BAG Urteil v. - 5 AZR 291/20

Auslegung TV-L (Vergütung von Umkleide- und Rüstzeiten, Zeitgutschrift für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage)

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 287 Abs 2 ZPO, § 286 ZPO, § 37 Abs 1 TV-L, § 6 Abs 3 S 3 TV-L

Instanzenzug: Az: 60 Ca 14876/17 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 10 Sa 1571/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten Landes, Umkleide- und Rüstzeiten zu vergüten und eine Zeitgutschrift für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag zu gewähren.

2Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TV-L Anwendung. Der Kläger ist als Stammkraft an der N in der O Straße, B eingesetzt.

3Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich seit dem ua. nach der „Geschäftsanweisung Dir ZA Nr. 3/2015 über die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in der Direktion Zentrale Aufgaben Zentraler Objektschutz (ZOS)“ vom . Wachpolizisten im ZOS arbeiten danach im Dreischichtsystem von 06:30 Uhr bis 14:45 Uhr (Frühdienst), 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr (Spätdienst) und 22:30 Uhr bis 06:45 Uhr (Nachtdienst). Das System sieht eine feste Schichtfolge mit zwei Früh-, zwei Spät- sowie zwei Nachtschichten und anschließend eine Ruhezeit von ungefähr 72 Stunden vor, dh. 42 Schichten in neun Wochen. Jede Schicht dauert acht Stunden 15 Minuten, wobei sich die Nachtschicht auf 1,5 Stunden zum Ende des einen und 6,75 Stunden zu Beginn des neuen Tages erstreckt. In einem Siebentageszeitraum fallen Schichtzeiten im Umfang von 49,5 Stunden an.

4Die Wachpolizisten müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung (iF PSA) und streifenfertiger Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „POLIZEI“ aufgebracht. Es ist den Wachpolizisten freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. Dem Kläger steht an seinem Einsatzort eine Umkleidemöglichkeit nebst Spind zur Verfügung, die er zum An- und Ablegen der Uniform und der PSA nutzt. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten Landes über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. Wachpolizisten ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den Wachpolizisten freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Ein Waffenschließfach ist am Einsatzort für den Kläger nicht vorhanden. Ein solches wird ihm vom beklagten Land in der Cstraße, B zur Verfügung gestellt. In der Zeit von April 2017 bis einschließlich September 2019 nutzte der Kläger das dienstliche Waffenschließfach. Seit dem bewahrt er seine Dienstwaffe in aller Regel zu Hause auf und legt sie dort auch an und ab.

5An dem gesetzlichen Feiertag (Ostermontag) hatte der Kläger dienstplanmäßig frei. Das beklagte Land hat dem Kläger für diesen Tag keine Gutschrift auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. PuZMan-Konto, in der Spalte „Zeitkonto“ eingetragen.

6Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit diese in die Revision gelangt ist - die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem und für die von ihm aufgewandte Zeit zum Entnehmen, Laden und Entladen und An- und Ablegen sowie Wegschließen der Dienstwaffe seit dem , jeweils im betrieblichen Bereich, verlangt. Er hat gemeint, das An- und Ablegen der Uniform sowie das Rüsten mit der PSA und Dienstwaffe nehme er nur im Interesse des beklagten Landes vor, weshalb die dafür erforderlichen Zeiten zu vergütende Arbeitszeit seien. Das beklagte Land habe zudem seinem Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift für den arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag im Umfang von 7,07 Stunden gutzuschreiben.

7Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

8Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

9Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zu einer Zeitgutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto im Umfang von einer Stunde und 31 Minuten für den verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil vom wurde vom Vorsitzenden der Kammer am der Geschäftsstelle übergeben. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das Urteil am zugestellt.

10Soweit für die Revision von Bedeutung, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung des Klägers - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - eine Vergütungspflicht des beklagten Landes für das Umkleiden und Rüsten mit der PSA im Umfang von insgesamt zehn Minuten sowie für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten, jeweils im betrieblichen Bereich, seit dem für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt und das beklagte Land verurteilt, 7,07 Stunden dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto für den gutzuschreiben. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision die Abweisung der Klage auch in Bezug auf die Feststellung der Vergütungspflichten und die Verurteilung zur Zeitgutschrift.

Gründe

11Das Berufungsurteil ist von Amts wegen zu korrigieren, soweit eine Vergütungspflicht für das Rüsten mit der Dienstwaffe in der Zeit vom bis zum festgestellt wurde, denn das Landesarbeitsgericht hat insoweit gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Im Übrigen ist die Revision des beklagten Landes unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Vergütungspflicht der Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA und Dienstwaffe im betrieblichen Bereich festgestellt und das beklagte Land zur Zeitgutschrift verurteilt.

12I. Das Landesarbeitsgericht hat gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, soweit es eine Vergütungspflicht der Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe, jeweils im betrieblichen Bereich, in der Zeit vom bis zum festgestellt hat. Das Berufungsurteil ist insoweit von Amts wegen zu korrigieren.

131. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt ua. dann vor, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben. Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ( - Rn. 15; - 5 AZR 240/18 - Rn. 11 mwN, BAGE 168, 25).

142. Danach hat das Landesarbeitsgericht in Bezug auf den Zeitraum vom bis zum gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt ua. beantragt, eine Vergütungspflicht für die im betrieblichen Bereich seit dem zusätzlich erbrachte Arbeitszeit durch Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe festzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage gleichwohl - teilweise im Umfang beschränkt - bereits seit dem stattgegeben. Damit hat das Landesarbeitsgericht über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht Gegenstand des Antrags des Klägers gewesen ist. Das Urteil ist daher zu berichtigen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist damit insoweit gegenstandslos, als der Feststellungsklage in Bezug auf das Rüsten mit der Dienstwaffe für die Zeit vom bis zum stattgegeben wurde (vgl.  - Rn. 20 mwN).

15II. Die Revision des beklagten Landes ist nicht deshalb begründet, weil die Berufung des Klägers unzulässig gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung des Klägers ausgegangen. Zwar ist die Berufungsschrift bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingelegt und begründet worden. Dennoch entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

161. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (st. Rspr., vgl.  - Rn. 37 mwN).

172. Die Berufungsbegründung des Klägers, die bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingereicht wurde, genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu  - Rn. 38). Ausreichend ist die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Fünfmonatsfrist, denn das mit Gründen versehene erstinstanzliche Urteil ist erst nach Ablauf von fünf Monaten vom Vorsitzenden der Kammer der Geschäftsstelle übergeben worden (vgl.  - Rn. 16).

18III. Die Revision des beklagten Landes ist im Übrigen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Vergütungspflicht der Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem , der Rüstzeiten mit der Dienstwaffe seit dem , jeweils im betrieblichen Bereich, festgestellt und das beklagte Land zur Zeitgutschrift verurteilt.

191. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem , die der Kläger im betrieblichen Bereich am Einsatzort vornimmt, ist zulässig und begründet. Diese Zeiten sind entgegen der Auffassung des beklagten Landes vergütungspflichtige Arbeitszeiten nach § 611a Abs. 2 BGB.

20a) Der Antrag auf Feststellung einer Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA im betrieblichen Bereich ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ( - Rn. 12, 17). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

21b) Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der PSA seit dem ist begründet. Diese Zeiten sind als Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig (zu den Grundsätzen der Vergütungspflicht beim An- und Ablegen auffälliger Dienstkleidung im Betrieb vgl.  - Rn. 19). Der Kläger ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Tragen der Uniform und der PSA aufgrund Weisung des beklagten Landes verpflichtet und kleidet sich am Einsatzort um (vgl. dazu  - Rn. 13, BAGE 160, 167).

22c) Das Landesarbeitsgericht hat den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Rüstzeiten zutreffend unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt. Die Angriffe der Revision des beklagten Landes veranlassen keine andere Bewertung.

23aa) Vergütungspflichtig ist die Zeit, die für das Umkleiden und Rüsten erforderlich ist. Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen (hierzu im Einzelnen  - Rn. 22).

24bb) Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Rüstzeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und Rüstzeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (dazu im Einzelnen  - Rn. 23 f.).

25cc) Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der Umkleide- und Rüstzeiten auf jeweils fünf Minuten vor Dienstantritt und nach Dienstende ausgehend von den Uniform- und Ausrüstungsbestandteilen frei von Rechtsfehlern. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ( - Rn. 25 ff.). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

26d) Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die erhobenen Ansprüche auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten ab dem gewahrt.

27aa) Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar. Die Klausel ist wirksam einbezogen (vgl.  - Rn. 29).

28bb) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Satz 2 der Regelung reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Der Anspruch auf weitere Vergütung ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

29cc) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass nach dem entstandene Ansprüche des Klägers auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten nicht verfallen sind. Diese hat der Kläger mit der am zugestellten Klageschrift geltend gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Senats in einem Parallelverfahren Bezug genommen ( - Rn. 33 ff.). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit im Grundsatz demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

302. Die Revision ist auch unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht eine Vergütungspflicht der Zeit zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe, jeweils im betrieblichen Bereich, in der Zeit seit dem festgestellt hat. Diese Zeiten sind als Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig.

31a) Der Feststellungsantrag ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Rn. 20).

32b) Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe ist begründet. Die dafür vom Kläger seit dem im betrieblichen Bereich aufgewendeten Zeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. § 611a Abs. 2 BGB.

33aa) Zur Arbeit eines Wachpolizisten gehört auch das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe, wenn diese Handlungen auf der Weisung des Arbeitgebers beruhen, den Dienst mit streifenfertiger Dienstwaffe anzutreten (vgl.  - Rn. 45). Nutzt der Arbeitnehmer zur Aufbewahrung der Dienstwaffe die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit eines dienstlichen Waffenschließfachs, zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch das innerbetriebliche An- und Ablegen der Dienstwaffe sowie weitere damit verbundene Tätigkeiten, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Aufnehmen bzw. Ablegen der Dienstwaffe zu Dienstbeginn und -ende nicht am Schutzobjekt ermöglicht, sondern dafür ein von diesem Arbeitsplatz getrenntes Waffenschließfach bereitstellt.

34bb) Danach handelt es sich bei der vom Kläger aufgewandten Zeit zum Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe im betrieblichen Bereich um vergütungspflichtige Arbeitszeit.

35(1) Das beklagte Land hat den Kläger angewiesen, den Dienst am Schutzobjekt ua. mit angelegter Dienstwaffe im streifenfertigen Zustand anzutreten. Die damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in den vom Kläger genutzten betrieblichen Räumen sind fremdnützig. Die Fremdnützigkeit entfällt nicht deshalb, weil das beklagte Land es dem Kläger freigestellt hat, ein dienstliches oder privates Waffenschließfach zu nutzen. Denn der Arbeitnehmer ist - vorbehaltlich einer gesonderten Vereinbarung - nicht verpflichtet, die ihm zugeteilte Dienstwaffe zu Hause zu verwahren. Nutzt der Arbeitnehmer die Option, die Waffe zu Hause anzulegen, nicht, bleibt das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe am dienstlichen Waffenschließfach eine allein fremdnützige und damit zu vergütende Zusammenhangstätigkeit (vgl.  - Rn. 27).

36(2) Der Senat kann seiner Entscheidung zugrunde legen, dass der Kläger auch in der Zeit seit dem nicht ausschließlich von der privaten Möglichkeit der Aufbewahrung der Dienstwaffe Gebrauch gemacht hat. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bewahrt der Kläger die Waffe „in aller Regel“ zu Hause auf. Sein Antrag bezieht sich nur auf das Auf- und Abrüsten im betrieblichen Bereich. Er umfasst die Fälle der Nutzung des dienstlichen Waffenschließfachs an den Tagen seit dem , auch wenn dies nicht an jedem Arbeitstag der Fall gewesen ist.

37c) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung des zeitlichen Umfangs der vergütungspflichtigen Zeiten zum Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung noch stand.

38aa) Bei der Schätzung der Zeitdauer für das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe berücksichtigt das Landesarbeitsgericht zutreffend, dass diese aus dem Waffenschließfach zu entnehmen ist sowie geladen und angelegt werden muss. Dies entspricht den Vorgaben der Geschäftsanweisung des beklagten Landes, Waffe und Munition getrennt voneinander aufzubewahren und beim Laden und Entladen besondere Sicherheitsvorschriften zu beachten. Das beklagte Land rügt, der Kläger habe die Arbeitsschritte zum Laden und Entladen der Dienstwaffe nicht dargelegt, zeigt jedoch nicht auf, dass die der Schätzung des Tatsachengerichts zugrunde gelegten Anhaltspunkte unzutreffend sind, mithin die Schätzung willkürlich gegriffen wäre. Soweit das beklagte Land nunmehr im Rahmen seiner Revision eine deutlich kürzere Zeitdauer des Vorgangs als in der Tatsacheninstanz vorträgt - nur zwischen 20 und 40 Sekunden statt der zunächst behaupteten ein bis zwei Minuten -, handelt es sich um widersprüchlichen und überdies neuen Vortrag, der im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht berücksichtigt werden kann, § 559 ZPO (vgl.  - Rn. 50).

39bb) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung zum Entnehmen und Wegschließen, An- und Ablegen sowie Laden und Entladen der Dienstwaffe von jeweils zwei Minuten vor Dienstantritt sowie nach Dienstende ist daher im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu bereits  - Rn. 51).

40d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die vom Kläger erhobenen Vergütungsansprüche für das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe für die Zeit ab dem nicht nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen sind. Der Kläger hat diese mit einer am zugestellten Klageerweiterung geltend gemacht. Er hat den Zeitaufwand für das Entnehmen und Wegschließen, das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe mit zehn Minuten angegeben. Einer weiteren Spezifikation bedurfte es für die Geltendmachung iSd. Ausschlussfrist nicht (vgl.  - Rn. 52).

413. Die Revision des beklagten Landes ist schließlich auch unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht es verurteilt hat, dem für den Kläger geführten PuZMan-Konto in der Spalte „Zeitkonto“ 7,07 Stunden für den gutzuschreiben.

42a) Der Antrag, auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorzunehmen, ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig (näher  - Rn. 37).

43b) Die Klage auf Zeitgutschrift im Umfang von 7,07 Stunden ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gutschrift nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L. Das Landesarbeitsgericht legt seiner Berechnung zutreffend zugrunde, dass für jeden dienstplanmäßig freien Arbeitstag 7,07 Stunden gutzuschreiben sind. Der (Ostermontag) war ein gesetzlicher Feiertag. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte der Kläger an diesem Tag dienstplanmäßig frei (näher  - Rn. 40 ff.).

44c) Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für den in der Revision noch streitigen Anspruch gewahrt. Diesen hat der Kläger mit einem dem beklagten Land am zugegangenen Schriftsatz geltend gemacht.

45IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:131021.U.5AZR291.20.0

Fundstelle(n):
YAAAI-04975