BAG Urteil v. - 1 AZR 50/20

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 9 Ca 6/18 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 19 Sa 1078/18 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Wesentlichen über Arbeitsvergütung sowie Weihnachts- und Urlaubsgeldansprüche.

2Die Beklagte produziert in ihrem Betrieb in B Hydraulikkomponenten, Getriebeelemente und Klimamodule. Sie ist seit dem Frühjahr 2017 „Mitglied ohne Tarifbindung“ im Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen e. V. Der Kläger ist seit Oktober 1999 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen - ua. der L GmbH & Co. KG - im gewerblichen Bereich tätig. In seinem schriftlichen Arbeitsvertrag vom ist ua. niedergelegt, dass er „einen monatlichen Bruttomonatslohn auf der Basis von 163,13 Stunden“ erhält und er sich bereit erklärt, „in 2 bzw. 3 Schichten zu arbeiten“, wobei sich die „Arbeitszeit … nach den innerbetrieblichen Regelungen“ richtet. Weiter ist geregelt, dass der Kläger „eine Weihnachtsgratifikation nach den betrieblichen Regeln“ erhält (Nr. 4 des Arbeitsvertrags) und „ein zusätzliches Urlaubsgeld nach den betrieblichen Regeln gezahlt“ wird (Nr. 5 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags).

3Die nicht tarifgebundene L GmbH & Co. KG gewährte ihren Beschäftigten von April 1991 bis Ende 2002 ein Urlaubsgeld in Form eines nach Maßgabe von § 17 Nr. 6 des Gemeinsamen Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom in der ab dem gültigen Fassung (GMTV 1990) erhöhten Urlaubsentgelts.

4In der Zeit von 1992 bis 1998 schloss sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat jährlich eine Betriebsvereinbarung, die die Gewährung eines Weihnachtsgelds für das jeweilige Kalenderjahr regelt. Die einzelnen Betriebsvereinbarungen sehen unter Nr. 1 („Zuwendungsgrundlage“) vor, dass „Grundlage für die Zahlung der Weihnachtsgratifikation … der Tarifvertrag über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeitnehmer und Auszubildende sowie darüber hinausgehende Regelungen der L GmbH & Co. KG“ sind. Die Betriebsvereinbarungen „Weihnachtsgeld 1992“ und „Weihnachtsgeld 1993“ enthalten in ihrer Nr. 3 zudem Staffelungssätze sowohl für die „tarifliche Sonderzahlung“ - die über den in § 2 des Tarifvertrags über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeitnehmer und Auszubildende in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen in der ab dem gültigen Fassung (TV Sonderzahlung) enthaltenen Prozentsätzen lagen - als auch für einen „freiwillig gewährte[n] Teil“. Die Betriebsvereinbarungen für die Jahre 1994 bis 1998 weisen unter Nr. 3 („Berechnungsmodalitäten“) ausschließlich eine Staffel für „die Sonderzahlung“ aus.

5Im Oktober 1999 unterzeichneten die Betriebsparteien eine - kalenderjahrunabhängige - „Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Weihnachtsgeld“ (BV 1999), deren Bestimmungen in Nr. 1 und Nr. 3 mit denen ihrer Vorgängerregelung wortlautidentisch sind. Der Betriebsrat kündigte diese im November 2000 - mit Wirkung zum  - mit der Begründung, die Höhe des Weihnachtsgelds über den tariflichen Satz hinaus sei jährlich neu zu vereinbaren. Die Betriebsparteien verhandelten in der Folgezeit erfolglos über eine Neuregelung.

6Am schlossen sie die „Betriebsvereinbarung über die Beurteilung für gewerbliche Mitarbeiter einschließlich der Prämienzahlungen“ (BV Prämie). Diese regelt für alle gewerblichen Mitarbeiter die Gewährung einer Prämie, deren Zahlung zu 80 % monatlich und im Übrigen zweimal jährlich erfolgen soll (Nr. 6 BV Prämie). Die Höhe der Prämie hängt sowohl von dem - nach einer vorgegebenen Formel zu berechnenden - vierteljährigen unternehmerischen Ergebnis als auch von der durch Beurteilung der Mitarbeiter zu bestimmenden Einstufung in eine der vorgegebenen Prämiengruppen ab. Nach der mit „Urlaubs- und Weihnachtsgeld“ überschriebenen Nr. 5 BV Prämie ist „das bisherige Urlaubs- und Weihnachtsgeld ... in der Prämienberechnung und -zahlung enthalten“; die „bisherigen Regelungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld entfallen“. Ab 2003 erhielten die Arbeitnehmer kein Weihnachts- und Urlaubsgeld mehr.

7Die Betriebsparteien schlossen zudem eine zum in Kraft getretene „Rahmenbetriebsvereinbarung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort B“ (RBV), welche auszugsweise lautet:

8Außerdem schlossen sie mit Wirkung zum die „Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der 40-Stunden-Woche und zur Einführung von Zeitkonten im gewerblichen Bereich am Standort B“ (BV). In dieser heißt es ua.:

9Das Hessische Landesarbeitsgericht stellte in einem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit durch rechtskräftiges Urteil vom (- 12 Sa 1142/14 -) fest, dass die monatliche Arbeitszeit des Klägers 163,13 Stunden beträgt. Zudem verurteilte es eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, 502,50 Plusstunden in das Arbeitszeitkonto des Klägers einzustellen.

10Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen gewährten dem Kläger in den Jahren 2004 bis 2016 - außer 2007 und 2009 - jährliche Lohnerhöhungen iHv. 1,3 % bis 3,8 %.

11Der Kläger arbeitete in den Jahren 2015 und 2016 entsprechend den Vorgaben der RBV und BV in einer 40-Stunden-Woche, wobei er in diesem Zeitraum an mehreren Arbeitstagen - teilweise ohne Entgeltfortzahlung - arbeitsunfähig erkrankt war. In den Jahren 2015 und 2016 nahm er an jeweils 30 Arbeitstagen Erholungsurlaub.

12Mit seiner Klage hat der Kläger ua. die Zahlung von Vergütung für Überstunden in den Jahren 2015 und 2016 einschließlich eines Zuschlags je Stunde iHv. 25 %, hilfsweise hierzu die Gutschrift dieser Überstunden auf seinem Arbeitszeitkonto sowie Ansprüche auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2014 bis 2017 geltend gemacht.

13Er hat die Auffassung vertreten, Nr. 3 RBV sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam; maßgeblich sei seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 163,13 Stunden im Monat. Die darüber hinausgehend erbrachten Überstunden seien - im Hinblick auf eine betriebliche Übung mit einem Zuschlag iHv. 25 % - zu vergüten. Zudem stehe ihm Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu. Auch insoweit bestehe eine betriebliche Übung, hilfsweise ergebe sich dies aus dem - jeweils nachwirkenden - GMTV 1990 und dem TV Sonderzahlung, jedenfalls aber aus seinem Arbeitsvertrag.

14Der Kläger hat zuletzt, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,

15Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrage nach Nr. 3 RBV 40 Stunden in der Woche. Jedenfalls sei der Umfang der Arbeitszeit aufgrund der mehr als 14 Jahre andauernden aktiven Teilnahme an dem in der BV geregelten Arbeitszeitmodell konkludent geändert worden. Zudem habe der Kläger etwaige Ansprüche verwirkt.

16Das Arbeitsgericht hat dem Hilfsantrag zu 3. stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die - in eine Anschlussberufung umgedeutete - „Berufung“ der Beklagten unter ihrer Zurückweisung im Übrigen dem Hilfsantrag zu 3. im Umfang von 210,65 Stunden entsprochen; die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen.

17Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsanträge weiter, während die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision die vollständige Klageabweisung erstrebt.

Gründe

18Während die Revision des Klägers zum Teil Erfolg hat, ist die Anschlussrevision der Beklagten vollumfänglich begründet. Im Ergebnis führt das - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

19A. Die Revision des Klägers ist nur teilweise zulässig und - soweit sie zulässig ist - lediglich in Bezug auf mit den Anträgen zu 1. und 2. verfolgte Begehren begründet.

20I. Ihrer Statthaftigkeit steht allerdings nicht entgegen, dass das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Revision sei hinsichtlich der begehrten Überstundenvergütung zuzulassen, während für die geltend gemachten Weihnachts- und Urlaubsgeldzahlungen kein Grund für ihre Zulassung ersichtlich sei. Nach § 72 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG ist die Entscheidung, ob die Revision zugelassen wird oder nicht, in den Urteilstenor aufzunehmen. Daher kann ihre im Tenor unbeschränkt ausgesprochene Zulassung - wie vorliegend erfolgt - in den Entscheidungsgründen nicht mehr wirksam eingeschränkt werden (vgl.  - Rn. 11 mwN, BAGE 163, 326).

21II. Andererseits ist die Revision des Klägers nicht deshalb uneingeschränkt zulässig, weil die Revisionsbegründung geltend macht, das angefochtene Urteil sei nicht von der Berufsrichterin, die an der Entscheidung mitgewirkt habe, sondern von einem anderen Richter unterzeichnet worden, ohne dass ein Verhinderungsfall nach § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgelegen habe.

221. Der Kläger kann sich zur Begründung einer den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO genügenden Revision nicht auf einen solchen Verfahrensfehler berufen. Dies schließt § 73 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ausdrücklich aus. Zwar bestand bis zum die Möglichkeit, den absoluten Revisionsgrund fehlender Urteilsgründe nach § 547 Nr. 6 ZPO auf den Umstand zu stützen, dass Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht innerhalb von fünf Monaten seit der Verkündung der Entscheidung schriftlich niedergelegt und von den erkennenden Richtern oder für die nach § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO an der Unterschriftsleistung verhinderten unterschrieben der Geschäftsstelle vorgelegt wurden (vgl. etwa  - zu I der Gründe mwN). Seit Inkrafttreten des § 72b ArbGG zum muss sich die unterlegene Partei jedoch entscheiden, ob sie bei einem verspätet abgesetzten Urteil im Sinne der Norm, gegen das die Revision zugelassen und welches noch vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision zugestellt wurde, diese durchführt oder den Rechtsstreit wegen der verspäteten Urteilsabsetzung vor dem Landesarbeitsgericht neu verhandeln lassen will (vgl. BR-Drs. 663/04 S. 50; sh. ausf.  - Rn. 7, BAGE 161, 257). Legt sie - wie vorliegend - Revision ein, kann diese nach § 73 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht in zulässiger Weise auf eine Versäumung der Fünfmonatsfrist gestützt werden (vgl. auch  - zu I 3 der Gründe, BAGE 41, 328; GK-ArbGG/Ahrendt Stand Juni 2021 § 74 Rn. 131; aA GMP/Müller-Glöge 9. Aufl. § 74 Rn. 78).

232. Unabhängig davon genügen die entsprechenden Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht den an die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 547 Nr. 6 ZPO zu stellenden Anforderungen. Der Revisionsführer muss die Tatsachen angeben, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergeben soll. Die Rüge darf nicht auf den bloßen Verdacht des Vorliegens eines Verfahrensmangels gestützt werden. Handelt es sich - wie vorliegend - um gerichtsinterne Vorgänge, muss der Revisionsführer zumindest dartun, dass er eine zweckentsprechende Aufklärung versucht hat (vgl.  - Rn. 3 mwN).

24Dem werden die Darlegungen nicht gerecht. Der Kläger stützt seine Rüge lediglich auf den bloßen Verdacht eines Verfahrensmangels. Diesen leitet er daraus ab, dass die ihm zugestellte Urteilsabschrift eine Rechtsmittelbelehrung (von zweien) enthält, die drucktechnisch nicht - wie die angefügte zweite Belehrung - den Namen der erkennenden Berufsrichterin, sondern den eines Kollegen ausweist. Die Revision zieht hieraus den Schluss, auch die Urschrift des Urteils - die sich im Übrigen mit Unterschrift der erkennenden Berufsrichterin versehen in den Gerichtsakten befindet - müsse eine unzutreffende Unterschrift aufweisen, ohne darzulegen, dass zunächst vergeblich der Versuch unternommen wurde, diese bloße Annahme (etwa durch Akteneinsicht) weiter aufzuklären.

25III. Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landesarbeitsgericht Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Überstundenzuschlägen iHv. 25 % für die Jahre 2015 und 2016 aus einer ab 2003 bestehenden betrieblichen Übung verneint hat.

261. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine konkrete Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig ( - Rn. 24 mwN, BAGE 167, 264).

272. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Voraussetzungen für eine bestehende betriebliche Übung nicht schlüssig dargetan. Er habe lediglich pauschal behauptet, die Zahlung eines Überstundenzuschlags iHv. 25 % habe einer mindestens seit 2003 bestehenden Übung entsprochen, wonach Zeitguthaben von mehr als 80 Plusstunden stets und vorbehaltlos ausgezahlt und mit einem entsprechenden Zuschlag vergütet worden seien. Aus diesem Vortrag lasse sich nicht entnehmen, welchen konkreten Handlungen der Beklagten in der Vergangenheit die Arbeitnehmer ein stillschweigendes Angebot entnehmen konnten, auch zukünftig einen Zuschlag von 25 % pro geleisteter Überstunde zahlen zu wollen. Der Kläger habe es versäumt, im Einzelnen darzulegen, für welche Überstunde, die wann und durch wen erbracht wurde, die Beklagte einen Zuschlag geleistet hat. Zumindest könne von ihm verlangt werden, dass er die in der Vergangenheit selbst bezogenen Zuschläge darstelle.

283. Mit diesen tragenden Erwägungen setzt sich die Revisionsbegründung des Klägers nicht auseinander. Sie macht insoweit lediglich geltend, jedenfalls im Zeitraum zwischen 1991 und 2003 habe eine betriebliche Übung bestanden, die die Beklagte nicht hinreichend bestritten habe. Ungeachtet dessen, dass es sich hierbei um einen in der Revisionsinstanz nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähigen neuen Sachvortrag handelt, zeigt der Kläger damit nicht auf, welcher Rechtsfehler der - auf die nicht hinreichende Substantiierung des klägerischen Vortrags abstellenden - Argumentation des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegen soll. Da es sich bei dem auf den Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung gestützten Begehren auf Zahlung eines Überstundenzuschlags iHv. 25 % um einen eigenen Streitgegenstand handelt, hätte es entsprechender Ausführungen bedurft.

29IV. Die Revision ist zudem unzulässig, soweit der Kläger seine mit den Anträgen zu 4. und 5. verfolgten Ansprüche auf Zahlung eines Weihnachts- und Urlaubsgelds auf nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkende Tarifverträge - den GMTV 1990 sowie den TV Sonderzahlung - stützt. Das Landesarbeitsgericht hat diese eigenständigen prozessualen Ansprüche mit der Begründung abgewiesen, das Arbeitsverhältnis des Klägers habe (unabhängig von seiner Gewerkschaftsmitgliedschaft) zu keinem Zeitpunkt der unmittelbaren und zwingenden Wirkung dieser Tarifverträge unterlegen, so dass eine Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG nicht habe eintreten können. Hierauf geht die Revisionsbegründung nicht ein.

30V. Die im Übrigen zulässige Revision des Klägers ist zum Teil erfolgreich. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durften die Klageanträge zu 1. und 2. nicht abgewiesen werden. Allerdings erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend, soweit die von den Anträgen zu 1. und 2. erfassten und auf Nr. 4.3 BV gestützten Begehren des Klägers auf Zahlung eines 25-prozentigen Zuschlags für jeweils 130 Überstunden im Jahr 2015 iHv. insgesamt 706,23 Euro und im Jahr 2016 iHv. insgesamt 716,63 Euro abgewiesen wurden. Zudem hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass der Kläger nicht die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 2014 bis 2017 verlangen kann.

311. Die Revision ist begründet, soweit der Kläger mit den Anträgen zu 1. und 2. die (Grund-)Vergütung von Überstunden für die Jahre 2015 und 2016 geltend macht.

32a) Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB (ab § 611a Abs. 2 BGB) zur Zahlung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung - Regel- oder Normalarbeitszeit - fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber nach § 612 Abs. 1 BGB zu deren Vergütung verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Letzteres erfordert, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind (vgl.  - Rn. 13 f. mwN).

33aa) Der Kläger hat in den streitbefangenen Jahren Arbeitsleistungen in einem seine vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang erbracht. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom (- 12 Sa 1142/14 -) steht zwischen den Parteien und mit präjudizieller Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest (§ 322 Abs. 1 ZPO), dass die monatliche Arbeitszeit des Klägers 163,13 Stunden beträgt. Angesichts dessen kommt es auf die Ausführungen der Beklagten, die Parteien hätten die im Arbeitsvertrag des Klägers vereinbarte Arbeitszeit durch den Vollzug der RBV stillschweigend erhöht, nicht an. Die materielle Rechtskraft der genannten Entscheidung kann nur dann enden, wenn sich die maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nach Schluss der mündlichen Verhandlung wesentlich geändert haben. Entscheidend hierfür sind diejenigen Tatsachen oder Rechtsgrundlagen, die für die in der früheren Entscheidung ausgesprochene Rechtsfolge als maßgebend angesehen worden sind (vgl.  - Rn. 13 mwN). Derartige Umstände bringt die Beklagte nicht vor.

34bb) Der Kläger konnte auch eine Vergütung für geleistete Überstunden nach § 612 Abs. 1 BGB erwarten, so dass diese - mangels ausdrücklicher Vereinbarung - als stillschweigend vereinbart gilt. Dies ergibt sich schon daraus, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen (vgl.  - Rn. 19 mwN).

35b) Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, stehen den Vergütungsansprüchen die betrieblichen Arbeitszeitkontenregelungen nicht entgegen. Da Nr. 3 RBV und infolgedessen auch Nr. 4 Abs. 1 RBV (wortgleich mit Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 1 BV) unwirksam sind, sind diese Regelungen gegenstandslos. Auf die streitige Frage, ob Nr. 4.3 Abs. 1 Satz 2 BV die Vergütung von Überstunden zumindest „oberhalb des Guthabenbereichs“ von 80 Stunden vorsieht oder ob auch diese Überstunden in das Arbeitszeitkonto einzustellen sind, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf die Frage, ob - wie die Revision des Klägers meint - Regelungen über Arbeitszeitkonten zu ihrer Wirksamkeit zwingend Ausgleichszeiträume enthalten müssen.

36aa) Nr. 3 RBV ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.

37(1) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG verdeutlicht, dass es den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleibt, ob sie ergänzende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt; auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an. Der Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Allerdings greift diese nicht, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (st. Rspr., vgl. etwa  - Rn. 41 mwN, BAGE 167, 264).

38(2) Danach wird der Regelungsgegenstand der Nr. 3 RBV von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfasst.

39(a) Der Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des Gemeinsamen Manteltarifvertrags für die Arbeiter und Angestellten in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom in der zum in Kraft getretenen Fassung vom (GMTV). Nach dessen § 2 Nr. 1 Abs. 1 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 35 Stunden; ihre Verlängerung auf bis zu 40 Stunden ist nach § 2 Nr. 1 Abs. 2 GMTV nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Eine Öffnungsklausel für Abweichungen durch Betriebsvereinbarung enthält die Tarifnorm nicht.

40(b) Die Sperrwirkung ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG räumt ihm lediglich bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht ein. Seine Mitbestimmungsrechte erstrecken sich damit nicht auf die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (vgl.  - Rn. 18, BAGE 145, 330; - 1 ABR 6/05 - Rn. 17 mwN, BAGE 117, 27).

41bb) Die Unwirksamkeit von Nr. 3 RBV bedingt die Unwirksamkeit von Nr. 4 Abs. 1 RBV (wortgleich mit Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 1 BV). Die Bestimmungen zur weiteren Ausgestaltung der Arbeitszeitkonten in Nr. 4 BV sind damit gegenstandslos.

42(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt die Unwirksamkeit einzelner Regelungen einer Betriebsvereinbarung nicht notwendig zu deren Gesamtunwirksamkeit. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl.  - Rn. 31, BAGE 162, 379). Das folgt aus ihrem Normcharakter, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann.

43(2) Danach erweist sich die Regelung in Nr. 4 Abs. 1 RBV (wortgleich mit Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 1 BV) zur Einführung von Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich als unwirksam. Sie stellt ohne die Einführung der 40-Stunden-Woche keine sinnvolle und in sich geschlossene, praktikable Regelung mehr dar; insbesondere kann sie die ihr zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen. Die Betriebsparteien haben beide Regelungen materiell untrennbar miteinander verknüpft.

44(a) Das zeigt bereits der Regelungsanlass. Die Einführung der 40-Stunden-Woche und die Einführung von Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich sind Teil des in Nr. 2 RBV ausgewiesenen Maßnahmenkatalogs zur langfristigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und einer damit verbundenen weiteren Standortsicherung. Die Regelungsverknüpfung drückt sich daneben im zeitpunktidentischen Inkrafttreten der RBV und der - diese umsetzende - BV zum sowie der zeitgleichen Einführung der Arbeitszeitkonten und der 40-Stunden-Woche aus (Nr. 4 Abs. 2 Satz 2 und Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 RBV; Nr. 6 Abs. 2 BV).

45(b) Auch der sonstige Inhalt beider Betriebsvereinbarungen zeigt, dass die Arbeitszeitdauer (40-Stunden-Woche) mit der Einführung von Arbeitszeitkonten im Betrieb untrennbar verknüpft war.

46(aa) Hierfür spricht deutlich Nr. 1 BV. Danach dient diese Betriebsvereinbarung der Umsetzung der RBV in Bezug auf die 40-Stunden-Woche und die Einführung von Zeitkonten im gewerblichen Bereich. Beiden Maßnahmen haben die Betriebsparteien damit einen spezifischen Regelungszusammenhang beigemessen.

47(bb) Die inhaltliche Gestaltung der Regelungen bestätigt, dass ohne Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden die Arbeitszeitkonten im gewerblichen Bereich nicht eingeführt worden wären. Die für alle gewerblichen Arbeitnehmer einzurichtenden Zeitkonten waren nach der erkennbaren Regelungsvorstellung der Betriebsparteien notwendig, weil die Dauer der wöchentlichen Schichtzeiten (vgl. Nr. 3 BV) nicht mit der wöchentlichen Soll-Arbeitszeit von (regelmäßig) 40 Wochenstunden korrespondierte. Um die Einhaltung dieser „regelmäßigen“ Wochenarbeitszeit sicherzustellen und gleichzeitig die Umsetzung des in Nr. 3 Abs. 2 und Abs. 3 BV vorgesehenen Mechanismus für die „Ausgleichsarbeitszeit“ zu ermöglichen, sollten Konten eingeführt werden, in denen diejenigen Zeiten, die unter- oder oberhalb der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 RBV lagen (vgl. Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BV), erfasst und miteinander „verrechnet“ werden. Damit dienten die Arbeitszeitkonten der erfassungstechnischen Administration der 40-Stunden-Woche.

48(3) Die Unwirksamkeit von Nr. 4 Abs. 1 RBV hat zur Folge, dass sämtliche Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeitkonten in Nr. 4 BV gegenstandslos sind. Da diese maßgeblich auf der Einführung der (regelmäßigen) 40-Stunden-Woche aufbauen, verbleibt für sie ohne wirksame Vereinbarung dieser betrieblichen Arbeitszeit kein sinnvoller Anwendungsbereich.

492. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landesarbeitsgericht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von (Grund-)Vergütung für vom Kläger in den Jahren 2015 und 2016 geleistete Überstunden abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO).

50a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Zahlungsansprüche des Klägers sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht verwirkt.

51aa) Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage war (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment). Der Berechtigte muss dabei unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Inanspruchnahme von Vertrauen setzt die Kenntnis des Schuldners von einem möglichen Anspruch gegen ihn voraus. Fehlt es hieran, kann der Schuldner auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber Treu und Glauben (vgl.  - Rn. 24 mwN).

52bb) Danach fehlt es an dem erforderlichen Umstandsmoment. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen Kenntnis von etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Vergütung von Überstunden hatten. Der widerspruchslose Vollzug der Maßgaben von Nr. 3 und Nr. 4 RBV genügt nicht. Der Umstand, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen in den vergangenen Jahren keine Lohnerhöhungen gewährt hätten, wenn klar gewesen wäre, dass der Kläger einen „Ausgleich für angebliche Mehrarbeit“ beanspruchen würde, führt zu keiner anderen Bewertung.

53cc) Auch ein Verstoß des Klägers gegen den aus § 242 BGB folgenden Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (sog. „venire contra factum proprium“) liegt nicht vor. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl.  - Rn. 64). Beides ist nicht der Fall.

54b) Soweit der Kläger mit den Klageanträgen zu 1. und 2. (Grund-)Vergütung für Überstunden begehrt, kann der Senat hierüber nicht abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es an den erforderlichen Feststellungen zur Anzahl der vom Kläger im streitbefangenen Zeitraum geleisteten Überstunden fehlt. Soweit das Landesarbeitsgericht im Rahmen des von ihm als teilweise begründet erachteten - auf eine Gutschrift von 260 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gerichteten - Hilfsantrags zu 3. die Anzahl der geleisteten Überstunden nach § 287 ZPO geschätzt hat, fehlt es an Feststellungen und einer hierauf bezogenen Würdigung, aus welchem Grund es vorliegend die Voraussetzungen für eine Schätzung als gegeben angesehen hat. Selbst wenn feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, kann eine tatrichterliche Schätzung ihres Umfangs lediglich dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht nachkommen kann (vgl.  - Rn. 18, 21, BAGE 151, 180). Zudem vermag die insoweit vorgenommene Schätzung deshalb keine taugliche Grundlage für eine (teilweise) Entscheidung über die Klageanträge zu 1. und 2. zu bilden, weil hierin auch - hinsichtlich ihrer zeitlichen Lage nicht näher festgestellte - Zeiträume eingeflossen sind, in denen der Kläger aufgrund von Erholungsurlaub oder Arbeitsunfähigkeit keine seine Normalarbeitszeit übersteigenden Arbeitsleistungen erbracht hat. Eine Berücksichtigung dieser Zeiträume scheidet aus, weil es sich bei einem auf die Zahlung von Überstundenvergütung gerichteten Verlangen um einen anderen Streitgegenstand als bei einem auf ein höheres Urlaubsentgelt nach § 11 BUrlG oder eine höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 34 EFZG gerichteten Begehren handelt. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht bei seiner - sich auf den Umfang der insgesamt gutzuschreibenden Stunden beziehenden - Schätzung nicht nach Zeiträumen differenziert, in denen von einer unterschiedlichen Vergütungshöhe für jede Überstunde auszugehen ist.

553. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des mit den Klageanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten - auf Nr. 4.3 BV gestützten - Begehrens des Klägers auf Zahlung eines Überstundenzuschlags für die Jahre 2015 (insgesamt 706,23 Euro) und 2016 (insgesamt 716,63 Euro) und der auf die Zahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld für die Jahre 2014 bis 2017 gerichteten Klageanträge zu 4. und 5. wendet.

56a) Da die Regelungen zum Arbeitszeitkonto und damit auch Nr. 4.3 BV gegenstandslos sind, kann der Kläger hieraus keinen Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen iHv. 25 % je Stunde ableiten.

57b) Die Beklagte schuldet dem Kläger auch kein Urlaubsgeld für die Jahre 2014 bis 2017. Zwar ist auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass bei ihr eine betriebliche Übung bestand, nach der die Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 17 Nr. 6 GMTV 1990 ein erhöhtes Urlaubsentgelt erhielten. Denn eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - die L GmbH & Co. KG - gewährte den Arbeitnehmern des Betriebs ab dem über zwölf Jahre hinweg (bis einschließlich 2002) vorbehaltlos entsprechende Zahlungen, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen wäre. Diese betriebliche Übung wurde jedoch durch die BV Prämie wirksam beendet.

58aa) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Ansprüche - zu denen auch Ansprüche aus betrieblicher Übung zählen (vgl.  - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 53, 42; Fitting BetrVG 30. Aufl. § 77 Rn. 208) - dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Eine solche betriebsvereinbarungsoffene Gestaltung kann ausdrücklich vereinbart werden oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist namentlich bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich (vgl. ausf. dazu  - Rn. 60, BAGE 165, 168). Eine ausdrückliche Vereinbarung liegt insbesondere dann vor, wenn in der vertraglichen Absprache auf die jeweils geltende Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird (vgl.  - zu B VIII 2 der Gründe, BAGE 57, 30; Fitting BetrVG 30. Aufl. § 77 Rn. 198b).

59bb) Danach war der unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung bestehende vertragliche Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Urlaubsgelds betriebsvereinbarungsoffen. Nr. 5 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags sieht ausdrücklich vor, dass ein „zusätzliches Urlaubsgeld nach den betrieblichen Regeln gezahlt“ wird. Diese Formulierung bringt - für den Kläger hinreichend erkennbar - zum Ausdruck, dass insoweit im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Da Betriebsvereinbarungen die typische Form einer „betrieblichen Regel“ sind, konnte aus Sicht des Klägers nicht zweifelhaft sein, dass die bestehende betriebliche Übung auch einer Abänderung durch eine verschlechternde Betriebsvereinbarung zugänglich war. Damit begegnet die Klausel auch im Hinblick auf das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB keinen Bedenken. Auf die von der Revision vorliegend erörterte Frage, ob von einer konkludenten Betriebsvereinbarungsoffenheit ausgegangen werden kann, kam es daher nicht an.

60cc) Das durch betriebliche Übung begründete Recht des Klägers auf Erhalt eines zusätzlichen Urlaubsgelds wurde durch die BV Prämie beseitigt. Deren Nr. 5 ordnet ausdrücklich an, dass die bisherigen Regelungen zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld entfallen, da diese Leistungen in der Prämienberechnung enthalten sind. Die Bestimmung ist wirksam.

61(1) Die BV Prämie verstößt nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Die von ihr geregelte Angelegenheit unterfällt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die BV Prämie enthält lediglich abstrakte prozentuale Vorgaben und damit Entgeltgrundsätze, nach denen sich die zu zahlende Prämie bemisst.

62(2) Die Ablösung künftiger Ansprüche auf Urlaubs- (und Weihnachts-)geld ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.

63(a) Nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Sie haben dabei ua. die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgarantie ( - Rn. 24 mwN), die in Art. 2 Abs. 1 GG normierte allgemeine Handlungsfreiheit der betriebsangehörigen Arbeitnehmer ( - Rn. 36 mwN, BAGE 142, 294) und den - sich aus Art. 2 Abs. 1 iVm. dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Rechtsstaatsprinzip ergebenden - Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten (vgl.  - aaO mwN).

64(b) Diesen Vorgaben wird die BV Prämie gerecht. Der in ihr geregelte Wegfall der bisherigen Regelungen zum Urlaubs- (und Weihnachts-)geld greift nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Dieser schützt nur bereits entstandene vermögenswerte Rechte oder dem Eigentumsrecht wesensgleiche Anwartschaften, nicht aber das Vermögen als solches (vgl.  - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 95, 267;  - Rn. 39, BAGE 142, 294). In Bezug auf das zusätzliche Urlaubsgeld (sowie das Weihnachtsgeld) fehlt es für die Zeit ab Inkrafttreten der BV Prämie an einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition. Insoweit handelt es sich um Sozialleistungen, die ausschließlich vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, nicht aber von einer persönlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig waren. Solche Ansprüche entstehen regelmäßig erst in dem jeweils festgelegten Zeitabschnitt und können grundsätzlich für die Zukunft, dh. die weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses, eingestellt werden ( - Rn. 72, BAGE 165, 168; - 1 AZR 476/11 - aaO). Vertrauensgesichtspunkte stehen insoweit nicht entgegen.

65(c) Ob die Aufhebung des Anspruchs auf Urlaubs- (und Weihnachts-)geld auch am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist, bedarf keiner Entscheidung. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn die Maßnahme typischerweise geeignet wäre, bei den Arbeitnehmern einen Handlungsdruck zu erzeugen, durch den der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit berührt wird (vgl.  - Rn. 73, BAGE 165, 168; - 1 AZR 476/11 - Rn. 42, BAGE 142, 294). Anhaltspunkte, die für einen derartigen Handlungsdruck sprechen würden, sind allerdings nicht ersichtlich. Der Umstand, dass es sich - anders als beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld - bei der Prämie um einen unternehmensergebnis- und leistungsorientierten Entgeltbestandteil handelt, genügt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, um auf einen zusätzlichen Leistungsdruck schließen zu lassen. Nach den Vorgaben in § 17 Nr. 6 GMTV 1990 konnte sich bei einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen das maximale „erhöhte Urlaubsentgelt“ jährlich auf etwa 70 % eines durchschnittlichen Monatsgehalts belaufen. Das höchstmögliche Weihnachtsgeld nach Nr. 3 BV 1999 betrug 55 % eines Monatsverdienstes. Damit belief sich die Höhe dieser Leistungen ungefähr auf 125 % der monatlichen Vergütung. Nach Nr. 4 BV Prämie beträgt die sog. mittlere Prämie (Prämiengruppe 4) - bei monatlicher Zahlung - mindestens 26 % der Grundvergütung. Für die niedrigste Prämiengruppe (Prämiengruppe 1) ist ein um 16 Prozentpunkte verringerter Prozentsatz, mithin mindestens 10 % des Grundlohns in Ansatz zu bringen. Damit ergibt sich - unabhängig von der Beurteilung erbrachter Leistungen - eine jährliche Gesamtprämienzahlung iHv. mindestens 120 % des Grundentgelts. Angesichts dessen übt - anders als der Kläger meint - die Ersetzung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds durch die Prämienzahlung auch keinen zusätzlichen Druck zur Vermeidung von Langzeiterkrankungen aus.

66dd) Ob die BV Prämie von den Betriebsparteien im Jahr 2011 durch die Betriebsvereinbarung „Variables Entgeltmodell für gewerbliche Mitarbeiter“ wirksam abgelöst wurde, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass die auf betrieblicher Übung beruhenden vertraglichen Ansprüche des Klägers auf Zahlung eines Urlaubsgelds wiederaufgelebt wären. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge des Klägers kam es daher nicht an.

67c) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger für die Jahre 2014 bis 2017 ein Weihnachtsgeld zu zahlen.

68aa) Er kann einen entsprechenden Anspruch nicht aus einer betrieblichen Übung herleiten.

69(1) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen ( - Rn. 15 mwN). Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden ( - Rn. 52 mwN, BAGE 170, 172). Gleiches gilt, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wollte er die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht erbringen, kann der Arbeitnehmer nicht annehmen, ihm solle diese Leistung auf Dauer - unabhängig von der (vermeintlichen) Rechtspflicht - gewährt werden (vgl.  - Rn. 62 mwN).

70(2) Die L GmbH & Co. KG erbrachte während der Jahre 1992 bis 2000 die Zahlungen des Weihnachtsgelds an ihre Beschäftigten - für die Arbeitnehmer erkennbar - in Erfüllung einer sich zumindest aus ihrer Sicht aus den jeweiligen Betriebsvereinbarungen zum Weihnachtsgeld ergebenden Rechtspflicht. Dem steht nicht entgegen, dass die einzelnen Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweiligen Nr. 1 als „Zuwendungsgrundlage“ auf den TV Sonderzahlung Bezug nahmen. Dieser begründete für die L GmbH & Co. KG mangels Tarifbindung ersichtlich keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung eines entsprechenden Weihnachtsgelds. Die Betriebsparteien wollten - wie die in der Höhe vom Tarifvertrag abweichenden Regelungen in Nr. 3 der einzelnen Betriebsvereinbarungen zeigen - vielmehr eine eigenständige rechtliche Grundlage für die Gewährung des Weihnachtsgelds schaffen. Ob die Betriebsvereinbarungen wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam waren, ist ohne Belang. Denn auch die in diesem Fall bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestehende irrige Annahme einer Pflicht zur Gewährung eines Weihnachtsgelds lässt eine betriebliche Übung nicht entstehen.

71(3) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmte BV 1999 nach ihrer Kündigung durch den Betriebsrat ab dem nach § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirkte (vgl. zur Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber:  - Rn. 19 ff. mwN, BAGE 135, 382; - 1 AZR 354/07 - Rn. 15 ff., BAGE 127, 297). Wäre dies nicht der Fall, führte dies gleichwohl nicht zu einer auf die jährliche Gewährung von Weihnachtsgeld gerichteten betrieblichen Übung. Die L GmbH & Co. KG zahlte den Arbeitnehmern nach Beendigung der BV 1999 in den Jahren 2001 und 2002 jeweils Weihnachtsgeld. Damit fehlt es an einer zumindest dreimaligen rechtsgrundlosen Erbringung einer solchen Leistung (vgl.  - Rn. 18; - 10 AZR 483/08 - Rn. 9 mwN). Zudem ging die L GmbH & Co. KG ersichtlich davon aus, dass sie kraft Nachwirkung der BV 1999 zur Zahlung verpflichtet war. Hätte die BV 1999 nach ihrer Kündigung nachgewirkt, wäre sie zumindest nach § 77 Abs. 6 BetrVG durch die BV Prämie ersetzt worden. Nach deren Nr. 5 Satz 2 entfielen die bisherigen Regelungen zum Weihnachtsgeld.

72bb) Auch Nr. 4 des Arbeitsvertrags des Klägers vermag keinen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld zu rechtfertigen. Die Regelung verweist - ohne selbst konkrete Vorgaben zu den Anspruchsvoraussetzungen und zur Höhe festzulegen - lediglich auf eine Gewährung desselben nach den „betrieblichen Regeln“ und begründet damit lediglich die Betriebsvereinbarungsoffenheit etwaiger vertraglicher Ansprüche. Aus der Entscheidung des Sechsten Senats des - 6 AZR 1117/79 - zu II 1 der Gründe, BAGE 39, 295) folgt entgegen der Ansicht der Revision nichts Gegenteiliges. Der dortige vertragliche Verweis bezog sich nicht auf betriebliche, sondern auf konkrete tarifvertragliche Regelungen.

73B. Die zulässige Anschlussrevision der Beklagten hat Erfolg.

74I. Ihre Zulässigkeit begegnet keinen Bedenken. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfordert die Statthaftigkeit einer Anschlussrevision gerade keine hierauf bezogene Zulassung. Auch ein unmittelbarer rechtlicher bzw. wirtschaftlicher Zusammenhang mit den von der Revision erfassten Streitgegenständen ist gegeben (vgl. dazu nur  - Rn. 15 mwN). Den mit der Revision verfolgten Zahlungsanträgen zu 1. und 2. und dem Hilfsantrag zu 3., der im Umfang seiner Stattgabe Gegenstand der Anschlussrevision ist, liegt jeweils die Problematik des Umfangs der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung zugrunde.

75II. Die Anschlussrevision der Beklagten ist nicht deshalb erfolglos, weil ihre gegen das ihr am zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil eingelegte (beim Landesarbeitsgericht am und damit nach Ablauf der einmonatigen Frist zur Berufungseinlegung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eingegangene) Berufung unzulässig war. Die Berufung der Beklagten war - was das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - in eine zulässige Anschlussberufung iSd. § 524 ZPO umzudeuten. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 524 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO ist eine Anschließung in der Berufungsinstanz bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten nach § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zustehenden einmonatigen Frist zur Berufungserwiderung möglich; die Anschlussberufung ist in der Anschlussschrift zu begründen. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Die Berufungsbegründung des Klägers wurde der Beklagten am zugestellt. Die als Begründung der Anschlussberufung zu wertende Berufungsbegründung der Beklagten war bereits zuvor - am  - beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

76III. Die Anschlussrevision, die sich gegen die teilweise Stattgabe des Hilfsantrags zu 3. richtet, ist begründet. Dieser Antrag ist von der Zurückverweisung umfasst. Er fällt nur an, wenn der Kläger mit den Anträgen zu 1. und 2. unterliegt. Sollte diese Bedingung eintreten, wäre der Antrag allerdings mangels wirksamer Einführung eines Arbeitszeitkontos unbegründet.

77C. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren erscheinen im Übrigen folgende weitere Hinweise angezeigt:

78I. Hinsichtlich der mit den Klageanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche auf (Grund-)Vergütung für Überstunden wird das Landesarbeitsgericht die erforderlichen Feststellungen zum Umfang der vom Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen erbrachten Überstunden nachzuholen haben. Hierbei wird es auch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 287 ZPO vorliegen. Sollte dies der Fall sein, wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass die Höhe der Vergütung des Klägers Schwankungen unterlag. Daher wird es erforderlich sein, bei einer etwaigen Schätzung nach den Zeiträumen zu differenzieren, in denen die Vergütungshöhe unverändert war. Zudem haben insoweit die vorgebrachten Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten außer Betracht zu bleiben.

79II. Im Übrigen wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass mit den Anträgen zu 1. und 2. auch eine (höhere) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§§ 3, 4 EFZG) sowie (höheres) Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) beansprucht wird. Im Zusammenhang mit diesen - eigenständige Streitgegenstände bildenden - Ansprüchen sind ua. die sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammensetzenden Berechnungsgrundlagen näher zu bestimmen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:170821.U.1AZR50.20.0

Fundstelle(n):
BB 2022 S. 179 Nr. 4
DB 2022 S. 267 Nr. 5
EAAAI-01029