Eine besondere Brisanz ...
Kann das verfassungswidrige Erbschaftsteuergesetz 2009 nochmals verfassungsrechtlich überprüft werden?
Nachdem es der BFH bereits zuvor in mehreren Entscheidungen abgelehnt hatte, das vom (BStBl 2015 II S. 50) in Teilen für verfassungswidrig erklärte ErbStG 2009 einer erneuten verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen (Beschluss v. - II B 108/17, NWB AAAAH-93740; Urteil v. - II R 8/18, BStBl 2020 II S. 567, und v. - II R 22/18, NWB WAAAH-79786), hat er seine diesbezügliche Rechtsprechung auch im Jahr 2021 zum Teil ohne nähere Begründung unverändert fortgesetzt (Urteil v. - II R 26/18, NWB EAAAH-85643, und v. - II R 3/19, NWB NAAAH-87114). Nunmehr ist gegen das Urteil v. - II R 22/18 Verfassungsbeschwerde erhoben worden (1 BvR 1493/21) und man darf auf die Entscheidung des BVerfG gespannt sein.
Der BFH führt in seiner angegriffenen Entscheidung aus, dass eine erneute Vorlage an das BVerfG, nachdem dieses die befristete Weitergeltung einer verfassungswidrigen Norm angeordnet hatte, nur in Betracht komme, wenn die Norm jetzt in einem anderen Regelungszusammenhang stehe (was im Streitfall nicht gegeben war). Auch eine teleologische Reduktion oder Erweiterung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale unterliefe die Wirkung der Weitergeltungsanordnung und sei deshalb unzulässig.
Im Urteil des BFH ging es um die Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte im Streitjahr 2012 (ausführliche Leitsätze s. ZErb 2021 S. 351). Die verfassungsrechtliche Besonderheit ergibt sich daraus, dass die streitentscheidenden Regelungen über die Rückausnahmen bei der Betriebsaufspaltung und der Betriebsverpachtung als solche nicht vom BVerfG beanstandet worden waren. Sie waren lediglich aufgrund der Auswirkungen der anderweitig vorgefundenen Ungleichbehandlungen in die Unvereinbarkeitserklärung einbezogen worden. Während der BFH in dem von ihm vorgelegten und vom BVerfG entschiedenen Vorlagefall bekanntlich erfolgreich eine verfassungswidrige Überprivilegierung gerügt hatte, haben die Kläger hier eine Unterprivilegierung geltend gemacht, weil der nach ihrer Auffassung zu eng gefasste und daher nicht folgerichtig ausgestaltete Gesetzeswortlaut des § 13b ErbStG a. F. den Gleichheitssatz verletze. Es wäre zudem auch kaum verständlich, eine verfassungsrechtliche Überprüfung derselben Regelungen in Steuerfällen ab 2016 zu ermöglichen, diese aber den von Altfällen betroffenen Steuerpflichtigen zu verweigern.
Eine besondere Brisanz erhält diese Argumentation dadurch, dass sie sich nicht nur auf die neue Rechtslage nach dem Erbschaftsteueranpassungsgesetz (ErbStAnpG) 2016 (BGBl 2016 I S. 2464) auswirken könnte, weil die hier maßgeblichen Regelungen inhaltlich unverändert übernommen wurden und deren erstmalige verfassungsrechtliche Überprüfung auch das neue Recht beeinflussen würde, sondern auch, weil eine ausdrückliche Anerkennung der nur begrenzten Bindungswirkung des § 31 BVerfGG weit in die Zukunft der Rechtsprechung hineinwirken und zahlreiche Grundrechtsverletzungen verhindern würde (zur näheren Begründung s. ZEV 2021 S. 612).
Martin
Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 3689
NWB IAAAH-97122