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Kaufpreisallokation
Der vorliegende Examensfall entstammt dem Prüfungsgebiet „Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre“. Die Klausuraufgabe ist den „Methodische(n) Problemstellungen der externen Rechnungslegung, der Corporate Governance und der Unternehmensbewertung“, hier: Externe Rechnungslegung zugeordnet. Bei Aufgaben aus diesem Gebiet ergeben sich oft und sachlogisch deutliche Schnittmengen zum Prüfungsgebiet „Wirtschaftliches Prüfungswesen, Unternehmensbewertung und Berufsrecht“. So auch hier: Es geht um die „Kaufpreisallokation“ und damit um die Bewertung der Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden eines übernommenen Unternehmens zwecks erstmaligen Ansatzes im (Konzern-)Abschluss des Erwerbers.
I. Einordnung der Kaufpreisallokation
Ein Unternehmenszusammenschluss (Unternehmenserwerb) kann als asset deal oder als share deal zu beobachten sein. Bei einem asset deal übernimmt der Erwerber unmittelbar eine definierte Anzahl an Vermögensgegenständen (Vermögenswerten) und Schulden, die zusammengenommen ein funktionsfähiges Unternehmen (Betrieb, Teilbetrieb; nach IFRS 3: Business) darstellen. Bei einem share deal sind die Anteile an einem Unternehmen der Erwerbsgegenstand.
Die einzelnen übernommenen Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden sind bei einem asset deal im Jahresabschluss des Erwerbers anzusetzen. Stellt dieser auch einen Konzernabschluss nach den gleichen Rechtsregeln auf (z. B. HGB), ändert sich die Darstellungsweise nicht. Unterschiede können sich im Detail infolge unterschiedlicher Ansatz- und Bewertungskriterien ergeben, wenn der Jahresabschluss nach HGB, der Konzernabschluss jedoch nach IFRS aufgestellt wird.
Liegt ein share deal vor, der üblicherweise und zutreffend gleichgesetzt wird mit der Entstehung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses, so sind die erworbenen Anteile im Jahresabschluss des Erwerbers als „Anteile an verbundenen Unternehmen“ auszuweisen. Im Konzernabschluss des Erwerbers werden diese Anteile, Vollkonsolidierung (Einbeziehung) des Tochterunternehmens unterstellt, ersetzt durch die Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden des erworbenen Unternehmens, unabhängig davon, ob sie bei diesem angesetzt waren oder nicht: Es wird für die Frage des Bilanzansatzes des übernommenen Nettovermögens die Perspektive eines hypothetischen Erwerbers eingenommen. Da sich die Darstellungsweise des share deals zwischen Jahresabschluss und Konzernabschluss ändert, lässt sich auch formulieren: Im Konzernabschluss wird ein share deal als asset deal dargestellt.
Die übernommenen Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden sind sowohl beim originären asset deal als auch bei der Darstellung eines share deals als asset deal im Konzernabschluss – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zum beizulegenden Zeitwert (fair value) anzusetzen. Es handelt sich um einen Bewertungsschritt, bei dem ebenfalls die Perspektive eines hypothetischen Erwerbers zur Feststellung eines objektiven Werts einzunehmen ist.
Dieser Bewertungsschritt wird in der Praxis als „Kaufpreisallokation“ (purchase price allocation, ppa) bezeichnet. Der Name ist von der wörtlichen Bedeutung her etwas unglücklich gewählt, insoweit er suggeriert, dass der Kaufpreis (die Gegenleistung für den Unternehmenserwerb) auf die übernommenen einzelnen Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden „alloziert“, d. h. zugewiesen würde. Genau das passiert aber nicht; die fair-value-Bewertung des übernommenen Nettovermögens ist ein von der Höhe der Gegenleistung grundsätzlich unabhängiger Vorgang. Anders wäre auch nicht erklärbar, dass das zum fair value bewertete Nettovermögen größer als die Gegenleistung sein kann und damit ein passiver Unterschiedsbetrag bzw. „excess“ (IFRS) entsteht.
Ungeachtet der Kritik an der Wortfindung ist die Kaufpreisallokation ein der Erstkonsolidierung erworbener Tochterunternehmen zuzuordnender Arbeitsschritt zur Aufstellung des Konzernabschlusses.
II. Aufgabenstellung
Im Konzernabschluss 2012 der Volkswagen AG finden Sie die folgenden Informationen im Zusammenhang mit der Übernahme der Porsche Holding:
Die Bewertungsbasis für den Goodwill rechnet sich wie folgt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Mio. € | 2012 |
Kaufpreis der am 1. August erworbenen Anteile | 4.495 |
Zeitwert der Optionen auf die ausstehenden Anteile | 10.197 |
Zeitwert der Altanteile | 12.566 |
Ausgegebene Stammaktie der Volkswagen AG | 0 |
Bewertungsbasis für den Goodwill | 27.258 |
Zudem liegen Ihnen folgende (leicht veränderte) Informationen zu den Vermögensgegenständen und Schulden der Porsche Holding vor:S. 67
Tabelle in neuem Fenster öffnen
in Mio. € | IFRS-Buchwert im
Erwerbszeitpunkt |
Markennamen | 0 |
Technologien | 1.489 |
Kunden- und Händlerbeziehungen | 0 |
Sonstige immaterielle Vermögenswerte | 386 |
Sachanlagen | 2.983 |
Beteiligungen | 162 |
Vorräte | 1.243 |
Forderungen aus Lieferung und Leistung | 348 |
Zahlungsmittel | 1.812 |
Sonstige kurzfristige Vermögenswerte | 11.878 |
Summe
Vermögenswerte |
20.301 |
Langfristige Finanzschulden | 10.227 |
Rückstellungen | 4.389 |
Kurzfristige Finanzschulden | 3.211 |
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung | 989 |
Sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten | 4.160 |
Summe Schulden
|
22.976 |
Volkswagen schätzt den Wert der Markennamen auf 13.823 Mio. € und den der Kundenbeziehungen auf 917 Mio. €. Die Technologien werden mit 3.403 Mio. € bewertet, die Sachanlagen mit 3.348 Mio. €. Zudem schätzt Volkswagen die sonstigen kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 4.799 Mio. €.
Nehmen Sie die Purchase Price Allocation vor. Geben Sie dazu den Zeitwert aller Vermögensgegenstände und Schulden im Erwerbszeitpunkt an und ermitteln Sie den Goodwill. Latente Steuern sind nicht zu berücksichtigen. (8 Punkte)
Ändert sich dieser Goodwill, wenn latente Steuern berücksichtigt werden? Ermitteln Sie den Goodwill ggf. neu. Der relevante Steuersatz betrage 30 %. (4 Punkte)
Welche Unterschiede ergeben sich bei der Folgebewertung zwischen Goodwill und sonstigen Vermögenswerten? (8 Punkte)