Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Strafbarkeit einer Wohnungsinhaberin bei Duldung der Aufbereitung und des Vertriebs von Betäubungsmitteln in der Wohnung
Gesetze: § 29 BtMG, § 29a BtMG, § 13 Abs 1 StGB, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5-27 KLs 5130 Js 226254/10 - K (5/11) Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihre auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts zog der Mitangeklagte G. im Jahr 2008 in die von der Angeklagten gemietete Wohnung mit ein, in der sie seither in Lebensgemeinschaft lebten. Für die Unterkunft leistete der beschäftigungslose Mitangeklagte G. keinen Ausgleich an die Angeklagte, die ihn ihrerseits finanziell unterstützte. Etwa seit Mai 2010 handelte G. aus der gemeinsam genutzten Wohnung mit Betäubungsmitteln und verwendete dort verschiedene Utensilien zum Strecken, Portionieren und Verpacken der Drogen. Der Rauschgifthandel ihres Lebensgefährten, der hiermit einen Teil seines Lebensunterhalts bestritt, war der Angeklagten bekannt und wurde von ihr geduldet. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe verkaufte der Mitangeklagte G. einem Abnehmer am insgesamt 19,8 g Kokaingemisch mit einem Wirkstoffanteil von 12,7 %.
3Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt, weil sie ihrem Lebensgefährten ihre Wohnung für seine Geschäfte zur Verfügung gestellt habe (UA S. 20).
42. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5Den Ausführungen des Landgerichts kann nicht entnommen werden, dass die Angeklagte den Betäubungsmittelhandel des Mitangeklagten G. durch aktives Tun gefördert hätte. Allein die Kenntnis und Billigung der Aufbereitung und des Vertriebs der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt für den Wohnungsinhaber noch nicht die Voraussetzung strafbarer Beihilfe (vgl. BGH, NJW 1993, 76; NStZ 1999, 451; StV 2003, 280; Senat, StV 2007, 81; NStZ 2010, 221). Auch die Begründung der Strafkammer, dass die Angeklagte ihrem Lebensgefährten die Wohnung „zur Verfügung gestellt“ habe, genügt hierfür nicht. Hiermit wird der Angeklagten, die sich mit dem Mitangeklagten G. schon längere Zeit die Wohnung geteilt hatte, bevor er mit dem Betäubungsmittelhandel begann, der Sache nach ausschließlich ein Unterlassen vorgeworfen.
6Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Unterlassen würde allerdings voraussetzen, dass sie als Wohnungsinhaberin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen die Aktivitäten des Mitangeklagten G. einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht eines Wohnungsinhabers besteht nach ständiger Rechtsprechung aber grundsätzlich nicht (vgl. BGH, jeweils aaO).
7Der neue Tatrichter wird daher, sofern hinsichtlich des Falls II. 1. der Urteilsgründe nicht eine Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO in Betracht kommt, insbesondere zu prüfen haben, ob die Angeklagte konkrete Unterstützungshandlungen zu dem Rauschgiftdelikt des als Haupttäter verurteilten Mitangeklagten G. geleistet hat.
83. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe führt zum Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe von sechs Monaten und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Fischer Appl Berger
Eschelbach Ott
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MAAAI-08731