Adhäsionsverfahren: Schmerzensgeldverlangen eines Vergewaltigungsopfers wegen erlittener Verletzungen; Voraussetzungen für die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht hinsichtlich immaterieller Schäden
Gesetze: § 403 StPO, §§ 403ff StPO, § 253 BGB, § 823 Abs 1 BGB
Instanzenzug: LG Freiburg (Breisgau) Az: 6 KLs 6/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an Minderjährige, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff, wegen sexuellen Übergriffs in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung, und wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Weiter hat es den Angeklagten verurteilt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro nebst Zinsen an die durch einen der sexuellen Übergriffe geschädigte Adhäsionsklägerin zu zahlen, und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus der Tat zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
2Die auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur hinsichtlich eines geringen Teils des Adhäsionsausspruchs Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
31. Das landgerichtliche Urteil hält im Schuld- und im Strafausspruch sowie in dem die Zahlungspflicht des Angeklagten betreffenden Adhäsionsausspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Dagegen hat der Adhäsionsausspruch hinsichtlich der Feststellung einer Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige Schäden der Adhäsionsklägerin mit Blick auf hiervon umfasste immaterielle Schäden keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom zutreffend wie folgt ausgeführt:
„Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist indes nicht ausreichend begründet (vgl. –, Rn. 4 m. w. N.; Beschluss vom – 2 StR 79/19 –, Rn. 6).
Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes auf Grund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen. Verlangt ein Kläger uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte. Lediglich solche Folgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, werden von dem Klageantrag nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und Gegenstand eines Feststellungsantrags sein ( –, NJW-RR 2018, 1426, 1427 m. w. N.; siehe auch Beschluss vom – 3 StR 436/19 –, Rn. 6; Beschluss vom – 2 StR 397/19 –, Rn. 8).
Der Antrag der Adhäsionsklägerin – bei dem es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung handelt ( –, Rn. 9 m. w. N.) – lautete auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds nicht unter 2.500 Euro (Hauptverhandlungsprotokoll vom , S. 3, mit Anlage, Sonderband). Die Erwägung des Landgerichts, dass zukünftige Schäden der Adhäsionsklägerin auf Grund der festgestellten Tatfolgen, insbesondere der Verschlechterung ihrer Schulleistungen, zu erwarten sind (UA S. 108), war bereits für diesen Antrag von Bedeutung und ist nicht geeignet, die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht zu rechtfertigen. Dies gilt nach den dargestellten Maßstäben zumindest, soweit sich die Ersatzpflicht auf immaterielle Schäden bezieht. Die Möglichkeit materieller Schäden, etwa in Gestalt der Kosten für Nachhilfestunden, wird mit der Erwägung des Landgerichts im Ansatz dargelegt.
Der Feststellungsausspruch ist daher aufzuheben, soweit er sich auf die Ersatzpflicht für immaterielle Schäden bezieht. Einer Befassung mit dem Hilfsantrag der Adhäsionsklägerin (Hauptverhandlungsprotokoll a. a. O.) bedarf es nicht, da er laut seiner Begründung nur für den Fall gestellt war, dass der Angeklagte nicht zur Zahlung eines Schmerzensgelds verurteilt wird.
Was den aufzuhebenden Teil der Adhäsionsentscheidung angeht, ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abgesehen wird (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung kommt nicht in Betracht (vgl. –, Rn. 9 m. w. N.)“.
4Dem schließt sich der Senat an.
52. Wegen des geringen Erfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels einschließlich der besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens zu belasten; auch die angeordnete Kostenlast des Angeklagten hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin entspricht der Billigkeit (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:020821B1STR135.21.0
Fundstelle(n):
FAAAH-94087