BGH Beschluss v. - 1 StR 114/21

Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen: Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen

Gesetze: § 266a Abs 1 StGB, § 266a Abs 2 StGB, § 14 Abs 2 S 2 SGB 4, § 1 Abs 3 SchwarzArbG vom

Instanzenzug: Az: 2050 Js 76845/15 - 10 KLs

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Gegen die Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge (§ 266a Abs. 1, 2 StGB) ist nichts zu erinnern. Insbesondere entspricht es den sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben, dass das Landgericht von Nettoarbeitsentgelten ausgegangen ist und hierauf im Abtastverfahren Lohnsteuern sowie Beiträge zur Sozialversicherung aufgeschlagen hat, um anschließend auf das derart ermittelte Bruttoarbeitsentgelt die im Tatzeitraum geltenden Sätze der Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung anzuwenden (§ 14 Abs. 2 Satz 2, 1 SGB IV; vgl. dazu , BGHSt 53, 71 Rn. 10-17, 11; Beschlüsse vom - 5 StR 122/19 Rn. 15-17 und vom - 1 StR 283/09 Rn. 38). Dem steht die Legaldefinition der "illegalen Beschäftigung" in § 1 Abs. 3 SchwarzArbG nF, in Kraft seit dem aufgrund des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom [BGBl. I 2019, 1066]) nicht entgegen.
a) Zwar wird der - hier einschlägige - Fall des Verstoßes gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts (Nichterfüllung von Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten; vgl. etwa Rn. 37 und vom - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 Rn. 11 unter Übernahme der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) bzw. des Steuerrechts allein vom Begriff der "Schwarzarbeit" in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 SchwarzArbG erfasst; der "illegalen Beschäftigung" unterfallen gemäß § 1 Abs. 3 SchwarzArbG nF die dort im Einzelnen genannten Fälle, vornehmlich solche der unerlaubten Beschäftigung von Ausländern oder des Verstoßes gegen die Vorschriften über die Arbeitnehmerüberlassung. Indes sind diese Definitionen nicht für die Auslegung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV verwendeten Tatbestandsmerkmals der "illegalen Beschäftigungsverhältnisse" maßgeblich. Dieses hat der Gesetzgeber als "Sammelbegriff für eine Vielzahl von verschiedenen Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch" bestimmt (BT-Drucks. 14/8221 S. 11). § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist eine Norm des materiellen Sozialversicherungsrechts; § 1 Abs. 2 und 3 SchwarzArbG umschreiben hingegen den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (so auch Henzler in Müller-Gugenberger/Gruhl/Hadamitzky, Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 36.5; a.A. Erb, PStR 2019, 271, 274 f.; Bach/Hugo, JR 2020, 225, 229). Mit der Definition der "illegalen Beschäftigung" wollte der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Zollverwaltung nicht erweitern, sondern klarstellend umschreiben (BT-Drucks. 19/8691 S. 43; vgl. auch BR-Drucks. 97/19 S. 40 f.). Da-raus folgt zugleich, dass er keineswegs mit der Gesetzesänderung den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV in Bezug auf "illegale Beschäftigungsverhältnisse" einschränken wollte (so auch Thul in Müller-Gugenberger/Gruhl/Hadamitzky, aaO, Rn. 38.265).
b) Ohnehin wäre § 1 Abs. 3 SchwarzArbG nF auf die hier verfahrensgegenständlichen Fälle aus dem Tatzeitraum von Juni 2014 bis August 2018 nicht anwendbar. Denn die - sozialrechtsakzessorische - Bestimmung des Umfangs der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge richtet sich nach dem materiellen Sozialversicherungsrecht, das zur Tatzeit gilt, sofern der Gesetzgeber nichts an dessen Fortgeltung bezüglich des vergangenen Zeitraums geändert hat; § 2 Abs. 3 StGB ist insoweit nicht anwendbar (a.A. Erb aaO S. 275; Bach/Hugo aaO). Insoweit gilt nichts anderes als im Steuerstrafrecht (vgl. , BGHSt 34, 272, 282-284 zur Änderung des Abzugsverbots bezüglich Parteispenden nach bereits eingetretener Verkürzung von Körperschaftsteuer; , BFHE 191, 240, 244 f. zu wegen der Hinterziehung von Vermögensteuer zu leistender Zinsen).
Raum     
        
Jäger     
        
Bellay
        
Hohoff     
        
Leplow     
        

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:080921B1STR114.21.0

Fundstelle(n):
YAAAI-01981