Wohnraummietvertrag: Berechtigtes Interesse des Hauptmieters an der Kündigung eines Untermietvertrages nach mehr als 20 Jahren wegen Widerrufs der Untervermietungserlaubnis
Gesetze: § 553 BGB, § 573 Abs 1 S 1 BGB, § 573 Abs 2 Nr 1 BGB, § 573a Abs 2 BGB
Instanzenzug: Az: 64 S 36/19 Urteilvorgehend Az: 219 C 179/18nachgehend Az: VIII ZR 329/19 Zurückweisungsbeschluss
Gründe
I.
11. Die Kläger begehren vom Beklagten die Räumung einer im Eigentum ihrer Streithelferin stehenden Dreizimmerwohnung in B. .
2Die Kläger sind seit März 1987 Hauptmieter der Wohnung. Im Jahr 1995 beschlossen sie, aus beruflichen Gründen aus B. wegzuziehen. Da sie die Absicht hegten, zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung zurückzukehren, baten sie die damalige Eigentümerin, die Wohnung ab an den Beklagten untervermieten zu dürfen. Die Erlaubnis hierfür wurde ihnen mit Schreiben der von der damaligen Eigentümerin beauftragten Hausverwaltung vom unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Seither ist der Beklagte (Unter-)Mieter der Wohnung.
3Mit Schreiben vom widerrief die Streithelferin die Erlaubnis zur Untervermietung und forderte die Kläger auf, das Mietverhältnis mit dem Beklagten unverzüglich zu beenden, diesem spätestens bis zum zu kündigen und ihr die Kündigung nachzuweisen. Eine weitere Nutzungsüberlassung an den Beklagten betrachte sie als Vertragsverletzung, die eine Abmahnung und gegebenenfalls die Kündigung des Hauptmietverhältnisses nach sich ziehen werde.
4Daraufhin kündigten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom das Untermietverhältnis gegenüber dem Beklagten ordentlich zum unter Hinweis darauf, dass ihnen die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis unzumutbar geworden sei. Ferner teilten sie mit, die Klägerin wolle die Wohnung in Zukunft teilweise wieder selbst nutzen, da sie künftig "öfters in B. wohnen" werde. Mit Schreiben vom widersprach der Beklagte der Kündigung.
5Das Amtsgericht hat der vorliegenden Klage, mit der die Kläger den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch nehmen, stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
62. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7Den Klägern stehe ein Räumungsanspruch unabhängig davon nicht zu, ob die erteilte Untermieterlaubnis wirksam widerrufen worden sei. Denn mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Kläger fehle es an einem berechtigten Interesse an der unmittelbaren Erlangung der Wohnräume als Hauptmieter. Auch ein berechtigtes Interesse der Kläger am Erhalt der Möglichkeit einer künftigen Nutzung der Wohnung sei nicht erkennbar. Das Hauptmietverhältnis der Kläger mit der Streithelferin sei auch bei Abweisung der gegen den Untermieter gerichteten Räumungsklage nicht gefährdet, da es an einer zur Kündigung des Hauptmietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB notwendigen schuldhaften Pflichtverletzung der Kläger fehle. Denn mit der Kündigung des Untermietverhältnisses und der vorliegenden Klage hätten die Kläger alles Erforderliche unternommen, um die Beendigung des Untermietverhältnisses und den Auszug des Beklagten herbeizuführen. Darüber hinaus sei das aus der Pflicht zur Beendigung des Untermietverhältnisses resultierende Kündigungsinteresse der Kläger mit den in § 573 Abs. 2 Nr. 2, 3 BGB normierten Kündigungstatbeständen nicht vergleichbar.
8Diese Beurteilung greifen die Kläger, unterstützt von ihrer Streithelferin, mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision an, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstreben.
II.
91. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
10Das Berufungsgericht hat die Revision unter anderem mit der Begründung zugelassen, der Senat habe die Grundsatzfrage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Widerruf einer Untervermietungserlaubnis zur Folge haben könne, dass der Mieter ein bereits bestehendes, rechtmäßig begründetes Untermietverhältnis zu beenden habe.
11Diese vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage bedarf indes vorliegend bereits deshalb keiner grundsätzlichen Klärung, weil sie im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung des zwischen den Klägern und dem Beklagten bestehenden Untermietverhältnisses kann die Wirksamkeit des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis dahinstehen; auch die Frage, welche Pflichten sich gegebenenfalls aus einem wirksamen Widerruf für den Hauptmieter gegenüber seinem Vermieter in Bezug auf das von ihm als Vermieter begründete Untermietverhältnis ergeben, ist für die Lösung des Streitfalls ohne Belang.
12Gleiches gilt für die Klärung der weiteren, vom Berufungsgericht formulierten Frage, unter welchen Voraussetzungen sich aus der (eventuell bestehenden) Pflicht des Mieters, das Untermietverhältnis in Folge des Widerrufs zu beenden, ein berechtigtes Interesse zur Kündigung des Untermietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben könne und welche Schritte zur Beendigung des Untermietverhältnisses von dem Hauptmieter unternommen werden müssten, um eine zur Kündigung des Hauptmietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB führende schuldhafte Pflichtverletzung auszuschließen. Denn ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Beendigung des Untermietverhältnisses verlangt - unabhängig von etwaigen weiteren Voraussetzungen - in Sachverhaltskonstellationen wie dem Streitfall jedenfalls die konkrete Absicht des Hauptmieters, in die angemietete Wohnung alsbald zurückkehren zu wollen. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fehlt es hieran im vorliegenden Fall.
132. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
14Das Berufungsgericht hat die Räumungsklage zu Recht abgewiesen, da sich die Kläger für die gegenüber dem Beklagten ausgesprochene Kündigung selbst bei einem - hier unterstellt wirksamen - Widerruf nicht auf ein hierfür erforderliches berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen können.
15Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es den Klägern aufgrund der am erteilten (widerruflichen) Erlaubnis gestattet war, die Wohnung dem Beklagten im Wege der Untervermietung zu überlassen. Ob es einem untervermietenden Mieter, wie die Revision annimmt, nach Erhalt des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis unzumutbar wird, das Mietverhältnis mit dem Untermieter fortzusetzen, da er sich andernfalls dem berechtigten Vorwurf einer zur Kündigung des Hauptmietverhältnisses ausreichenden schuldhaften Pflichtverletzung aus dem Hauptmietverhältnis aussetzen würde, bedarf hier keiner Entscheidung (offen gelassen auch im Senatsurteil vom - VIII ZR 5/13, NJW-RR 2014, 265 Rn. 11 f.). Selbst wenn das anzunehmen wäre, berechtigte dieser allein das Schuldverhältnis mit der Streithelferin betreffende Umstand die Kläger unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht, das Untermietverhältnis mit dem Beklagten nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB zu kündigen.
16a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der als Generalklausel gestaltete Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB von gleichem Gewicht wie die ein berechtigtes Interesse ausformulierenden Kündigungstatbestände des § 573 Abs. 2 BGB. Dies hat zur Folge, dass ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nur angenommen werden kann, wenn das geltend gemachte Interesse ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe (, BGHZ 214, 269 Rn. 24; vom - VIII ZR 292/15, NJW-RR 2017, 976 Rn. 36; vom - VIII ZR 70/19, NJW-RR 2021, 204 Rn. 16; jeweils mwN). Dies gilt auch für das Mietverhältnis zwischen den Klägern und dem Beklagten, da das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die ordentliche Kündigung eines Untermietverhältnisses nicht enthält.
17b) Ein solches Interesse der Kläger ist hier weder festgestellt noch ersichtlich. Da andere berechtigte Interessen der Kläger im Streitfall nicht in Rede stehen, hätte die Kündigung der Kläger mit Erfolg allenfalls auf deren Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gestützt werden können, etwa weil sie die Wohnung als Hauptmieter alsbald wieder (ganz oder teilweise) selbst nutzen wollen. Das Berufungsgericht hat hierzu indes - insoweit unbeanstandet von der Revision und der Stellungnahme der Streithelferin - festgestellt, dass es den Klägern derzeit an einem konkreten Willen fehlt, in die Wohnung zurückzukehren. Mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Kläger begründet allein die Gefahr, einer auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützten Kündigung des Hauptmietverhältnisses durch die Streithelferin ausgesetzt zu sein, ein berechtigtes Interesse der seit 1995 nicht mehr in B. ansässigen Kläger an der Kündigung des Untermietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht. Denn dem allgemeinen Interesse der Kläger an einem (vorsorglichen) Erhalt der seit Jahrzehnten von ihnen nicht genutzten Wohnung für einen möglicherweise in Zukunft entstehenden Nutzungsbedarf kommt ein für eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliches Gewicht nicht zu. Es kann daher dahinstehen, ob ein - unterstellt wirksamer - Widerruf der Untermieterlaubnis überhaupt eine Pflicht des Hauptmieters zur Kündigung des aufgrund dieser Erlaubnis eingegangenen Untermietverhältnisses begründen kann.
III.
18Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:030821BVIIIZR329.19.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 1525 Nr. 23
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2022 S. 299
SAAAH-95649