BGH Beschluss v. - 5 StR 575/20

Revisionsverfahren: Wirksame Einlegung der Revision bei nicht behebbaren tatsächlichen Zweifeln an der Einhaltung der Einlegungsfrist und unrichtiger Angaben in der Revisionsschrift

Gesetze: § 341 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 436 Js 53120/19 - 2 KLs jug

Gründe

11. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen diverser sexueller Missbrauchstaten zu Lasten von Kindern zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von sechs Jahren verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.

2Der Beschwerdeführer hat mit dem an das Amtsgericht Leipzig gerichteten Schriftsatz seines Verteidigers vom „Revision gegen das am ergangene Urteil des Amtsgerichts Leipzigs“ unter dem Aktenzeichen „ER 10 Gs 4240/19“ – wobei es sich um ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren handelt – eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ist per Fax um 13:38 Uhr und im Original durch Einwurf in den Nachtbriefkasten am beim Amtsgericht Leipzig eingegangen. Spätestens am hat sie dem Vorsitzenden der Strafkammer vorgelegen; ein Eingangsstempel war nicht aufgebracht. Ob sie rechtzeitig, nämlich bis zum beim Landgericht eingegangen ist, hat sich nicht aufklären lassen.

3Mit dem am beim Landgericht Leipzig eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers hat der Beschwerdeführer (erneut) Revision gegen das eingelegt und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er davon ausgehe, der Schriftsatz vom habe nicht rechtzeitig dem Landgericht vorgelegen.

42. Die Revision ist entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

5a) Es liegt eine wirksame Revisionserklärung nach § 341 Abs. 1 StPO vor. Denn der Schriftsatz vom enthielt die Person des Beschwerdeführers und ließ eindeutig seinen Willen erkennen, gegen ein im Strafverfahren gegen ihn ergangenes Urteil vom „Revision“ einzulegen. Dem steht die fehlerhafte Bezeichnung des zuständigen Gerichts (Amts- statt Landgericht Leipzig) und eines unzutreffenden, jedoch dem (Ermittlungs-)Verfahren zuzuordnenden Aktenzeichens nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 200/99; vom – 3 StR 415/08; vom – 1 StR 326/10). Anhand der mitgeteilten Kennzeichen des Strafverfahrens ließ sich die Rechtsmitteleinlegung dem angefochtenen Urteil zuordnen, was der Eingang bei der zuständigen Strafkammer des Landgerichts belegt.

6b) Die Revision ist auch als fristgerecht zu behandeln. Der Schriftsatz vom ist zwar beim Landgericht eingegangen, jedoch nicht mit einem Eingangsstempel versehen worden. Aus nicht vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Gründen lässt sich deswegen der Tag des Eingangs und mithin die Rechtzeitigkeit der Revision nicht mehr aufklären.

7Bestehen aber nicht behebbare tatsächliche Zweifel an der Einhaltung oder Versäumung der Einlegungsfrist, wirken sich diese zugunsten des Beschwerdeführers aus (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 388/18; vom – 5 StR 377/17; vom – 1 StR 123/95; vgl. auch BVerfG NJW 1997, 1770, 1771). So verhält es sich hier.

8Eine fristwahrende Weiterleitung der Revisionsschrift vom Amts- an das Landgericht, mithin zwischen Justizbehörden eines Gerichtszweigs innerhalb einer Stadt, ist – anders als der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertreten hat – nicht ausgeschlossen. Die Angaben in der Rechtsmittelschrift ließen unter gewöhnlichen Umständen ohne aufwendige Nachforschungen die zeitnahe Zuordnung des Schreibens zum richtigen (Straf-)Verfahren erwarten, da zudem ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren angegeben war. Auf Mutmaßungen des Beschwerdeführers zum (verspäteten) Eingang seiner Revisionsschrift im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags kommt es insoweit nicht an, weil auch er über keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten verfügte.

93. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig und war zu verwerfen, weil die Revision als rechtzeitig eingelegt zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 377/17; vom – 4 StR 553/11 mwN).

104. Angesichts des Antrags des Generalbundesanwalts, die Revision als unzulässig zu verwerfen, war die Zulässigkeit der Revision durch den Senat festzustellen, um dem Verfahren sachgerecht Fortgang geben zu können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:040321B5STR575.20.0

Fundstelle(n):
YAAAH-95501