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IAASB Entwurf für die Prüfung weniger komplexer Unternehmen und die Frage der Anwendbarkeit nach den HGB-Vorschriften
Das IAASB hat im Juli 2021 den Entwurf eines Standards zur Prüfung weniger komplexer Unternehmen vorgelegt (International Standard on Auditing for Audits of Financial Statements of Less Complex Entities; im Folgenden LCE-Standard genannt).
Wesentliches Argument für dieses Projekt ist die steigende Komplexität der ISA Standards und die darin gesehene schwierige Anwendung bei der Prüfung weniger komplexer Unternehmen. Ob dabei als Zielgruppe für HGB-Abschlussprüfungen die mittelgroßen prüfungspflichtigen Unternehmen gelten können, bleibt fraglich, da es keine Definition einer wenig komplexen Unternehmung gibt. Es wird zwar ein Negativkatalog genannt, also Unternehmen und Situationen, die grundsätzlich nicht als weniger komplex angesehen werden, das hilft im Zweifel allerdings kaum weiter. Es kann deshalb bei dem LCE-Standard auch nicht von einem KMU-Standard gesprochen werden.
I. Ursachen für die Komplexität der ISA Standards
Was die steigende Komplexität der ISA Standards betrifft, ist das Argument durchaus zutreffend, man sollte aber auch deutlich sehen, warum die Komplexität ansteigt. Betrachtet man dazu den ISA 315 R 2019 zum Risikoorientierten Prüfungsansatz, also dem Kern jeder Abschlussprüfung, dann ist der Anstieg des Umfangs im Wesentlichen der ausführlichen Darstellung der Auswirkungen des Internet-Handels sowie der wachsenden Bedeutung von Standardsoftware zu verdanken. Zusätzlich wurden in diesem Standard im Text Erläuterungsbeispiele aufgenommen, etwa der Vergleich eines Schuhgeschäfts mit Vertrieb über traditionell stationäre Geschäfte sowie mit dem Vertrieb über Internet-Shops. Ebenfalls wurden die Anlagen deutlich ausgeweitet, um dem Prüfer Hilfestellungen bei der Beurteilung komplexer Sachverhalte zu geben.
Deutlich ausgeweitet wurde der Erläuterungsteil, die sog. A. Textziffern, von 155 auf 241. Der eigentliche Standard wurde von 32 auf 38 Textziffern geringfügig erweitert, wobei sich am System selbst, dem dynamischen Stufenmodell, nichts geändert hat. Die Ausdehnung des Erläuterungsteils, der als eine Kommentierung und Vertiefung der Vorschriften zu sehen ist, stellt dabei keine neuen Anforderungen auf.
Wesentlichen Raum in ISA 315 R 2019 nimmt die Einordnung von Software ein, die in drei Kategorien aufgeteilt wird. Dazu wurden die Anlagen von zwei auf sechs erhöht, die quasi als Checkliste verwendet werden können und die Dokumentation erleichtern. Kommt es zur Einordnung der Software als Standard-Software, entfällt etwa eine IT-Systemprüfung, was eine deutliche Erleichterung darstellt.
Da der Internet-Handel sowie die Digitalisierung auch im Bereich der mittelgroßen Gesellschaften zunehmen und damit auch die Komplexität der Abläufe, darf bezweifelt werden, ob der LCE-Standard tatsächlich überhaupt eine Relevanz entwickeln kann. Das bleibt abzuwarten in Abhängigkeit der Definition einer Less Complex Entity.
Die Komplexität wird voraussichtlich weiter ansteigen, wenn man an den Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) und Blockchain Technologie denkt. Und diese Techniken werden auch im Bereich der mittelgroßen Unternehmen Einzug halten. Darauf ist in den Prüfungsansätzen zu reagieren und das ist in ISA 315 R 2019 dann auch geschehen, wobei KI und Blockchain noch gar nicht aufgenommen wurden.
Im Grunde ist es naiv zu glauben, man könnte der ansteigenden Komplexität der Systemabläufe im Unternehmen sowie in den Geschäftsmodellen durch Simplifizierung der Prüfungsstandards begegnen, aber dieser Versuch wurde tatsächlich unternommen.