BGH Beschluss v. - XIII ZB 10/21

Abschiebungshaft: Gerichtszuständigkeit für Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fortsetzung der Abschiebungshaft nach Stellung eines Asylfolgeantrags

Gesetze: § 62 FamFG, § 70 Abs 4 FamFG, § 428 FamFG, § 55 Abs 1 AsylVfG 1992, § 71 Abs 1 AsylVfG 1992

Instanzenzug: Az: 329 T 84/19vorgehend Az: 219e XIV 385/19

Gründe

1I. Der Betroffene, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte aus der durch angeordneten Abschiebehaft am einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) übersandte der beteiligten Behörde am eine sogenannte Prognosemeldung, wonach die Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. Nach Rückfrage der beteiligten Behörde vom 8. Januar teilte das Bundesamt am erneut mit, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde und wies darauf hin, dass eine Klage selbst bei Ablehnung des Asylfolgeantrags aufschiebende Wirkung habe. Der Betroffene wurde am aus der Haft entlassen.

2Die auf Feststellung der Rechtsverletzung durch die Anordnung der Abschiebungshaft gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nur noch die Feststellung beantragt, dass er durch die Haft in der Zeit vom 8. bis in seinen Rechten verletzt worden sei.

3II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Betroffene hätte nicht schon am entlassen werden müssen. An diesem Tag habe erst eine Prognose des Bundesamts vorgelegen, die noch nicht bestätigt gewesen sei. Eine unverzügliche Entlassung sei erst geboten gewesen, nachdem am die Nachricht über die Durchführung des Asylverfahrens eingegangen sei. Die Entlassung am 10. Januar sei sodann hinreichend rechtzeitig erfolgt.

52. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

6a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Die ordentlichen Gerichte sind gemäß § 428 FamFG auch für die Entscheidung über die Freiheitsentziehung im Verwaltungswege und damit auch für Fälle zuständig, in denen eine gerichtlich angeordnete Haft über ihr gesetzliches Ende hinaus vollzogen oder nicht rechtzeitig von der beteiligten Behörde beendet wird. Bei einer möglicherweise rechtswidrigen Fortsetzung einer durch das Gericht im ordentlichen Verfahren angeordneten Haft über ihr gesetzliches Ende hinaus liegt keine vorläufige Maßnahme vor, die nach § 70 Abs. 4 FamFG einer Rechtsbeschwerde nicht zugänglich wäre (, InfAuslR 2021, 119 Rn. 7 f.).

7b) Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Betroffene hätte bereits am aus der Haft entlassen werden müssen. Mit der Entscheidung des Bundesamts, dass gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, § 71 Abs. 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde, war die Abschiebungshaft zu beenden, weil dem Betroffenen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen war (BeckOK AuslR/Dickten [], § 71 AsylG Rn. 39; Bergmann/Dienelt/Bergmann, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 71 AsylG Rn. 51; HK-AuslR/Müller, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 71 AsylG Rn. 57). Während der Prüfung seines Antrags hat ein Betroffener ein gesetzliches Aufenthaltsrecht, das der Aufrechterhaltung der Haft entgegensteht. Das gilt auch, wenn das abgeschlossene Asylverfahren auf Grund eines Asylfolgeantrags wiederaufgenommen wird. Von dieser Entscheidung hat die beteiligte Behörde bereits durch die am übersandte sogenannte Prognosenachricht des Bundesamts erfahren. Die Nachricht informiert über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG und darüber, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werde. Damit handelt es sich bei dieser "Prognosemeldung" nicht lediglich um eine unverbindliche Ankündigung, sondern um eine Vorabmitteilung, aus der sich die Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung der Haft ergab.

83. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:200721BXIIIZB10.21.0

Fundstelle(n):
UAAAI-02334