IDW PS 201 n. F. – die Fortsetzung der Hybris?
Das IDW hatte im Entwurf des (E)PS 201 zu den „Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätzen für die Abschlussprüfung“ vom in den Rz. 7 bis 9 folgende Reihenfolge vorgesehen, um festzulegen, wie sich die deutschen Rechnungslegungsgrundsätze bestimmen: An erster Stelle stehen gesetzlich normierte und gesetzlich nicht festgeschriebene GoB. Dem folgend sei die Rechtsprechung des EuGH, EuG oder die höchstrichterliche handelsrechtliche Rechtsprechung in Deutschland „zu beachten“. „Demgegenüber“ sollte die BFH-Rechtsprechung zu bilanzsteuerrechtlichen Fragen nur noch „zu würdigen“ sein. Und viertens seien hierzu die Veröffentlichungen des IDW „zu berücksichtigen“.
Bis zur Entwurfsfassung formulierte das IDW, „die höchstrichterliche handelsrechtliche Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union“ sei bei der Interpretation von Rechnungslegungsnormen „zu berücksichtigen“ (Rz. 8 des PS 201 a. F.).
Diese [i]Eggert, Kommen nach den GoBD auch noch die GoDB?, Editorial, BBK 6/2020 S. 257 NWB ZAAAH-44562 geplante Herabstufung des BFH – eines Bundesgerichts! – ist auch an dieser Stelle auf deutliche Kritik gestoßen und war in BBK 6/2020 nachzulesen.
In der nun endgültigen Fassung des IDW PS 201 vom findet sich im Vergleich zur Entwurfsfassung unverändert die Formulierung, die Rechtsprechung des BFH sei zu „würdigen“ (Rz. 9). Diese Würdigung soll nun aber auch für EuGH, EuG und die höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland gelten. Bei dieser Würdigung ist nach der Meinung des IDW „darauf abzustellen, ob die Rechtsprechung mit den bestehenden GoB vereinbar ist oder in ihr eine Fortentwicklung der bestehenden GoB zu sehen ist“, während dabei die Stellungnahmen (u. Ä.) des IDW zu „berücksichtigen“ sind (Rz. 10).
Es besteht kein Zweifel, dass die korrekte Interpretation von „würdigen“ in diesem Zusammenhang eine deutlich schwächere Aussage ergibt als die Formulierung „berücksichtigen“. Das IDW stellt sich damit leider immer noch über die Rechtsprechung des BFH. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik ist nicht zu erkennen, im Gegenteil: Im neuen PS 201 ist der Vorrang der eigenen Auffassung des IDW jetzt auch noch gegenüber den anderen Gerichten wie z. B. dem EuGH (!) postuliert. Ich halte diese Selbsterhöhung eines e. V. gegenüber unabhängigen höchsten Gerichten für indiskutabel und rechtlich auch nicht für haltbar; der Berufsstand sollte dem nicht folgen. Denn trotz aller berechtigter, notwendiger und wünschenswerter Kritik an und Diskussion über die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung und die darin zum Ausdruck gebrachten Argumente, denen man folgen kann oder auch nicht: Der BFH und die anderen oberen Gerichte definieren eine Rechtslage, wenn Handelsrecht ausgelegt wird. Und sie gilt es zu achten.
Beste Grüße
Wolfgang Eggert
Fundstelle(n):
BBK 2021 Seite 897
NWB HAAAH-90025