Keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist bei Verhinderung, einen Fristverlängerungsantrag gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO zu stellen
Leitsatz
NV: Ist der Beschwerdeführer am letzten Tag der regulären Begründungsfrist einer Nichtzulassungsbeschwerde aus Krankheitsgründen daran gehindert, den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO zu formulieren und an den BFH zu übermitteln, entschuldigt dies nicht die Versäumung der Begründungsfrist, sondern nur die —insoweit unerhebliche— misslungene rechtzeitige Stellung des Verlängerungsantrags.
Gesetze: FGO § 56 Abs. 1, Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4;
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die als Steuerberaterin zugelassen ist und sich selbst vertritt, wurde das am zugestellt. Sie erhob vor dem Ablauf der Rechtsbehelfsfrist am fristgerecht die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde.
2 Bis zum , dem Tag des Ablaufs der Begründungsfrist für die Beschwerde gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ging beim Bundesfinanzhof (BFH) weder ein Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist noch eine Beschwerdebegründung ein.
3 Mit Schreiben der Senatsgeschäftsstelle vom , der Klägerin am zugestellt, wurde ihr mitgeteilt, dass die Begründung zur Nichtzulassungsbeschwerde bislang nicht vorliege und die Begründungsfrist am abgelaufen sei. Auf die Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 56 FGO stellen zu können, wurde die Klägerin hingewiesen.
4 Die Klägerin beantragte mit einem am beim BFH eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zur Nichtzulassungsbeschwerde. In diesem Schriftsatz legte sie dar, sie habe am beabsichtigt, einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO an den BFH zu verfassen und zu versenden. Sie habe die Kanzlei verlassen, um ungestört zu Hause den Antrag ausarbeiten zu können. Aufgrund eines Infekts und ihrer Grunderkrankung als Diabetikerin des Typ 1 habe sie wegen einer Unterzuckerung gegen 16 Uhr und auch während der Nacht immer wieder kurzzeitig das Bewusstsein verloren und unter Schwindel, kognitiven Einschränkungen, Sprach- und Sehstörungen sowie anhaltenden massiven Kopfschmerzen gelitten. Dieser Zustand habe bis in den hinein angedauert. Es sei ihr nicht möglich gewesen, den Fristverlängerungsantrag gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO noch am zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist sei erforderlich gewesen, da sie die umfangreichen Arbeiten zur Begründung wegen der Begründungsfrist für eine andere Nichtzulassungsbeschwerde und intensiver Anforderungen in der Mandatsarbeit durch Überbrückungsgeldanträge und die Betreuung von Außenprüfungen nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist habe erledigen können. Ferner legte sie im Schriftsatz vom aus ihrer Sicht vorliegende Verfahrensfehler des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar.
5 Die Klägerin beantragt,
ihr Wiedereinsetzung in die abgelaufene Begründungsfrist zur Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren und die Revision zuzulassen.
6 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Gründe
II.
7 Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
8 Die Klägerin hat die Beschwerde entgegen der gesetzlichen Vorgabe aus § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO nicht rechtzeitig begründet (s. unter 1.). Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist ist ihr gemäß § 56 Abs. 2 FGO weder aufgrund des Antrags noch von Amts wegen zu gewähren (s. unter 2.).
9 1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Danach hätte die Klägerin, was unstreitig ist und keiner Vertiefung bedarf, die Beschwerde bis zum Ablauf des begründen müssen, was nicht erfolgt ist.
10 2. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist ist der Klägerin nicht zu gewähren.
11 a) Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist ein Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO ist der Antrag bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (wie hier) innerhalb eines Monats zu stellen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (BFH-Beschlüsse vom - X B 66/05, BFH/NV 2005, 1862; vom - X B 94/04, juris).
12 b) Zwar hätte über einen am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist beim BFH angebrachten Fristverlängerungsantrag gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO der Klägerin von der Senatsvorsitzenden auch noch nach Fristablauf entschieden und die Beschwerdebegründungsfrist verlängert werden können. Hieraus folgt aber nicht, dass bei dem Vortrag, der Fristverlängerungsantrag habe am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet nicht mehr gestellt werden können, eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung des Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich insoweit nicht um eine gesetzliche Frist i.S. des § 56 Abs. 1 FGO (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; , BFH/NV 2011, 1524, Rz 3). Eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist kommt somit nicht in Betracht. Die von der Klägerin zur unverschuldeten Versäumung eines rechtzeitig erstellten und abgesandten Fristverlängerungsantrags dargelegten Gründe sind mangels einer Wiedereinsetzbarkeit in die „Fristverlängerungsfrist“ insoweit rechtlich unbeachtlich. Es ist danach auch unerheblich, dass die Klägerin ihren dargelegten Krankheitszustand am 24. und bislang nicht glaubhaft gemacht hat. Die angekündigten Anlagen zur Beschwerdebegründung sind beim BFH nicht eingegangen.
13 c) Die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) kann der Klägerin nicht gewährt werden.
14 Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, aus denen ersichtlich ist, dass sie schuldlos daran gehindert war, die Beschwerde bis zum Ablauf des zu begründen. Dass sie aus Krankheitsgründen daran gehindert war, den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO noch am zu formulieren und rechtzeitig an den BFH zu übermitteln, entschuldigt nach der Rechtsprechung nicht die Versäumung der Begründungsfrist, sondern nur die —insoweit unerhebliche— misslungene rechtzeitige Stellung des Verlängerungsantrags am letzten möglichen Tag (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 1524, Rz 4; vom - VIII B 48/11, BFH/NV 2011, 1911, Rz 3).
15 3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2021:B.151121.VIIIB23.21.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2022 S. 81 Nr. 3
BB 2022 S. 213 Nr. 5
BFH/NV 2022 S. 241 Nr. 3
FAAAI-02741