EuGH Urteil v. - C-107/19

Gründe

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

21Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der er, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist und ob der gelegentliche und unvorhersehbare Charakter sowie die Häufigkeit von Einsatzfahrten während dieser Ruhepause einen Einfluss auf die rechtliche Qualifizierung haben.

22Vorab ist festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit die Vergütung betrifft, die ein Arbeitnehmer für die Ruhepausen, die ihm während seines Arbeitstags gewährt werden, beansprucht.

23Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs beschränkt sich die Richtlinie 2003/88 mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten Sonderfalls des bezahlten Jahresurlaubs darauf, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, so dass sie grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24Da, wie das vorlegende Gericht ausführt, im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits die Frage der Vergütung von Ruhezeiten davon abhängt, ob diese Zeiten als „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzustufen sind, sind die Vorlagefragen, die diese Einstufung betreffen, gleichwohl zu beantworten.

25Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88 den Begriff „Arbeitszeit“ definiert als „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer … arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. In Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie wird der Begriff „Ruhezeit“ negativ definiert als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.

26Das zweite Kapitel der Richtlinie 2003/88 ist u. a. den „Mindestruhezeiten“ gewidmet. Neben den täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten betrifft dieses Kapitel in Art. 4 dieser Richtlinie die „Ruhepause“, die jedem Arbeitnehmer bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden gewährt werden muss, wobei die Einzelheiten, insbesondere Dauer und Voraussetzung für die Gewährung dieser Ruhepause, in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern oder in Ermangelung solcher Übereinkünfte in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt werden.

27Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass XR während seiner Ruhepause an seinem Arbeitsplatz nicht ersetzt wurde und über ein Funkgerät verfügte, mit dem er alarmiert werden konnte, falls er seine Pause für einen plötzlichen Einsatz unterbrechen musste. Folglich unterlag der Kläger des Ausgangsverfahrens während seiner Pausen einer Bereitschaftsregelung, wobei der Begriff „Bereitschaft“ allgemein sämtliche Zeiträume umfasst, in denen der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht, um auf dessen Verlangen eine Arbeitsleistung erbringen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 2).

28Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ einander ausschließen. Die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers ist daher für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88 entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzustufen, da die Richtlinie keine Zwischenkategorie vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29Außerdem sind die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ unionsrechtliche Begriffe, die anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie 2003/88 zu bestimmen sind. Denn nur eine solche autonome Auslegung kann die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der genannten Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherstellen (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30Speziell in Bezug auf Bereitschaftszeiten ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer tatsächlich keine Tätigkeit für seinen Arbeitgeber ausübt, nicht zwangsläufig eine „Ruhezeit“ für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88 darstellt (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 32).

31So hat der Gerichtshof zum einen in Bezug auf Bereitschaftszeiten an Arbeitsplätzen, die sich nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers befanden, festgestellt, dass es für das Vorliegen der charakteristischen Merkmale des Begriffs „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich der Arbeitnehmer, der während einer solchen Bereitschaftszeit verpflichtet ist, zur sofortigen Verfügung seines Arbeitgebers an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, außerhalb seines familiären und sozialen Umfelds aufhalten muss und weniger frei über die Zeit verfügen kann, in der er nicht in Anspruch genommen wird. Folglich ist dieser gesamte Zeitraum, unabhängig von den Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer darin tatsächlich erbringt, als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzustufen (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33Zum anderen hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, d. h. ein Zeitraum, in dem sich der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber zur Verfügung hält, um auf dessen Anforderung eine Arbeitsleistung erbringen zu können, ohne an seinem Arbeitsplatz bleiben zu müssen, gleichwohl insgesamt als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzustufen ist, sofern sie sich angesichts der objektiv vorhandenen und ganz erheblichen Auswirkungen der dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf seine Möglichkeiten, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, von einem Zeitraum unterscheidet, in dem der Arbeitnehmer lediglich für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34Daraus folgt, dass unter den Begriff „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften fallen, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 37).

35Konkret hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass eine Bereitschaftszeit, in der ein Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen und sozialen Aktivitäten planen kann, a priori keine „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 ist. Umgekehrt ist eine Bereitschaftszeit, in der die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten beträgt, grundsätzlich in vollem Umfang als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 48).

36Gleichwohl ist, wie der Gerichtshof betont hat, die Auswirkung einer solchen Reaktionsfrist im Anschluss an eine konkrete Würdigung zu beurteilen, bei der gegebenenfalls die übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen sowie die ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen zu berücksichtigen sind (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 49).

37Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, ob die XR während seiner Ruhepause auferlegte Einschränkung, die sich aus der Notwendigkeit ergab, binnen zwei Minuten einsatzbereit zu sein, von solcher Art war, dass sie die Möglichkeiten dieses Arbeitnehmers, seine Zeit frei zu gestalten, um sich Tätigkeiten seiner Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränkte.

38In Anbetracht der Einwände, die DPP und die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebracht haben, ist erstens noch darauf hinzuweisen, dass der Wertungsspielraum, über den die Mitgliedstaaten nach Art. 4 der Richtlinie 2003/88 verfügen, um die Einzelheiten der Ruhepausen und insbesondere die Dauer und die Voraussetzungen für ihre Gewährung festzulegen, für die Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeiträume als „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 nicht relevant ist, da diese beiden Begriffe autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, worauf bereits in Rn. 29 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist.

39Da die Ruhezeiten, die XR gewährt wurden, wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, von kurzer Dauer waren, nämlich jeweils 30 Minuten, wird das vorlegende Gericht bei seiner Prüfung, ob die XR im Rahmen dieser Zeiträume auferlegten Einschränkungen von solcher Art waren, dass sie seine Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten seiner Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränkten, gleichwohl nicht die Beschränkungen dieser Möglichkeiten zu berücksichtigen haben, die auf jeden Fall bestanden hätten, da sie sich zwangsläufig aus der 30-minütigen Dauer jeder Ruhepause ableiteten, weil diese Beschränkungen unabhängig von jenen sind, die mit seiner Verpflichtung einhergehen, binnen zwei Minuten einsatzbereit zu sein.

40Was zweitens den gelegentlichen Charakter und die Unvorhersehbarkeit der Unterbrechungen der Ruhepausen betrifft, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die im Durchschnitt seltene Inanspruchnahme des Arbeitnehmers während seiner Bereitschaftszeiten nicht dazu führen kann, dass sie als „Ruhezeiten“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88 anzusehen sind, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen hat, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, objektiv gesehen ganz erheblich einzuschränken (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 54).

41Hinzu kommt, dass die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen eine zusätzliche beschränkende Wirkung in Bezug auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers, diese Zeit frei zu gestalten, haben kann. Die sich daraus ergebende Ungewissheit kann nämlich diesen Arbeitnehmer in Daueralarmbereitschaft versetzen.

42Schließlich ist in Anbetracht der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darauf hinzuweisen, dass die Art und Weise der Vergütung von Arbeitnehmern für Bereitschaftszeiten nicht der Richtlinie 2003/88, sondern den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unterliegt. Die Richtlinie steht daher der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, eines Tarifvertrags oder einer Entscheidung des Arbeitgebers nicht entgegen, wonach bei der Vergütung eines Bereitschaftsdiensts Zeiten, in denen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden, und Zeiten, in denen keine tatsächliche Arbeit geleistet wird, in unterschiedlicher Weise berücksichtigt werden, selbst wenn diese Zeiten insgesamt als „Arbeitszeit“ für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie anzusehen sind (Urteil vom , Radiotelevizija Slovenija [Rufbereitschaft an einem abgelegenen Ort], C-344/19, EU:C:2021:182, Rn. 58).

43Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der er, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als „Arbeitszeit“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen.

Zur dritten Frage

44Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht, nachdem seine Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht aufgehoben wurde, nach dem nationalen Verfahrensrecht bei seiner Entscheidung an die Rechtsauffassung dieses übergeordneten Gerichts gebunden ist, wenn diese mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist.

45Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, verpflichtet ist, dann, wenn es eine nationale Regelung nicht den Anforderungen des Unionsrechts entsprechend auslegen kann, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (Urteil vom , Popławski, C-573/17, EU:C:2019:530, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46Insoweit ist das nationale Gericht, das von der ihm nach Art. 267 Abs. 2 AEUV eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, durch die Auslegung der fraglichen Vorschriften durch den Gerichtshof für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens gebunden und muss gegebenenfalls von der Beurteilung des höheren Gerichts abweichen, wenn es angesichts dieser Auslegung der Auffassung ist, dass sie nicht dem Unionsrecht entspricht (Urteil vom , Elchinov, C-173/09, EU:C:2010:581, Rn. 30).

47Unter diesen Umständen umfasst das Erfordernis, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist (Urteil vom , Ognyanov, C-614/14, EU:C:2016:514, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48Daher ist das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall verpflichtet, für die volle Wirksamkeit von Art. 267 AEUV Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls die nationalen Verfahrensvorschriften, die es verpflichten, das nationale Recht in seiner Auslegung durch den Nejvyšší soud (Oberstes Gericht) anzuwenden, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt, wenn diese Auslegung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

49Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht, nachdem seine Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht aufgehoben wurde, nach dem nationalen Verfahrensrecht bei seiner Entscheidung an die Rechtsauffassung dieses übergeordneten Gerichts gebunden ist, wenn diese mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist.

Kosten

50Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der er, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als „Arbeitszeit“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen.

2. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht, nachdem seine Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht aufgehoben wurde, nach dem nationalen Verfahrensrecht bei seiner Entscheidung an die Rechtsauffassung dieses übergeordneten Gerichts gebunden ist, wenn diese mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist.

Fundstelle(n):
TAAAI-01397