 4 StR 658/10; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 55 Rn. 17 und 34), ansonsten nur in den wenigen Ausnahmefällen, in denen - anders als hier - die früher festgestellten Taten oder Entscheidungserwägungen auch für den jetzigen Tatrichter entscheidungserheblich sind.

4Die Überzeugung der Strafkammer, die erlittene Untersuchungshaft habe zur Einwirkung auf den Angeklagten nicht ausgereicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Revision diesem Umstand ein höheres Gewicht beimisst, kann sie damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

5Auch die Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte habe mangels einer abgeschlossenen Ausbildung keine konkreten Aussichten, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, und er habe bisher auch keine Anstrengungen unternommen, seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Strafkammer stellt ersichtlich nicht auf eine „Lebensführungsschuld“ des Angeklagten ab, sondern darauf, dass er auch in Zukunft keine Möglichkeit hat, seinen unverändert praktizierten Lebensstil mit Drogenkonsum, Diskotheken- und Partybesuchen sowie teurer Markenkleidung mit legalen Einkünften zu finanzieren.

62. Auf die Frage, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, kommt es wegen der bereits ungünstigen Sozialprognose nicht mehr an.

Mutzbauer                         Roggenbuck                       Franke

                     Quentin                               Reiter

Fundstelle(n):
IAAAI-11381