OFD München - S 2282 a - 1 St 41

§ 32 EStG Umsetzung der Entscheidungen des Bundesvorfassungsgerichts vom (BStBl 1999 II S. 174, 193 und 194) zu den Kinderfreibeträgen (§ 32 Abs. 6 EStG) , BStBl 2003 II S. 130

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Umsetzung des § 53 EStG (Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995) - Anlage 1 - Folgendes:

Allgemein

1 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in drei Entscheidungen die Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kindern (Kinderfreibeträge/Kindergeld) in den Jahren 1985, 1987 und 1988 in bestirnmten Fällen als nicht ausreichend angesehen und in derartigen Fällen - soweit sie offen sind - Nachbesserung verlangt.

Nach den Entscheidungen des BverfG sind die beanstandeten Regelungen nicht in allen Fällen verfassungswidrig. Vielmehr wachsen sie erst ab einem bestimmten Grenzsteuersatz in die Verfassungswidrigkeit hinein, von dem an das Kindergeld, das im Einzelfall mit dem individuellen Grenzsteuersatz in einen Kinderfreibetrag umzurechnen ist, zusammen mit dem gesetzlichen Kinderfreibetrag nicht ausreicht, das steuerliche Existenzminimum eines Kindes freizustellen.

2 Die Entscheidungen des BVerfG betreffen zwar nur die Jahre 1985. 1987 und 1988 sowie Familien mit einem bzw. zwei Kindern. Die vom BVerfG aufgestellten Kriterien sind aber ab dem Veranlagungszeitraum 1983 für alle Familien zu beachten, soweit die Einkommensteuerveranlagungen noch nicht formell bestandskräftig oder hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt sind. Danach sind grundsätzlich folgende Fälle zu überprüfen:

  • Einkornmensteuerfestsetzungen, die hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt worden sind.

  • Einkommensteuerfestsetzungen, die noch nicht formell bestandskräftig sind und bei denen wenigstens ein Kind - entweder ganz oder zur Hälfte - berücksichtigt worden ist.

Berücksichtigung von Kindern

3 Die im jeweiligen Veranlagungszeitraum getroffenen Feststellungen zur Berücksichtigung von Kindern bleiben unverändert d.h. die Werte für Inlands- und Auslandskinder sind so, wie sie bei den ursprünglichen Veranlagungen berücksichtigt worden sind, der Überpfülung zugrunde zu legen (§ 53 Satz 2 EStG). So kann z.B. bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht vorliegen, eine mit Zustimmung vorgenommene Übertragung des Kinderfreibetrags nicht nachträglich geändert werden (§ 53 Satz 5 EStG). Bei Auslandskindern ist ggf. eine Drittelung des nach § 53 Satz 1 EStG maßgebenden Betrages vorzunehmen; eine Änderung der Ländergruppeneinteilung kommt nicht in Betracht.

Zustehendes Kindergeld

4 Bei der Ermittlung des zustehenden Kindergeldes ist aus Vereinfachungsgründen in allen Fällen von dem auf den Sockelbetrag begrenzten Betrag auszugehen (vgl. Spalte 3 der Arlage 2) Der Anspruch auf Kindergeld ist dabei grundsätzlich mit dem Jahresbetrag anzusetzen Hat dem Steuerpflichtigen tatsächlich Kindergeld in geringerem Umfang zugestanden (z. B. wegen Geburf des Kindes oder Beendigung der Ausbildung des Kindes im Laufe des Jahres oder bei Wegfall des Kindergekanspruchs wegen der Höhe der eigenen Einnahmen des Kindes), ist der zustehende genngere Kindergeldbetrag anzusetzen.

5 Das Kindergeld ist ebenso aufzuteilen, wie bei der Einkommensteuerveranlagung der Kinderfreibetrag aufgeteilt worden ist. Bei einem barunterhaftspflichtigen Elternteil, bei dem der halbe Kinderfreibetrag abgezogen worden ist, ist das halbe Kindergeld umzurechnen, das ihm über den zivilrechtlichen Ausgleich entsprechend § 1615 g Bürgerliches Gesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung zustand. Die Verrechnung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob der zivilrechtliche Ausgleich tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Dementsprechend ist auch bei dem betreuenden Elternteil, bei dem ein halber Kinderfreibetrag abgezogen worden ist, nur die ihm wirtschaftlich verbleibende Hälfte des Kindergeldes in einen Freibetrag umzurechnen und nicht das an ihn tatsächlich in voller Höhe ausgezahlte Kindergeld.

6 Ist bei der Einkommensteuerveranlagung ein - ggf. geringerer - Auslandskinderfreibetrag abgezogen worden, so ist zu unterstellen, dass ein Anspruch auf inlandisches - auf den Sockelbetrag gekürztes - Kindergeld bestanden hat. Weist der Steuerpflichtige nach, dass er mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nur in geringerer Höhe erhalten hat, so ist der nachgewiesene Betrag zugrunde zu legen. Zu den vergleichbaren Leistungen gehört neben den anderen Leistungen im Sinne des § 65 EStG ( Rdnr. 23 - BStBl 1998 I S. 347 - und BStBl I Seite 888 -) auch Kindergeld nach zwischenstaatlichen Abkommen (Auszüge aus den Abkommen waren dem Einführungsschreiben zum Familienleistungsausgleich - IV B 5 - S 2282 a - 438/95 II - Rdnr 8 - als Anlagen beigefugt).

Ermittlung der Steuererstattung

7 Zur Ermittlung der Steuererstattung ist der Steuerbetrag zu berechnen, der sich bei Abzug eines Kinderfreibetrages in Höhe des Existenzminimums ergäbe, das nach § 53 Satz 1 EStG steuerfrei zu belassen ist. Der so ermittelte Steuerbetrag ist von dem bisherigen Steuerbetrag abzuziehen. Die Differenz, vermindert um das Kindergeld, das der Steuerpflichtige im jeweiligen Veranlagungszeitraum erhalten hat, ist der Erstattungsbetrag. Dieser ist unter gemeinsamer Berücksichtigung aller Kinder des Steuerpflichtigen zu ermitteln. Das jeweilige zu versteuernde Einkommen, von dem an eine zusätzliche Entlastung erforderlich sein kann, ergibt sich für Steuerpflichtige mit 0.5 bis 8 Kinderfreibeträgen aus der diesem Schreiben beigefügten Anlage 2. Auf Grund der Tabellenstufungen kann es aber auch oberhalb dieser Beträge Fälle geben, in denen es nicht zu einer Steuererstattung kommt.

Beispiele zur Ermittlung der Erstattung:

A. Bei Eheleuten ist im Jahr 1987 ein Kind zu berücksichtigen. Es ist die Splittirgtabelle anzuwerden.


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zu versteuerndes Einkommen bisher
75.000 DM
darauf entfallende Einkommensteuer
18.276 DM
Hinzurechnung des bisherigen Kinderfreibetrags
  2.484 DM
Zwischensumme
77.484 DM
Abzug des Existenzminimums nach § 53 EStG
  4.418 DM
zu versteuerndes Einkommen (fktiv)
73.068 DM
darauf entfällende Einkommensteuer
17.512 DM
Differenz
764 DM
erhaltenes Kindergeld
     600 DM
Erstattungsbetrag
164 DM
bisher festgesetzte Einkommensteuer
18.276 DM
Erstattungsbetrag
     164 DM
nunmehr festzusetzende Einkommensteuer
18.112 DM

B. Bei Eheleuten sind in Jahr 1995 zwei Kinder zu berücksichtigen. Es ist die Splittingtabelle anzuwenden.


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zu versteuerndes Einkommen bisher
220.000 DM
darauf entfallende Einkommensteuer
71.216 DM
Hinzurechnung des bisherigen Kinderfreibetrags
    8.208 DM
Zwischensumme
228.208 DM
Abzug des Existenzminimums nach § 53 EStG
  12.336 DM
zu versteuerndes Einkommen (fktiv)
215.872 DM
darauf entfallende Einkommensteuer
69.126 DM
Differenz
2.090 DM
erhaltenes Kindergeld
1.680 DM
Erstattungsbetrag
410 DM
bisher festgesetzte Einkommensteuer
71.216 DM
Erstattungsbetrag
     410 DM
nunmehr festzusetzende Einkommensteuer
70.806 DM

8 Die Steuererstattungen werden nach Maßgabe der §§ 233 a. 236 AO verzinst.

Auswirkungen auf Zuschlagsteuern und andere Bezugsgrößen

9 Die neue festzusetzende Einkommensteuer ist maßgebend für die Berechnung der Zuschlagsteuern nach § 51 a EStG. Die neue festzusetzende Einkommensteuer wirkt sich über das ihr zugrundelie-gende zu versteuernde Einkommen auch auf weitere Tatbestände aus, die an das zu versteuernde Einkommen anknüpfen (z.B. Festsetzung einer Arbeitnehmer-Sparzulage). Die maßgebenden Vor-schriften sind in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung anzuwenden.

Mitwirkung des Steuerpflichtigen

10 Die Veranlagungen jedes Steuerpflichtigen, der aufgrund der Entscheidungen des BVertG einen Erstattungsanspruch hat, werden von Amts wegen durch das nunmehr zuständige Finanzamt überprüft. Ein Antrag ist grundsätzlich nicht erforderlich. In Fällen, in denen das zuständige Finanzamt keine oder nur unvollständige Unterlagen hat, wie z. B. in den Fällen der Tz. 4 Satz 3, hat der Steuerpflichtige die Voraussetzungen durch Vorlage entsprechender Unterfagen nachzuweisen. In Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung jetzt nicht mehr vorliegen und der Erstattungsbetrag nicht ausschließlich einem Elternteil zusteht, soll das Elternpaar gemeinsam bestimmen, an wen ein Erstattungsbetrag ausgezahlt werden soll; wird dem nicht entsprochen, ist der Erstattungsbetrag auf die Elternteile aufzuteilen (siehe AEAO zu § 37 Nr. 2).

Vorläufigkeit

11 Sind Veranlagungen zur Einkommensteuer hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt worden, beginnt die Zweijahresfrist im Sinne des § 171 Abs. 8 Satz 2 AO am (Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Familienforderung) zu laufen. Sie endet am , und zwar auch, soweit die Steuer vor dem Inkrafttrzeten der Ergänzung des § 165 Abs. 1 AO durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom (BStBl 1994 I S. 50) vorläufig festgesetzt wurde. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 wird in den Fällen der Tz. 4 Satz 3 die Zweijahresfrist im Sinne des § 171 Abs. 8 Satz 2 AO einen Monat nach dem Datum des Bundessteuerblatts, in dem das - veröffentlicht wird, in Lauf gesetzt.

Steuerbescheid

Einen Bescheid erhalten nur Steuerpflichtige, bei denen die Überprüfung zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führt. Über die Abwicklung von Einsprüchen und Änderungsanträgen in Fällen, in denen die Steuerfestsetzung nicht zu ändern ist, ergehen zu einem späteren Zeitpunkt gesonderte Weisungen.

Zuständigkeit

Zuständig ist das derzeitige Wohnsitzfinanzamt, unabhängig davon, welches Finanzamt die ursprüngliche Veranlagung durchgeführt hat. Es besteht die Möglichkeit, zur Fortführung eines Verwaltungsverfahrens eine Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 26 Satz 2 AO mit dem bisher zuständigen Finanzamt zu treffen. Unabhängig von der Fortführung eines Verwaltungsverfahrens kann mit Zustimmung des Betroffenen eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO getroffen werden. Nach einem Wohnsitzwechsel in die neuen Länder bleibt für Veranlagungszeiträume vor 1991 das Wohnsitzfinanzamt des alten Landes zuständig (Art. 97a § 1 EGAO).

Dieses Schreiben entspricht dem . BStBl 2000 I S. 413, das im Hinblick auf das . BStBl 2003 II S. 130 durch das . BStBl 2003 I S. 125 teilweise geändert worden ist.

FMS vom , Az.: 32 - S 2282a - 16/111 - 15 669 und FMS vom , Az.: 32 - S 2282a - 016 - 57357/02


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Stichwort:
Kinderfreibetrag
- Umsetzung des Urteils des BVertG

§ 53 Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existerizminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1995

In den Veranlagungszeiträunen 1963 bis 1995 sind in Fallen, in denen die Einkommensteuer noch nicht formell bestandskräftig oder hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig festgesetzt ist, für jedes bei der Festsetzung berücksichtigte Kind folgende Beträge als Existerzminimum des Kindes

steuerfrei zu belassen:


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1983
3 732 Deutsche Mark.
1984
3 864 Deutsche Mark.
1985
3 924 Deutsche Mark.
1986
4 296 Deutsche Mark.
1987
4 416 Deutsche Mark.
1988
4 572 Deutsche Mark.
1989
4 752 Deutsche Mark.
1990
5 076 Deutsche Mark.
1991
5 388 Deutsche Mark.
1992
5 676 Deutsche Mark.
1993
5 940 Deutsche Mark.
1994
6 096 Deutsche Mark.
1995
6 168 Deutsche Mark.

Im übrigen ist § 32 in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung anzuwenden.

Für die Prüfung, ob die nach Satz 1 und 2 gebotene Steuerfreistellung bereits erfolgt ist, ist das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum zustehende Kindergeld mit dem auf das bisherige zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen in dernselben Veranlagungszeitraum anzuwendenden Grenzsteuersatz in einen Freibetrag umzurechnen; dies gilt auch dann, soweit das Kindergeld dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zusteht. Die Umrechnung des zustehenden Kindergeldes ist entsprechend dem Umfang der bisher abgezogenen Kinderfreibeträge vorzunehmen. Bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 nicht vorliegen, ist eine Änderung der bisherigen Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags unzulässig. Erreicht die Summe aus dem bei der bisherigen Eirkommensteuerfestsetzung abgezogenen Kinderfreibetrag und dem nach Satz 3 und 4 berechneten Freibetrag nicht den nach Satz 1 und 2 für den jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgeblichen Betrag, ist der Unterschiedsbetrag vom bisherigen zu versteuernden Einkommen abzuziehen und die Einkommensteuer neu festzusetzen. Im Zweifel hat der Steuerpflichtige die Voraussetzungen durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachzuweisen.

Inhaltlich gleichlautend
OFD München v. - S 2282 a - 1 St 41
OFD Nürnberg v. - S 2282 a - 25/St 32

Fundstelle(n):
CAAAA-81544