Unnötig kompliziert
Die Ziele stimmen. Die Maßnahmen auch?
Sich auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen, ist meist noch ohne größere Probleme möglich. Die Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen ist so ein Ziel. Was sollte denn auch gegen eine Missbrauchsbekämpfung sprechen? Bei den zur Zielerreichung erforderlichen Maßnahmen gehen die Meinungen dann allerdings oft auseinander. So auch bei der zum in Kraft getretenen grunderwerbsteuerrechtlichen Share-Deal-Reform, deren erhebliche Verschärfungen für Immobilientransaktionen Wischott/Graessner schon in NWB 21/2021 S. 1519 vorgestellt haben. Ungefähr fünf Jahre wurde über diese Reform der Grunderwerbsteuer diskutiert, um dann trotz erheblicher Bedenken inhaltlich fast unverändert zum ursprünglichen Regierungsentwurf im Mai 2021 verkündet zu werden. Ob die beschlossenen Maßnahmen die richtigen sind, wird sich zeigen müssen. Mit seinen inzwischen sieben Ergänzungstatbeständen ist das Regelwerk auf jeden Fall deutlich unübersichtlicher und komplizierter geworden. Damit kommen selbst Steuerberater zunehmend an ihre Grenzen. Und auch für die Finanzverwaltung stellt diese ausufernde Komplexität eine echte Herausforderung dar. Diese Herausforderung nimmt Saecker in seinem Praxisleitfaden auf an, mit dem er sich zum Ziel gesetzt hat, das neue Regelwerk anhand zahlreicher Beispiele und Übersichten auch für die nicht täglichen Anwender verständlich zu machen.
Im Ziel einig war man sich auch beim Steueroasen-Abwehrgesetz, das – wie der Name schon verrät – gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb durch Steueroasen vorgeht. Indem Personen und Unternehmen durch gezielte Abwehrmaßnahmen davon abgehalten werden, ihre Geschäftsbeziehungen mit Steueroasen fortzusetzen oder neu aufzunehmen, sollen diese Staaten „ausgetrocknet“ und so dazu gebracht werden, internationale Standards im Steuerbereich umzusetzen und Steuervermeidung zu verhindern. Diese Abwehrmaßnahmen – u. a. ein Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugsverbot, eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, in bestimmten Fällen ein Quellensteuerabzug sowie eine Versagung der Steuerbefreiung für Dividenden und Veräußerungsgewinne – stießen bei einigen Sachverständigen auf teils heftige Kritik. Insbesondere dass alle vier vom EU-Rat genannten möglichen Maßnahmen gegen Steueroasen in das Gesetz Eingang gefunden haben, obwohl jedes EU-Mitgliedsland nur eine Maßnahme umsetzen müsse, sei für das Exportland Deutschland ein Wettbewerbsnachteil und stelle eine überschießende Regulierung dar. Auch sei das Gesetz durch viele Ausnahme- und Sonderregelungen unnötig kompliziert und werde so zu einem Bürokratiemonster. Doch je nachdem, ob und wie schnell der EU-weite Plan der „Austrocknung“ der Steueroasen aufgeht, bleibt abzuwarten, ob die umstrittenen Abwehrmaßnahmen, die Freiherr von Böselager auf vorstellt, in Zukunft wirklich zur Anwendung kommen.
Beste Grüße
Reinhild Foitzik
Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 2785
UAAAH-89780