Bestechung im geschäftlichen Verkehr: Betriebsinhaberschaft der Anteilseigner; Einverständnis der Anteilseigner mit der Zuwendung
Leitsatz
1. Inhaber des Betriebs im Sinne des § 299 StGB aF (des Unternehmens im Sinne des § 299 StGB nF) sind bei juristischen Personen die Anteilseigner.
2. Wer einem Angestellten oder Beauftragten einer juristischen Person einen Vorteil für seine Bevorzugung im geschäftlichen Verkehr gewährt, macht sich daher nicht wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar, wenn die Anteilseigner mit dieser Zuwendung - vergleichbar den zur Untreue (§ 266 StGB) entwickelten Grundsätzen - einverstanden sind.
Gesetze: § 266 StGB, § 299 Abs 2 StGB vom , § 299 StGB
Instanzenzug: Az: 630 KLs 5/16 Urteilnachgehend Az: 1 StR 506/20 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 46 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht gegen den Angeklagten und die Einziehungsbeteiligte als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 911.229,60 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), bezüglich der Einziehungsanordnung auch zugunsten der Einziehungsbeteiligten (§ 357 Satz 1 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte als geschäftsführender Alleingesellschafter der Einziehungsbeteiligten seit Januar 2004 weltweit im Holzhandel tätig.
31. Um den Handel zu sichern und gegenüber Konkurrenten bevorzugt zu werden, zahlte der Angeklagte sowohl auf der Einkaufs- als auch auf der Verkaufsseite im verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum vom bis zum an die Verantwortlichen dreier Lieferanten und eines Abnehmers in der Buchhaltung der Einziehungsbeteiligten als "Provisionen" bezeichnete Bestechungsgelder. Die drei afrikanischen Lieferanten wurden jeweils in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (Société Anonyme [SA]) geführt; Aktionäre waren jeweils mit einer Ausnahme Mitglieder einer Familie, zu denen der Angeklagte über die Jahre engere Beziehungen pflegte.
4a) Im Fall 1 der Urteilsgründe zahlte der Angeklagte für die Einziehungsbeteiligte dem E. , alleinigen Vorstand der S. SA (S. ), zur Erfüllung der im Voraus getroffenen Abrede am einen Bestechungslohn in Höhe von 2.820 €. Aktionäre der S. aus der Zentralafrikanischen Republik, die vom bis zum Hölzer an die Einziehungsbeteiligte lieferte, waren Mitglieder der Familie E. .
5b) In den Fällen 2 bis 26 der Urteilsgründe zahlte der Angeklagte für die Einziehungsbeteiligte an Se. , den alleinigen Vorstand der I. SA (I. ), im Zeitraum vom bis zum gemäß der getroffenen Unrechtsvereinbarung Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 249.000 €. Aktionäre des Forstunternehmens I. aus der Elfenbeinküste waren neben Se. sein Sohn P. Se. , C. Se. und M. Se. . Die höchste Einzelzahlung von 50.000 € (Fall 15 der Urteilsgründe) überwies der Angeklagte auf ein Konto des P. Se. .
6c) In den Fällen 27 bis 33 der Urteilsgründe zahlte der Angeklagte für die Einziehungsbeteiligte an P. Se. , den geschäftsführenden Vorstand der T. SA ( T. ), im Zeitraum vom bis zum vereinbarungsgemäß insgesamt fast 140.000 € an Bestechungsgeldern. Aktionäre der T. waren wie bei der I. die vorgenannten vier Mitglieder der Familie Se. , zudem eine weitere Aktiengesellschaft, deren Alleingesellschafter B. war. Auf Weisung des P. Se. überwies der Angeklagte den Bestechungslohn in den Fällen 29 bis 32 in Höhe von fast 75.000 € auf ein Konto des B. .
7Die Einziehungsbeteiligte erzielte aus der Weiterveräußerung der Hölzer in den drei Tatkomplexen einen Gewinn in Höhe von geschätzt rund 698.000 €.
8d) Auf der Abnehmerseite traf der Angeklagte für die Einziehungsbeteiligte mit der Vertriebsmanagerin Q. von der D. , mit Sitz in H. (Vietnam) eine entsprechende Unrechtsvereinbarung. Im Zeitraum vom bis zum zahlte der Angeklagte an die Vertriebsmanagerin Bestechungsgelder in Höhe von rund 37.250 € (Fälle 34 bis 46 der Urteilsgründe). Die Einziehungsbeteiligte erzielte aus der Veräußerung der Hölzer an die D. , einen Gewinn in Höhe von insgesamt 66.056,52 €.
92. Obwohl der Angeklagte wusste, dass die "Schmiergelder" vom Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 EStG ausgenommen waren, machte er jene in den für die Einziehungsbeteiligte abgegebenen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen bezüglich der Veranlagungszeiträume 2010 bis 2014 gewinnmindernd geltend. Folglich wurden in den auf die unrichtigen Ertragsteuererklärungen ergangenen Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheiden die Steuern zu niedrig festgesetzt; der Angeklagte hinterzog zugunsten der Einziehungsbeteiligten nach den Berechnungen des Landgerichts 147.129,20 € an Körperschaft- und Gewerbesteuer (Fälle 47 bis 56 der Urteilsgründe).
103. Der Angeklagte stellte den Betrieb der Einziehungsbeteiligten zum ein und ist seit dem deren Liquidator. Im Zeitraum von Januar 2015 bis Ende März 2015 entnahm der Angeklagte aus dem Vermögen der Einziehungsbeteiligten rund 2.060.000 €; die weiterhin in Liquidation befindliche Gesellschaft verfügt nur noch über ein Bankguthaben von etwa 300 €.
II.
11Das Urteil hält der sachrechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.
121. In den Fällen 1 bis 33 sowie 47 bis 52 der Urteilsgründe sind die Feststellungen lückenhaft und tragen daher den Schuldspruch wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2, 3 StGB aF) sowie nachfolgend wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 AO) nicht. Denn das Landgericht hätte sich mit der sich aufdrängenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte die "Provisionen" an E. , Se. und P. Se. in deren Stellung als Aktionäre mit jeweiliger Zustimmung der anderen Anteilseigner und nicht als "beauftragte" Leitungsorgane leistete (dazu unter a)). Dann wären die Zahlungen keine "rechtswidrigen Handlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklichen, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt" (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 EStG; dazu unter b)).
13a) In allen drei Tatkomplexen der Bestechung im geschäftlichen Verkehr auf der Lieferantenseite sind die Voraussetzungen dieser Strafvorschrift nicht belegt. Auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Beweisantragsrügen, mit denen der Beschwerdeführer die unterbliebene Vernehmung der beiden Auslandszeugen Se. und P. Se. beanstandet (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO), kommt es mithin nicht mehr an.
14aa) Nach § 299 Abs. 2 StGB aF (entspricht § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF) ist Voraussetzung, dass der Vorteil einem "Angestellten", also einem in ein weisungsgebundenes Dienstverhältnis Stehenden, oder "Beauftragten", also einem sonst aufgrund seiner Stellung für den Betrieb Berechtigten oder Verpflichteten, der die betrieblichen Entscheidungen beeinflussen kann, zugewendet wird; der Betriebsinhaber (entspricht dem Unternehmensinhaber nach neuer Gesetzesfassung) ist vom Gesetzeswortlaut nicht erfasst ( Rn. 30; Beschluss vom – 3 StR 458/10 Rn. 56; je mwN). Neben dem freien und fairen Wettbewerb wird der Geschäftsherr davor geschützt, dass der für ihn tätig werdende Bestochene nicht mehr nach wettbewerblichen Kriterien und damit "lauter" entscheidet, sondern durch eine wettbewerbswidrige Bevorzugung des Bestechenden oder gar durch das Gewähren von Sondervorteilen zu seinem Nachteil handelt (vgl. Rn. 22 und vom – 1 StR 490/82, BGHSt 31, 207, 210 ff.; Beschluss vom – 3 StR 28/14 Rn. 5). Folgerichtig ist unter anderem der Geschäftsinhaber als "Verletzter" gemäß § 301 Abs. 2 StGB aF (entspricht § 301 Abs. 2 StGB nF) antragsbefugt (vgl. zu § 22 Abs. 1, § 12 UWG aF: , BGHSt 31, 207, 210). In diesem Sinne verlagert die Strafvorschrift des § 299 StGB – als abstraktes Gefährdungsdelikt – den Vermögensschutz gegenüber dem Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) vor, der einen eingetretenen Vermögensnachteil voraussetzt (Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 6; MüKoStGB/Krick, 3. Aufl., § 299 Rn. 15, 17).
15(1) Betriebsinhaber ist derjenige, dem der Betrieb "gehört", also etwa bei einer Einzelfirma der Einzelkaufmann, bei einer Personengesellschaft wie einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Gesellschafter (vgl. dazu Rn. 31).
16(a) Geschäftsinhaber in diesem Sinne sind bei einer Aktiengesellschaft die Aktionäre, die durch ihre (gegebenenfalls qualifizierten) Mehrheitsbeschlüsse die Grundlagenentscheidungen für die juristische Person treffen und in diesem Sinne deren Geschick bestimmen (vgl. für eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht die Beschlüsse der Hauptversammlung als obersten Willensorgans für die Regelung der inneren Angelegenheiten, etwa: Verwendung des Bilanzgewinns [§ 174 Abs. 1 Satz 1 AktG], Satzungsänderung [§ 179 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG], Erhöhung des Grundkapitals [§ 182 Abs. 1 Satz 1 AktG], Herabsetzung des Grundkapitals [§ 222 Abs. 1 Satz 1 AktG], Auflösung der Aktiengesellschaft [§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG]).
17Die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person, die selbst Vermögensträgerin ist, steht dem nicht entgegen; nicht etwa ist zur Straflosigkeit die Zuwendung allein an die Gesellschaft zu leisten (aA zum Alleingesellschafter einer GmbH, der zugleich deren Geschäftsführer ist: Fischer, StGB, 68. Aufl., § 299 Rn. 13; Bürger, wistra 2003, 130, 132; Pragal, Die Korruption innerhalb des privaten Sektors und ihre strafrechtliche Kontrolle durch § 299 StGB, S. 163 f.; aA etwa LG Frankfurt, Beschluss vom – 5/12 Qs 1/15 Rn. 18: Der geschäftsführende Alleingesellschafter könne nicht von seiner gleichzeitigen Stellung als Betriebsinhaber "abstrahieren".). Denn der Geschäftsinhaber darf innerhalb der der Vertragsfreiheit gesetzten Grenzen Verträge nach Belieben schließen sowie bestimmte Anbieter gegenüber anderen Mitbewerbern bevorzugen und sich dabei von unsachlichen Motiven leiten lassen (Privatautonomie; vgl. LG Frankfurt aaO Rn. 15; Odenthal, wistra 2005, 170, 171); seine Entscheidungsfreiheit ist nicht verletzt, wenn er selbst die in Rede stehenden Geschäfte abschließt. Als geschützte Person kann der Betriebsinhaber nicht zugleich Täter sein (LG Frankfurt aaO Rn. 16).
18(b) Damit gilt nichts anderes, als der Bundesgerichtshof bezüglich der Untreuestrafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB zu Lasten einer Aktiengesellschaft (, BGHSt 49, 147, 157 ff.) bzw. überwiegend einer GmbH bereits entschieden hat: Danach schließt das Einverständnis der Gesamtheit der Gesellschafter die Tatbestandsmäßigkeit einer für die GmbH nachteiligen Handlung grundsätzlich aus. Damit können der GmbH mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist erst unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb strafbar, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Verringerung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (, BGHSt 55, 266 Rn. 34; Beschlüsse vom – 3 StR 228/11 Rn. 12 f.; vom – 3 StR 118/11 Rn. 30, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 57, 229 und vom – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52 Rn. 24; je mwN).
19(c) Es kommt nicht darauf an, ob der Anteilseigner zugleich Leitungsorgan ist. Andernfalls würde er sich seiner Entscheidungsfreiheit als Betriebsinhaber begeben. Auch aus Sicht des Bestechenden ist dessen Vorteilsgewährung gerade nicht darauf gerichtet, die Entscheidungshoheit der Anteilseigner zu unterlaufen.
20bb) Das Landgericht hat infolge seiner rechtsfehlerhaften Würdigung (UA S. 49) sich nicht mit der naheliegenden Möglichkeit befasst, ob die anderen Aktionäre, die sämtlich Familienmitglieder sind, mit den Provisionszahlungen einverstanden waren. Dann hätte der Angeklagte die Gelder den Geschäftsinhabern zugewendet. Solches hat sich hier auch deshalb aufgedrängt, weil der Angeklagte im zweiten und dritten Tatkomplex einen gewichtigen Anteil der Gelder nicht dem Partner der "Unrechtsvereinbarung" zuwendete, sondern einem anderen Aktionär bzw. mittelbaren Anteilseigner. Die familiäre Verbundenheit zwischen den abwechselnd beteiligten Aktionären, die jahrelange Kontaktpflege des Angeklagten gegenüber den drei Familien und die offensichtlich über Jahre gefestigte Aktionärsstruktur sprechen dafür, dass die jeweils anderen Anteilseigner um die Geldzuwendungen wussten und damit einverstanden waren.
21b) Der Aufklärungsmangel bei den Bestechungsdelikten zieht die Aufhebung der sechs Fälle der Hinterziehung von Ertragsteuern bezüglich der Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 (Fälle 47 bis 52 der Urteilsgründe) nach sich. Denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 EStG setzt in seiner ersten Alternative den Tatbestand eines Strafgesetzes voraus. Ein Tatbestand, der die Sanktionierung der Vorteilsgewährungen mit einer Geldbuße zuließe (etwa nach UWG), ist nicht ersichtlich.
22Allein der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung betreffend die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014 (Fälle 53 bis 56 der Urteilsgründe) hat Bestand; denn die Feststellungen zur Bestechung auf der Debitorenseite sind rechtskräftig. In diesen vier Fällen ist jeweils nur der Schuldumfang aus den genannten Gründen rechtsfehlerhaft bestimmt.
23c) Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die Einzelstrafen in den Fällen 34 bis 46 der Urteilsgründe auf, wobei aber hier die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können.
24d) Die Urteilsaufhebung ist nach § 357 Satz 1 StPO auf die Einziehungsbeteiligte zu erstrecken (vgl. Rn. 26; Beschlüsse vom – 1 StR 518/19 Rn. 8; vom – 3 StR 286/18 Rn. 15 und vom – 2 StR 252/16 Rn. 54).
252. Im Übrigen birgt die Verurteilung keine Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Die Einziehungsanordnung hat in Höhe der durch die Veräußerung der Hölzer an die D. , erzielten Gewinne Bestand (Fälle 34 bis 46 der Urteilsgründe).
26Bezüglich der gegen den Angeklagten angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 1 ["durch"], § 73c Satz 1 StGB) dem Grunde nach hat der Generalbundesanwalt überzeugend ausgeführt, soweit es die Fallgruppe der Weiterleitung der durch die Bestechungen im Zeitraum vom bis zum erlangten Betriebsgewinne betrifft (zu den ersparten Steueraufwendungen vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 10-13 und vom – 1 StR 133/21 Rn. 9):
ʺZutreffend erweist sich die Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte habe durch die ohne Gegenleistung erfolgte Entnahme von Vermögenswerten in Höhe von 2.062.830 € aus dem Gesellschaftsvermögen der Einziehungsbeteiligten letztlich auch die Erträge der Taten gemäß § 73 Abs. 1 StGB erlangt (vgl. BGH, [Urteil] vom - 3 StR 294/19 -, juris Rn. 26 ff.). Dem steht die zeitliche Spanne zwischen den Vermögenszuflüssen aufseiten der Einziehungsbeteiligten und deren Weiterleitung an den Angeklagten nicht entgegen, weil die Anwendung des § 73 Abs. 1 StGB keine zeitliche Unmittelbarkeit, sondern nur eine weit zu fassende Kausalität verlangt (vgl. BGH aaO Rn. 34 ff.). Letztere war auch nicht dadurch unterbrochen, dass dem Vermögenstransfer ein nicht bemakelter V[e]rtrag zugrunde lag. Vielmehr schöpfte der Angeklagte das durch die zeitlich vorgegangenen Straftaten generierte und aufseiten der Einziehungsbeteiligten fortbestehende Vermögen ab, um es zu eigenen Gunsten zu verwenden. …
Bei ihrem Verweis auf die fehlende ‚sogleich‘ erfolgte Weiterleitung der Taterträge … gerät der Revision aus dem Blick, dass es sich dabei um ein Kriterium der Fallgruppe der Vermögensverschmelzung handelt (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom - 2 BvR 820/06 -, juris Rn. 27). Bei der hier einschlägigen Fallgruppe der nachgelagerten rechtsgrundlosen Vermögensweiterleitung bedarf es demgegenüber keiner zeitlichen Unmittelbarkeit (vgl. BGH, [Urteil] vom - 3 StR 294/19 -, juris Rn. 34 ff.).ʺ
III.
27Vorsorglich weist der Senat auf seine Bedenken gegen die Ausführungen des Generalbundesanwalts auf Seiten 9 bis 11 unter II. 3. b) der Antragsschrift hin; danach soll unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes zugunsten des Angeklagten angenommen werden, dieser habe vor dem der Einziehungsbeteiligten nahezu sämtliches Kapital entzogen und die Gewinne aus den Bestechungstaten in den Fällen 21 bis 26 (Tatzeitraum vom bis zum ) sowie die Ersparnisse aus den Steuerhinterziehungen in den Fällen 55 und 56 (Tatzeitraum Juni/Juli 2015) der Urteilsgründe seien allein der nunmehr in Liquidation befindlichen Gesellschaft zugeflossen. Insbesondere angesichts eines Bankguthabens von 300 € als einzigen Aktivpostens drängt sich eine solche Zeitabfolge indes nicht auf. Vielmehr dürfte die Einziehungsbeteiligte möglicherweise schon vor der Betriebseinstellung, spätestens jedoch ab dem nur noch als ʺMantelʺ im Sinne der vorgenannten Fallgruppe der Vermögensverschmelzung (II. 2.) einzuordnen sein; ihre Vermögenslosigkeit spricht dafür, dass der Angeklagte sämtliche verbliebene Vermögensgegenstände auf sich überleitete und die nur noch als ʺHülleʺ dienende GmbH i.L. aushöhlte (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 15; vom – 1 StR 75/19 Rn. 14 f. und vom – 3 StR 447/18 Rn. 11; je mwN).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:280721B1STR506.20.0
Fundstelle(n):
AG 2024 S. 241 Nr. 7
GmbH-StB 2022 S. 46 Nr. 2
GmbHR 2021 S. 1337 Nr. 24
NJW 2021 S. 10 Nr. 45
NJW 2021 S. 3606 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2022 S. 17
ZIP 2021 S. 2448 Nr. 47
wistra 2022 S. 165 Nr. 4
wistra 2022 S. 38 Nr. 1
VAAAH-93156