BGH Beschluss v. - StB 46/20

Anordnung des Vermögensarrests in Strafsachen: Zulässigkeit der Beschwerde

Gesetze: § 111e StPO, § 304 Abs 4 S 2 Halbs 2 Nr 1 StPO

Gründe

I.

1Das Oberlandesgericht München hat die Angeklagte sowie neun Mitangeklagte am wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung - teilweise als Rädelsführer - an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML), verurteilt und ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Durch Beschluss vom selben Tag hat es zur Sicherung der Vollstreckung von Kosten des Strafverfahrens gegen die Angeklagte in Höhe von 50.000 € den Vermögensarrest in ihr unbewegliches Vermögen angeordnet und einen Geldbetrag in entsprechender Höhe festgesetzt, durch dessen Hinterlegung sie die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen kann. Die Angeklagte hat gegen den Beschluss Beschwerde mit der näher ausgeführten Begründung eingelegt, dass weder ein Arrestgrund bestehe noch die Anordnung verhältnismäßig sei. Das Oberlandesgericht hat entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

II.

2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

31. Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthaft. Unter dem Begriff der Beschlagnahme im Sinne der Vorschrift ist auch der Vermögensarrest nach § 111e StPO zu verstehen. Zwar lässt sich dafür nicht mehr die Überschrift des achten Abschnitts des ersten Buches der StPO heranziehen (so noch zu § 111d StPO aF u.a., BGHSt 29, 13, 14). Allerdings gilt weiterhin, dass in der Wirkung für den Betroffenen der Arrest der Beschlagnahme insofern gleichsteht, als letztlich Vermögenswerte für den Staat in Beschlag genommen werden (s. BGH, Beschlüsse vom - StB 26/79 u.a., aaO S. 15; vom - StB 55/80, bei Pfeiffer, NStZ 1982, 188, 190; vom - KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 4; OLG Celle, Beschluss vom - 4 Ws 6/20, juris Rn. 9; vgl. auch KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl., § 111j Rn. 19).

42. Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Anordnung des Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 2 StPO liegen vor. Ein solcher ist auch angemessen.

5a) Gegen die Angeklagte ist ein Urteil mit einer Kostenentscheidung zu ihren Lasten ergangen.

6Darüber hinaus muss der Vermögensarrest "zur Sicherung der Vollstreckung" erforderlich sein. Die Regelung beinhaltet nach dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Motiven, dass der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum "Arrestgrund" zu beachten sind (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 49, 76 f.; , NJW 2017, 3731 Rn. 15; , juris Rn. 25; KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl., § 111e Rn. 4; LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111e Rn. 11 ff., 38). Demnach kommt der Arrest nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde (s. § 917 Abs. 1 ZPO; , NJW 2014, 3258 Rn. 6). Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der Tatabsicherung Berücksichtigung finden. Allerdings wird allein das Gewicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten (zu alldem , NJW 2014, 3258 Rn. 7 mwN).

7Nach diesen Maßstäben ist der Arrest möglich und verhältnismäßig. Die Angeklagte ist wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung TKP/ML verurteilt worden (vgl. dazu , NStZ-RR 2016, 170). Die Vereinigung ist bisherigen Erkenntnissen zufolge hierarchisch strukturiert, das Vorgehen war von klandestinem Verhalten geprägt (vgl. , juris Rn. 12). Das Oberlandesgericht hat nach den in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnissen Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Angeklagte der Organisation in der Vergangenheit Geldmittel aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung stellte. In einer mehrere Jahre zurückliegenden Versammlung des Auslandskomitees erklärte sie ihr grundsätzliches Einverständnis, freiwillig am bewaffneten Kampf in der Türkei teilzunehmen. Wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt, hat sich aus ihrem letzten Wort ergeben, dass sie nach wie vor uneingeschränkt hinter den Zielen der Vereinigung steht und bereit ist, diesen alles andere unterzuordnen. Insgesamt ist danach die Befürchtung begründet, die Angeklagte werde ihr noch vorhandenes Privatvermögen, das im Wesentlichen aus einem Erbbaurecht an einem Grundstück in N.     besteht, einem Zugriff zur Begleichung der Verfahrenskosten entziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob zu erwarten ist, ihr werde infolge der Taten ihre ärztliche Approbation entzogen. Dass es bislang nicht zu Veräußerungsbemühungen gekommen ist, lässt die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung nicht entfallen.

8Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass ein Arrest entbehrlich sein könnte, weil die Angeklagte die Verfahrenskosten, die in der Verhandlung an 234 Hauptverhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht angefallen sind und die dieses allein in Bezug auf Sachverständigen- sowie Zeugenauslagen auf bislang rund 200.000 € veranschlagt hat, aus ihrem Vermögen oder einem etwaigen Einkommen als Ärztin zu tragen in der Lage wäre. Mildere, ebenso geeignete Mittel, um die Vollstreckung der Verfahrenskosten sicherzustellen, bestehen nicht.

9b) Der Senat teilt die im Nichtabhilfebeschluss im Einzelnen dargelegte Ermessensentscheidung des Oberlandesgerichts, wonach das Bedürfnis des Staates nach Sicherung seines voraussichtlichen Kostenerstattungsanspruchs die von der Anordnung betroffene Eigentumsposition der Angeklagten überwiegt. Dabei ist zwar einerseits zu berücksichtigen, dass der angeordnete Betrag weitgehend das gesamte Vermögen der Angeklagten erfasst, die Arrestanordnung bereits annähernd ein halbes Jahr besteht und sie mit Blick auf das laufende Revisionsverfahren noch weitere Zeit andauern wird (vgl. zu diesen Gesichtspunkten beim Arrest zur Rückgewinnungshilfe , wistra 2015, 348 Rn. 12 mwN). Allerdings hat die Angeklagte andererseits ein fortlaufendes Einkommen als Ärztin und kann mithin ihren Lebensunterhalt ohne Verbrauch ihres Vermögens sicherstellen. Eine besondere Belastung durch die Eintragung einer Sicherungshypothek, mittels derer der Vermögensarrest in das unbewegliche Vermögen gemäß § 111f Abs. 2 Satz 1 StPO bewirkt wird, ergibt sich nach den konkreten Umständen zudem nicht.

Schäfer                   Wimmer                    Anstötz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:190121BSTB46.20.0

Fundstelle(n):
FAAAI-01594