Instanzenzug:
Gründe
I.
1Der Beigeladene, der einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit einer GmbH geschlossen hatte, beantragte bei der Beklagten am die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, welche ihm mit Bescheid vom erteilt wurde. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Zulassungsbescheids an. Am wurde dem Beigeladenen die Zulassungsurkunde zugestellt. Mit Schreiben vom verzichtete der Beigeladene auf seine Rechte aus der Zulassung "mit Ablauf des ", da er zum in ein Anstellungsverhältnis mit einer anderen GmbH wechseln wollte. Daraufhin widerrief die Beklagte die Zulassung mit Bescheid vom "zum " (Tag des Eingangs der Verzichtserklärung bei der Beklagten).
2Die Klägerin, Trägerin der Rentenversicherung, ist der Auffassung, der Beklagte habe nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden dürfen. Sie hat gegen den Bescheid vom , ihr zugestellt am , am Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid rechtswidrig war.
3Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
4Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Klägerin hat Erfolg. Es bestehen ernstliche Zweifel daran, ob der Anwaltsgerichtshof die Klage als unzulässig abweisen durfte, und somit an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Denn das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen. Ernstliche Zweifel sind vielmehr bereits dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, NVwZ 2020, 1661 Rn. 16; Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 28/20, juris Rn. 3).
5Der Anwaltsgerichtshof ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei, da sich der Zulassungsbescheid bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen, spätestens aber durch den Widerruf der Beklagten erledigt habe. Daher habe es bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung an der durch § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO angeordneten Bindungswirkung des Zulassungsbescheids gefehlt.
6Die Klägerin begründet ihren Antrag auf Zulassung der Berufung damit, dass sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO ergebe, dass sich der Zulassungsbescheid noch nicht durch eine Verzichtserklärung erledige, sondern erst durch den Widerrufsbescheid der Rechtsanwaltskammer. Die Zulassung könne entsprechend § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, so dass auch die Regelungswirkung des Verwaltungsakts nur für die Zukunft entfalle, aber für die Vergangenheit weiterbestehe. Wenn der streitgegenständliche Bescheid bestandskräftig würde, würde der Beigeladene gemäß § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO rückwirkend zum Mitglied der Beklagten. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wäre er - auf der Grundlage des Zulassungsbescheids in der Gestalt des Widerrufsbescheids - ab dem bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses des Beigeladenen am von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
7Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin den tragenden Rechtssatz des Urteils des Anwaltsgerichtshofs mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, NVwZ 2009, 122 Rn. 13; vgl. Sodan/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 250). Die Klägerin hat dargelegt, dass der Zulassungsbescheid für einen bestimmten Zeitraum Rechtsgrundlage für die von ihr vorzunehmende Befreiung des Beigeladenen von der Rentenversicherungspflicht sein könnte. Dafür, dass sich der Zulassungsbescheid nicht bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen erledigt hat, spricht, dass die Zulassung gemäß § 46b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO zu widerrufen ist, wenn der Syndikusrechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich verzichtet hat. Dies zeigt, dass erst durch den Widerruf die Rechtswirkungen der Zulassung enden sollten (vgl. Senat, Urteil vom - AnwZ (Brfg) 56/15, NJW-RR 2017, 249 Rn. 26 f.; BVerwG, MMR 2009, 785 Rn. 18; BVerwG, NVwZ 2012, 1547 Rn. 19; vgl. auch BT-Drucks. 3/120, S. 62). Der Widerruf der Beklagten wiederum sollte auch nach dem Willen der Beklagten nur dazu führen, dass die Wirkungen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt frühestens ab dem nicht mehr bestehen sollten. Für den von der Klägerin angeführten Zeitraum vom bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses des Beigeladenen am kann dem Verwaltungsakt daher noch eine Bindungswirkung zukommen. Die Klägerin als Trägerin der Sozialversicherung ist insoweit beschwert, als die getroffene Zulassungsentscheidung im Umfang der Bindungswirkung unmittelbar Auswirkungen auf die Befreiungsentscheidung und damit die Rentenversicherungspflicht hat (vgl. BT-Drucks. 18/5201, S. 34).
III.
8Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR-Aktuell 2021 S. 14 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2022 S. 659
KAAAI-06338