Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand im Strafverfahren: Irrtum des Verteidigers über Zulässigkeit eines beschränkt eingelegten Rechtsmittels
Gesetze: § 44 S 1 StPO, § 341 Abs 1 StPO, § 349 Abs 1 StPO, § 64 StGB
Instanzenzug: LG Augsburg Az: 8 Ks 401 Js 145896/10
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier rechtlich zusammentreffender Fälle des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch seine Verteidigerin am Revision eingelegt, die er auf die Nichtanordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB beschränkt hat. Am hat er – wiederum über seine Verteidigerin – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und zugleich erneut Revision, nunmehr beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt, eingelegt. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat er im Wesentlichen darauf abgestellt, seiner Verteidigerin sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit einer auf die Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB beschränkten Revision nicht bekannt gewesen, was ihm nicht zugerechnet werden könne.
31. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist jedenfalls unbegründet.
4a) Allerdings hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine zulässige Revision eingelegt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist wirksam, führt aber zu dessen Unzulässigkeit (Senatsbeschlüsse vom – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 5, 7; vom – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255), und die Erweiterung einer beschränkt eingelegten Revision ist nur bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist wirksam möglich (, BGHSt 38, 366).
5b) Der Angeklagte hatte sich jedoch zunächst – das zeigt auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, mit der er zum Ausdruck bringt, sich letztlich nach wie vor allein gegen die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB zu wenden – bewusst dafür entschieden, den Urteilsspruch im Übrigen von seinem Revisionsangriff auszunehmen; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO "verhindert, eine Frist einzuhalten" ( m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Verteidigerin wegen Unkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit und damit die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels falsch eingeschätzt hat; in einer solchen Unkenntnis liegt keine Verhinderung im Sinne des § 44 Satz 1 StPO (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 637/09, NStZ-RR 2010, 244; vom – 5 StR 354/05, wistra 2006, 28; vom – 2 StR 308/05, wistra 2005, 468; vom – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160).
62. Da mithin die Revision nicht zulässig eingelegt wurde, war sie gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Schmitt Bender
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LAAAI-10087