BGH Urteil v. - V ZR 44/20

Wesentlicher Bestandteil: Gebäudeeigenschaft einer Freiland-Photovoltaikanlage; Sonderrechtsfähigkeit des Bestandteils einer zusammengesetzten Sache; Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck

Gesetze: § 93 BGB, § 94 Abs 2 BGB, § 95 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 1 U 175/18vorgehend LG Mosbach Az: 2 O 86/18

Tatbestand

1Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Im Februar 2011 verkaufte die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten 40 Module einer Freiland-Photovoltaikanlage nebst einem Miteigentumsanteil an deren Unterkonstruktion. Die Anlage mit insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen, neun Wechselrichtern und einer Gesamtleistung von 1.050 kWp war zuvor auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden. Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

2Zugleich unterzeichneten die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte ein „Angebot/Bestellung zur Lieferung einer Photovoltaikanlage“, in dem die Module und die Unterkonstruktion näher beschrieben waren. Der Beklagte zahlte den Kaufpreis von 37.485 €. Er vermietete die gekauften Module einschließlich Unterkonstruktion an eine Tochtergesellschaft der Insolvenzschuldnerin. Anfang des Jahres 2012 wurde zugunsten der Insolvenzschuldnerin ein - im Rang einem entsprechenden Recht eines Dritten nachfolgendes - Photovoltaikanlagenrecht in das Grundbuch eingetragen. Am wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

3Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der durch das Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei weder Eigentümer der Photovoltaikmodule noch Miteigentümer der Unterkonstruktion geworden. Einem Eigentumserwerb stehe entgegen, dass die Module und die Unterkonstruktion nicht sonderrechtsfähig seien. Es handele sich um Bestandteile der Photovoltaikanlage. Zwar stehe nicht fest, ob die Anlage mit Grund und Boden fest verbunden und damit - einschließlich der Module - wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB) sei. Die Module und die Unterkonstruktion seien aber deshalb nicht sonderrechtsfähig, weil sie in die Photovoltaikanlage als Gebäude zu dessen Herstellung eingefügt worden und daher als wesentliche Bestandteile der Anlage anzusehen seien (§ 94 Abs. 2 BGB). Die gesamte - schon angesichts ihrer Größe ortsfeste - Anlage sei als Bauwerk anzusehen, weil sie unter Verwendung von Arbeit und Materialien sowie einer auf dem Erdboden ruhenden Unterkonstruktion hergestellt worden sei. Allein diese Betrachtung werde dem Zweck der maßgeblichen sachenrechtlichen Vorschrift (§ 94 Abs. 2 BGB) gerecht, den durch die einheitlich geplante, errichtete und auch einheitlich genutzte Anlage geschaffenen wirtschaftlichen Wert zu erhalten. Die Module und die Unterkonstruktion der Anlage seien auch zu deren Herstellung als Gebäude in diese eingefügt worden, und zwar nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck, so dass sie nicht als Scheinbestandteile anzusehen seien (§ 95 Abs. 2 BGB). Denn ein Heraustrennen der Module sei im Zusammenhang mit der geplanten Veräußerung der einzelnen Bestandteile nicht beabsichtigt gewesen.

II.

5Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.

61. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beklagte das Eigentum an den Modulen und das Miteigentum an der Unterkonstruktion (nachfolgend der Einfachheit halber auch lediglich Module) nur durch eine wirksame Übereignung durch die Insolvenzschuldnerin erlangt haben kann, was voraussetzt, dass die Module im Zeitpunkt der Übereignung Gegenstand besonderer Rechte sein konnten (§ 93 BGB). Denn anderenfalls wäre das dingliche Rechtsgeschäft, durch das dem Beklagten das Eigentum verschafft werden sollte, nichtig (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 303).

72. Richtig ist auch die Annahme, dass die Module jedenfalls Bestandteile der Photovoltaikanlage sind.

8a) Bestandteile einer Sache sind diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur aus eine Einheit bilden oder die durch die Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit dergestalt verloren haben, dass sie fortan, solange die Verbindung dauert, als eine einzige Sache erscheinen. Maßgebend dafür ist die Verkehrsanschauung und - wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann - die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters, wobei Zweck und Wesen der Sache und ihrer Bestandteile vom technisch-wirtschaftlichen Standpunkt aus zu beurteilen sind (Senat, Urteil vom - V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 Rn. 11 mwN).

9b) Zu Recht geht das Berufungsgericht nach diesem Maßstab davon aus, dass die Module jedenfalls einfache Bestandteile der Photovoltaikanlage sind, weil sie dazu ausgelegt sind, gemeinsam mit den anderen Teilen der Anlage verbunden zu werden, und nur so ihren Zweck der Stromerzeugung erfüllen könnten (vgl. auch Senat, Urteil vom - V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 Rn. 12).

103. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist außerdem die - von der Revision nicht angegriffene - Würdigung des Berufungsgerichts, die Photovoltaikanlage sei nicht als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) anzusehen, weil der Kläger bereits nicht vorgetragen habe, dass sie mit Grund und Boden fest verbunden sei.

114. Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die Module seien nach § 94 Abs. 2 BGB wesentliche und damit nicht sonderrechtsfähige Bestandteile der Photovoltaikanlage, weil diese als Gebäude anzusehen und die Module zu dessen Herstellung eingefügt worden seien.

12a) Ob eine Freiland-Photovoltaikanlage ein Gebäude i.S.v. § 94 BGB darstellt, ist bislang nicht geklärt (vgl. zum Stand der Diskussion etwa BeckOGK/Mössner, BGB [], § 94 Rn. 11.1; Nobbe/Fischer/Klindtworth, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl., §§ 929 f. BGB Rn. 157 f.; Böttcher, notar 2012, 383, 391; Kappler, ZfIR 2012, 264, 266 f.; Lange/Ländner, EnWZ 2019, 99, 101 f.). Richtigerweise lässt sich diese Frage - weil es sich bei der technischen Anlage unzweifelhaft nicht um ein Gebäude im engeren Sinne handelt - nur unter Berücksichtigung ihrer konkreten Beschaffenheit und Bauweise beantworten.

13b) Eine Freiland-Photovoltaikanlage stellt jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen oder Schienen sowie darin eingesetzten Photovoltaikmodulen besteht, kein Gebäude i.S.v. § 94 BGB dar.

14aa) Der historische Gesetzgeber hat bei der Fassung des § 94 BGB auf eine Legaldefinition des Begriffs des Gebäudes bewusst verzichtet, weil sich die Bezeichnung nicht fest abgrenzen lasse (Motive III S. 43). Was unter einem Gebäude im sachenrechtlichen Sinne zu verstehen ist, kann daher nicht rein begrifflich, sondern nur unter Einbeziehung der Zwecke dieser Vorschrift bestimmt werden, die auf eine Erhaltung wirtschaftlicher Werte und die Wahrung rechtssicherer Vermögenszuordnungen ausgerichtet ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 29; , BGHZ 187, 311 Rn. 12; Urteil vom - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434, 2435).

15bb) Soweit das Berufungsgericht meint, ein Bauwerk i.S.v. § 94 BGB sei jede ortsfeste, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache, zieht es damit die Definition des Bundesgerichthofs zu einem Bauwerk nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB heran (vgl. dazu , NJW 2014, 845 Rn. 19; Urteil vom - X ZR 184/99; NJW-RR 2002, 664, 665; Urteil vom - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434, 2435; Urteil vom - VII ZR 65/82, NJW 1983, 567, 568). Die genannten Verjährungsregeln verfolgen jedoch andere Zwecke, nämlich die Berücksichtigung bauwerkspezifischer Mängelrisiken im Rahmen des Interessenausgleichs zwischen den Vertragspartnern (vgl. , NJW 2014, 845 Rn. 19; Urteil vom - X ZR 184/99, NJW-RR 2002, 664, 665; Urteil vom - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434, 2435). Zur sachenrechtlichen Einordnung eignet sich der weite schuldrechtliche Bauwerksbegriff deshalb nicht.

16cc) Ein Bauwerk stellt die Photovoltaikanlage, selbst wenn sie als ortsfest anzusehen sein dürfte, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht schon deshalb dar, weil sie mit rund 5.000 Modulen über große Ausmaße (in der Breite) und über einen erheblichen Wert verfügt.

17(1) Allein der Schutzzweck des § 94 BGB erlaubt keine hinreichende Konturierung seiner Anwendbarkeit. Die gesetzgeberische Absicht, im Interesse des Rechtsverkehrs klare Verhältnisse zu schaffen, würde (fast) ausnahmslos für eine einheitliche Behandlung zusammengesetzter Sachen sprechen. Mit Blick auf das Ziel, die Zerschlagung von erheblichen Vermögenswerten zu vermeiden, könnte man den Gebäudebegriff auf jede wertvolle Anlage, Maschine oder sonstige größere Sache erstrecken, die sich auf einem Grundstück befindet. Ein derart weites Verständnis ließe sich jedoch weder mit dem Wortlaut noch der systematischen Stellung der Norm in Einklang bringen.

18(2) Ausgehend von dem Wortlaut der Norm erfasst § 94 BGB zunächst alle Gebäude im herkömmlichen Sinne, also Häuser und sonstige Baukörper, die durch räumliche Einfriedung Schutz gewähren und den Eintritt von Menschen gestatten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 216/13, BGHZ 204, 365 Rn. 29; Urteil vom - V ZR 75/19, WM 2020, 938 Rn. 10 f. [Mobilheim]; Urteil vom - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 300 f. [Blockhaus]; Urteil vom - V ZR 102/80, NJW 1982, 756 [Tiefgarage]; Urteil vom - V ZR 33/76, NJW 1978, 1311 [Pavillonbau in Fertigbauweise]; Urteil vom - V ZR 1/71, LM Nr. 16 zu § 94 BGB [Gewächshaus]).

19(3) Wie das Berufungsgericht zu Recht anführt, hat der Senat zudem bereits entschieden, dass der Begriff Gebäude in § 94 BGB auch andere größere Bauwerke umfasst, weil sich sonst die Zielsetzung der Vorschrift, wirtschaftliche Werte zu erhalten und für rechtssichere Vermögenszuordnungen zu sorgen, nicht erreichen lässt (Senat, Urteil vom - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 29). Dies entspricht allgemeiner Auffassung in der Literatur (vgl. BeckOGK/Mössner, BGB [], § 94 Rn. 12, 12.1, 18; BeckOK BGB/Fritzsche [], § 94 Rn. 7; Erman/J. Schmidt, BGB, 16. Aufl., § 94 Rn. 6, MüKoBGB/Stresemann, 9. Aufl., § 94 Rn. 21; jurisPK-BGB/Vieweg/Lorz, 9. Aufl., § 94 Rn. 18; NK-BGB/Ring, BGB, 3. Aufl., § 94 Rn. 17 f., 28; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 94 Rn. 3, 5; Soergel/Marly, BGB, 13. Aufl., § 94 Rn. 4, 23; Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 94 Rn. 23).

20(4) Bei einer Sache, die kein Gebäude im herkömmlichen Sinn darstellt, bedarf es jedoch der wertenden Betrachtung mit Blick auf ihre konkrete Beschaffenheit, ob eine erweiternde Anwendung des § 94 Abs. 2 BGB gerechtfertigt ist, weil die Sache zumindest eine gewisse Überschneidung mit einem Gebäude im engeren Sinne aufweist, sei es etwa aufgrund einer vergleichbaren Bauweise oder beispielsweise ihres Zwecks, dem - zumindest vorübergehenden - Aufenthalt von Menschen zu dienen.

21(a) Im Rahmen des § 912 BGB, dem der Rechtsgedanke zugrunde liegt, die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte zu vermeiden, hat der Senat eine größere Ufermauer an einer schiffbaren Binnenwasserstraße als Gebäude angesehen. Dies hat er auf die Überlegung gestützt, dass die Beseitigung einer solchen Mauer eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutete (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 29 f.).

22(b) Diese Erwägung lässt sich auf die Abgrenzung des Gebäudebegriffs in § 94 BGB übertragen. Gebäude i.S.v. § 94 BGB sind auch andere größere Bauwerke, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutete. Ein Bauwerk setzt in diesem Zusammenhang regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen „Gebautes“ (vgl. Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 94 Rn. 23) von solcher Größe und Komplexität voraus, dass seine Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den Verlust der Funktionalität des Bauwerks zur Folge hätte. Andernfalls fehlt es an der notwendigen Vergleichbarkeit mit einem klassischen Gebäude.

23(c) Etwas derart „Gebautes“ stellt die Freiland-Photovoltaikanlage im vorliegenden Fall nicht dar. Ähnlichkeiten mit einem herkömmlichen Gebäude weist sie nicht auf. Sie ist insbesondere nicht als massive, in sich feste Einheit mittels klassischer Baustoffe hergestellt, sondern lediglich modulartig mit Hilfe von Schrauben, Klemmen oder sonstigen ohne größeren Aufwand wieder lösbaren Verbindungselementen zusammengesetzt worden. Selbst wenn sie zur Sicherung ihrer Standfestigkeit über eine Verankerung im Boden verfügen sollte, könnte sie ohne wesentliche Beschädigung abgebaut, in ihre Einzelteile zerlegt und an anderer Stelle wieder aufgestellt werden, ohne dadurch ihre Funktionsfähigkeit einzubüßen.

III.

24Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere Feststellungen zu treffen sind. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

251. Die Übereignung an den Beklagten wäre unwirksam, wenn die Module und die Elemente der Unterkonstruktion zum Zeitpunkt der Übereignung als wesentliche Bestandteile der Photovoltaikanlage i.S.v. § 93 BGB anzusehen waren.

26a) Wesentliche Bestandteile einer Sache sind nach § 93 BGB solche, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Die Wesentlichkeit der einzelnen Bestandteile einer Sache bestimmt sich nach den Wirkungen ihres (gedachten) Ausbaus. Eine Zerstörung oder Wesensveränderung des abzutrennenden Teils ist daher anzunehmen, wenn dieses durch die Trennung wertlos wird oder nur noch Schrottwert hat, nicht aber, wenn es nach dem Ausbau in gleicher oder in ähnlicher Weise in eine andere Anlage integriert werden und damit wieder seine Funktion erfüllen kann. Ebenso wird die Restsache durch die Trennung nicht zerstört oder in ihrem Wesen verändert, wenn sie nach der Abtrennung des Bestandteils noch in der bisherigen Weise benutzt werden kann, sei es auch erst, nachdem sie zu diesem Zweck wieder mit anderen Sachen verbunden wird (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom - V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 Rn. 14 ff.; , BGHZ 20, 159, 161 f.). Somit wären die einzelnen Module nicht als wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage anzusehen, wenn sie durch ein gleiches oder ähnliches Bauteil ersetzt und wenn sie zudem ihrerseits wieder in eine andere Anlage eingebaut werden und dort Strom erzeugen könnten.

27b) Ob ein Bestandteil nach diesen Maßstäben im Sinne des § 93 BGB wesentlich ist, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Verbindung, wenn es darauf ankommt, ob an dem Bestandteil bestehende Rechte Dritter infolge der Verbindung untergegangen sind. Ist dagegen zu beurteilen, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, kommt es auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts an (hierzu ausführlich Senat, Urteil vom - V ZR 69/20, Rn. 28 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

28c) Folglich kommt es für die hier zu entscheidende Frage, ob der Beklagte das Eigentum an den Modulen erwerben konnte oder ob diese als wesentliche Bestandteile der Photovoltaikanlage nach § 93 BGB nicht Gegenstand gesonderten Eigentums sein konnten, auf die Verhältnisse bei der Übereignung der Module durch die Insolvenzschuldnerin an. Diese ist frühestens im Februar 2011 erfolgt. Maßgeblich ist, ob die Module zu diesem Zeitpunkt noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle hätten ersetzt und ob sie ihrerseits in anderen Anlagen hätten verwendet werden können. Dem Kläger wird Gelegenheit zu geben sein, hierzu ergänzend vorzutragen. Sollten keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorgetragen werden, wird das Berufungsgericht davon ausgehen dürfen, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse in der eher kurzen Zeitspanne zwischen der Errichtung der Anlage und der Übereignung nicht geändert haben.

29Unerheblich ist indes entgegen der Auffassung des Klägers, ob das gesamte Solarkraftwerk durch den Ausbau eines oder mehrerer Module die bisherige Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verloren und nur noch die geringere Einspeisevergütung aus dem Jahr der Übereignung an den Beklagten erhalten hätte, weil für sie nach § 32 Abs. 5 EEG aF in diesem Fall ein neues Fertigstellungsdatum gegolten hätte. Denn eine solche Verringerung der Einspeisevergütung für die Photovoltaikanlage führte weder zu ihrer wirtschaftlichen Zerstörung noch zu einer Wesensveränderung i.S.v. § 93 BGB (hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 69/20, Rn. 44, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

302. Scheinbestandteile der Photovoltaikanlage können die Module nicht sein. Da die Photovoltaikanlage - wie gezeigt - kein Gebäude i.S.v. § 94 BGB ist, handelt es sich um eine bewegliche Sache im Rechtssinne. Dann können die einzelnen Module nicht Scheinbestandteile dieser Anlage sein, denn § 95 Abs. 1 BGB ist auf Bestandteile einer beweglichen Sache i.S.v. § 93 BGB nicht entsprechend anwendbar (hierzu ausführlich Senat, Urteil vom - V ZR 69/20, Rn. 39 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Sonderrechtsfähigkeit der Module und Komponenten der Unterkonstruktion kann daher nicht auf § 95 Abs. 1 BGB gestützt werden.

313. Sollten die Module und die Unterkonstruktion sonderrechtsfähig gewesen sein, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob bei der Übereignung deren weitere Voraussetzungen vorlagen, also insbesondere eine hinreichend bestimmte dingliche Einigung sowie die Übergabe der Module bzw. ein die Übergabe ersetzender Tatbestand nach §§ 929 ff. BGB (vgl. Senat, Urteile vom - V ZR 225/19, Rn. 29 ff. und 33 ff., und V ZR 8/20, Rn. 32 ff. und 39 ff., jeweils zur Veröffentlichung bestimmt).

324. Die Übereignung scheiterte hingegen nicht an dem fehlenden Eintritt der unter § 1 Nr. 3 des Vertrags vereinbarten aufschiebenden Bedingung. Denn bei der Auslegung dieser Abrede ergibt sich jedenfalls nicht mit der notwendigen Klarheit, dass auch der Eigentumsübergang durch die Eintragung der Dienstbarkeit aufschiebend bedingt sein sollte.

33a) Es handelt sich, wie dem Senat aus mehreren Parallelverfahren (vgl. Senat, Urteile vom - V ZR 225/19, Rn. 1, V ZR 8/20, Rn. 1, sowie V ZR 69/20, Rn. 1, jeweils zur Veröffentlichung bestimmt) bekannt und von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt worden ist, bei der Klausel um eine von der Insolvenzschuldnerin mehrfach gleichlautend verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar. Im Unterschied zu individuellen Vertragsbestimmungen sind sie objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen. Besondere Bedeutung kommt daher dem Wortlaut einer Klausel und seinem Verständnis durch die typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung derer Interessen zu. Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (vgl. zum Ganzen , NJW 2021, 771 Rn. 44 mwN).

34b) Nach diesen Maßstäben ist zu Lasten der Insolvenzschuldnerin davon auszugehen, dass die Übereignung nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Dienstbarkeit stehen sollte. Der Wortlaut, nach dem „der Vertrag“ unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit steht, ist nicht eindeutig. Er könnte zwar dahin zu verstehen sein, dass die Wirksamkeit aller in der Urkunde enthaltenen Regelungen, also sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft, aufschiebend bedingt sein sollten. Auch das Gegenteil ist aber möglich. Als einheitliches Rechtsgeschäft sind ein Kaufvertrag und die zu seiner Vollziehung erfolgende dingliche Einigung jedenfalls in aller Regel nicht zu qualifizieren (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 22/89, BGHZ 112, 376, 378). Es gibt außerdem keine allgemeine Übung, aufschiebende Bedingungen im Zusammenhang mit Veräußerungen jeweils sowohl in Bezug auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags als auch in Bezug auf die Verfügung zu vereinbaren (vgl. allgemein Erman/Armbrüster, BGB, 16. Aufl., § 158 Rn. 2; Staudinger/Bork, BGB [2020], § 158 Rn. 12). Der ausdrücklich bezweckte Schutz des Käufers erfordert es mit Blick auf die weiteren Vereinbarungen nicht, auch die Wirkung der Verfügung bis zu dem Eintritt dieser Bedingung aufzuschieben. An sich läge es zwar nahe, die dingliche Einigung - die hier in § 8 erklärt ist - nicht vorzunehmen, bevor die schuldrechtliche Vereinbarung wirksam geworden ist. Allerdings ist in § 8 auch ein Eigentumsvorbehalt (vgl. § 449 BGB) bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung enthalten. Hat der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt, liegt es aber nicht mehr in seinem Interesse, die Übereignung noch weiter aufzuschieben, unabhängig davon, ob die langfristige Durchführung des Projekts auf fremden Grundstück aufgrund einer vorrangig eingetragenen Dienstbarkeit bestmöglich abgesichert ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:221021UVZR44.20.0

Fundstelle(n):
PAAAI-03312