Auswirkungen des Zwerganteils- und des Sanierungsprivilegs auf nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG
Bezug: BStBl 1999 I S. 545
Bezug: BStBl 2010 I S. 832
Bezug: BStBl 2021 I S. 723
Der Bundesfinanzhof orientiert sich in seinen Entscheidungen zur Berücksichtigung von Darlehen und Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG bisher strikt an den im Gesellschaftsrecht normierten Eigenkapitalersatzregeln (vgl. BStBl I 1999, 545). Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde das Eigenkapitalersatzrecht zum grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG a.F.) wurden aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz neu geordnet. Die gesetzlichen Neuerungen sind auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten des MoMiG am eröffnet worden sind. Für Insolvenzeröffnungen vor dem gelten die bisherigen gesetzlichen Regelungen fort (Art. 103d EGInsO).
I. Zwerganteilsprivileg
1. Rechtslage für Insolvenzeröffnungen bis (§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F.)
Die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten gemäß § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. nicht für Gesellschafter, die mit 10 % oder weniger am Kapital der GmbH beteiligt und nicht Geschäftsführer der Gesellschaft sind. Für den persönlichen Geltungsbereich der Eigenkapitalersatzregeln kommt es auf die Verhältnisse nach Kriseneintritt an ( BStBl II 2008, 706).
Zivilrechtlich und wirtschaftlich betrachtet stellt dieses Zwerganteilsprivileg eine Erleichterung für die Gesellschafter dar, da die grundsätzlich eigenkapitalersetzenden Darlehen und sonstigen Finanzierungshilfen im Ergebnis wie die fremder Dritter behandelt werden (kein Rangrücktritt hinter den übrigen Gläubigern) und insbesondere nicht der Rückzahlungssperre des § 30 GmbHG a.F. unterliegen. Die zivilrechtliche Privilegierung führt jedoch zu dem einkommensteuerrechtlichen Nachteil, dass einem Gesellschafter, der unter das Zwerganteilsprivileg fällt, infolge der zwingenden Vorgabe durch das Kapitalersatzrecht in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. keine nachträglichen Anschaffungskosten aus dem Verlust von Finanzierungshilfen entstehen. Dies gilt auch für Finanzplandarlehen ( EFG 2008, 1602, EFG 2009, 1740, EFG 2009, 1830).
Das Gleiche gilt für Dritte, die der Gesellschaft aufgrund eigener Verpflichtungen Beträge zuwenden. Auch ihre Finanzierungshilfen können nur als Anschaffungskosten der Beteiligung des Gesellschafters berücksichtigt werden, wenn die Finanzierungshilfen eigenkapitalersetzend sind. Ist also der Gesellschafter, aus dessen Vermögen diese Leistungen wirtschaftlich erfolgen sollen, nicht zu mehr als 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und ist er kein Geschäftsführer, können derartige Aufwendungen steuerlich nicht berücksichtigt werden.
Mit Urteil vom (BStBl II 2014, 781) hat der BFH den o.g. Grundsatz bestätigt. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Gesellschafter mit der Gesellschaft von vornherein vereinbart, das Darlehen solle „wie Eigenkapital“ behandelt werden, und wenn die Beteiligten sich in der Insolvenz der Gesellschaft auch tatsächlich an diese Abrede halten und das Darlehen als nachrangige Forderung behandeln. Der BFH sieht hierin eine bewusste Entscheidung des Gesellschafters gegen eine Fremdkapitalfinanzierung und den freiwilligen Verzicht auf das Kleinanlegerprivileg. In diesem Falls sind dann ausnahmsweise nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung möglich, auch wenn der Gesellschafter mit nicht mehr als 10% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war.
2. Rechtslage für Insolvenzeröffnungen ab (§ 39 Abs. 5 InsO)
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO treten grundsätzlich alle Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens im Rang zurück. Hiervon ausgenommen sind nach § 39 Abs. 5 InsO Darlehen eines nicht geschäftsführenden Gesellschafters mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger. Damit gelten auch für Insolvenzeröffnungen nach dem die gleichen steuerlichen Folgen wie im bisherigen Eigenkapitalersatzrecht des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F.
Sinn und Zweck des Kleinanlegerprivilegs gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 , Abs. 5 InsO (bisher Zwerganteilsprivileg nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG) ist die gesetzliche Klarstellung, dass nicht geschäftsführende Gesellschafter mit einer nur geringen Beteiligung nicht unternehmerisch beteiligt sind und deshalb nicht in der Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft stehen.
3. Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019“)
Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019") hat § 17 EStG um den Abs. 2a ergänzt. Darin werden die bisher im geregelten nachträglichen Anschaffungskosten aus ausgefallenen Gesellschafterdarlehen und Bürgschaftsregressforderungen erstmals gesetzlich geregelt.
Eine Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2a EStG erfolgt unabhängig von der Beteiligungshöhe des Gesellschafters. Auch Kleinanleger (nach bisheriger Verwaltungsauffassung sind das Gesellschafter mit einer Beteiligungshöhe bis einschließlich zu 10% ohne Geschäftsführertätigkeit) können nunmehr Darlehensverluste oder Verluste aus Bürgschaftsregressforderung bzw. sonstigen Sicherheiten gewinnmindernd geltend machen. Bis zur Einführung von § 17 Abs. 2a EStG konnten Kleinanleger nachträgliche Anschaffungskosten nur geltend machen, wenn sie zur Geschäftsführung befugt waren ( BStBl I 2010 S. 832).
4. Auswirkungen der Abgeltungsteuer ab VZ 2009
Seit Einführung der Abgeltungsteuer wird der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art der Besteuerung unterworfen (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG). Hierzu zählt u.a. die Veräußerung von Darlehensforderungen, wenn diese nach dem angeschafft bzw. begründet wurden (vgl. Rz. 58, BStBl I 2021, 723).
Die Finanzverwaltung hat sich durch die Änderungen des (siehe hierzu auch ofix: EStG/20/55 und ofix: EStG/20/98) inhaltlich der Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung eines Forderungsausfalls und -verzichts angeschlossen.
Die ganze oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt zu einem steuerlich anzuerkennenden Veräußerungsverlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 , Satz 2 und Abs. 4 EStG (, BStBl 2020 II S. 831). Dies gilt grundsätzlich nur, wenn die Kapitalforderung nach dem begründet worden ist und die Kapitalerträge nach dem zugeflossen sind (vgl. § 52 Abs. 28 Satz 15 bis 17 EStG), vergleiche Rz. 60, BStBl I 2021, 723.
Auch der Verzicht auf eine nicht werthaltige Forderung steht einem Forderungsausfall gleich und führt nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 sowie Abs. 4 EStG zu einem steuerlich anzuerkennenden Veräußerungsverlust (, BStBl 2020 II S. 833). Der Anerkennung des Verlusts steht die Freiwilligkeit des Verzichts nicht entgegen, vergleiche Rz. 61, BStBl I 2021, 723.
5. Auswirkungen auf das Aktienrecht
Im Aktienrecht fehlt eine dem § 32a Abs. 3 GmbHG a.F. entsprechende Regelung. Daher ist bei einer AG das Eigenkapitalersatzrecht regelmäßig erst ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 % (Sperrminorität) anwendbar. Erst ab einer solchen Beteiligung ist ein Gesellschafter „unternehmerisch“ am Grundkapital einer AG beteiligt, sofern der Aktionär nicht ausnahmsweise bei einer darunter liegenden Beteiligung auf Grund weiterer Umstände (z.B. Konsortialverträge; familiäre Verflechtung unter den Aktionären) einen fortdauernden Einfluss auf die Unternehmensleitung hat und ersichtlich auch ausübt.
Finanzierungshilfen eines Gesellschafters, der zu 25 % oder weniger an einer AG beteiligt ist, können daher grundsätzlich nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden. Der Gesellschafter ist vielmehr wie jeder Drittgläubiger zu behandeln ( BStBl II 2008, 706).
Ab fällt auch die AG unter den Gesellschaftsbegriff des § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO, so dass § 39 Abs. 5 InsO Anwendung findet (vgl. 2).
II. Sanierungsprivileg
1. Rechtslage für Insolvenzeröffnungen bis (§ 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F.)
Wenn ein Darlehensgeber in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise erwirbt, führt dies für seine bestehenden oder neugewährten Kredite gemäß § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F. ebenfalls nicht zur Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz, d.h. diese Forderungen sind nicht nachrangig.
Trotz dieser zivilrechtlichen Privilegierung hat der BStBl II 2009, 5) entschieden, dass die Freistellung der Darlehen eines Sanierungsgesellschafters von den Beschränkungen des § 32a GmbH im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStG nicht deren Funktion als Eigenkapital ausschließt. Denn Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung sei es, Anreize zu bieten, GmbHs Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich benachteiligt würde. Bei der Prüfung, ob Finanzierungsmaßnahmen als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden können, sind daher die Grundsätze des (BStBl I 1999, 545) zu beachten.
2. Rechtslage für Insolvenzeröffnungen ab (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO)
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO treten grundsätzlich alle Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens im Rang zurück. Hiervon ausgenommen sind nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen eines Gläubigers, der bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck der Sanierung erwirbt. Denn der Sinn und Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung besteht darin, Anreize dafür zu bieten, einer GmbH Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen. Damit gelten auch für Insolvenzeröffnungen nach dem die gleichen steuerlichen Folgen wie im bisherigen Eigenkapitalersatzrecht des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F und führen zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG in Höhe des Nennwerts.
OFD Frankfurt/M. v. - S 2244 A - 37 - St 519
Fundstelle(n):
VAAAI-04000