BGH Beschluss v. - VIII ZR 221/19

Wohnraummiete: Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung bei Übertragung eines geringen Miteigentumsanteils von einer Aktiengesellschaft auf eine natürliche Person

Gesetze: § 242 BGB, § 573 Abs 2 Nr 2 BGB

Instanzenzug: LG München I Az: 14 S 15871/18 Urteilvorgehend Az: 416 C 8659/18

Gründe

I.

1Die Parteien streiten im Anschluss an eine Eigenbedarfskündigung um die Räumung und Herausgabe einer in München gelegenen 2,5-Zimmer-Wohnung, die die Beklagte seit dem Jahr 2004 aufgrund eines noch mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 abgeschlossenen Mietvertrages bewohnt.

2Die Klägerin zu 1 ist eine Aktiengesellschaft, die Klägerin zu 2 ist die Tochter eines der Vorstände und Mehrheitsgesellschafters der Klägerin zu 1. Die Anteile an der Klägerin zu 1 werden ganz überwiegend von der Familie P.     gehalten, der auch die Klägerin zu 2 und ihr Vater angehören. Die Klägerin zu 1 erwarb die streitgegenständliche Wohnung im Jahr 2015. Eine erste Kündigung begründete sie kurz nach der Grundbucheintragung mit dem Wunsch des Vorstands H.    P.   , selbst in die Wohnung einziehen zu wollen. Nach Rücknahme der hierauf gestützten ersten Räumungsklage übertrug die Klägerin zu 1 einen 5/100 Miteigentumsanteil an der Wohnung schenkweise der damals gerade volljährig gewordenen Klägerin zu 2, um auf diese Weise - entsprechend anwaltlicher Beratung - eine Kündigungsmöglichkeit wegen Eigenbedarfs zu schaffen.

3Nach Eintragung des Bruchteilseigentums der Klägerin zu 2 im Grundbuch erklärten die Klägerinnen mit Anwaltsschreiben vom die Kündigung wegen Eigenbedarfs der Klägerin zu 2.

4Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage der Klägerinnen hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Eigenbedarfskündigung unter Würdigung der Gesamtumstände rechtsmissbräuchlich sei, weil die Klägerin zu 1 als juristische Person keinen Eigenbedarf geltend machen könne und dies durch die schenkweise Übertragung eines völlig unbedeutenden Miteigentumsanteils an die Klägerin zu 2 lediglich umgangen werden sollte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

II.

51. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.

6a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, es sei zwar geklärt, dass eine Aktiengesellschaft einen Eigenbedarf nicht geltend machen könne; es fehle aber bislang an einer hinreichenden Klärung diesbezüglicher Umgehungstatbestände.

7b) Diese Erwägung trägt jedoch keinen der im Gesetz genannten Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert.

8Vielmehr hängt die Beantwortung der Frage, ob ein Verhalten als treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) zu bewerten ist, von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb einer allgemeinen Betrachtung im Sinne einer mit der Zulassung erstrebten Grundsatzentscheidung (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 83/10, WuM 2010, 680 Rn. 4; , NJW 2019, 2475 Rn. 21 f.; vom - VIII ZR 163/18, NJW 2020, 3517 Rn. 42). Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts eine (Leit-)Entscheidung des Senats zu der hier vorliegenden Konstellation oder ist sonst ein Bedürfnis erkennbar, die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 242 BGB um eine weitere Fallgruppe zu ergänzen.

92. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung (§ 546 Abs. 1 BGB) sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB) - mit Rücksicht auf ein den Klägerinnen zur Last fallendes rechtsmissbräuchliches Verhalten - rechtsfehlerfrei abgewiesen.

10Die Vorgehensweise der Klägerinnen zeichnete sich hier dadurch aus, dass der Klägerin zu 2 mit der schenkweisen Übertragung eines 5/100 Miteigentumsanteils formal eine "minimale" Miteigentümerstellung und Mitvermieterstellung verschafft wurde, mit der ersichtlich allein das Ziel verfolgt wurde, eine der Klägerin zu 1 als juristischer Person nicht mögliche Eigenbedarfskündigung zugunsten der Tochter eines Vorstandsmitglieds zu verwirklichen, ohne dass mit der Übertragung eine nennenswerte Änderung der Eigentums- beziehungsweise der wirtschaftlichen Verhältnisse an der Immobilie verbunden war. Die Beurteilung dieser Vorgehensweise als rechtsmissbräuchlich durch das Berufungsgericht hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung.

11Ob das Berufungsgericht - wie die Revision meint - in seinen weiteren Ausführungen § 573 BGB zu Recht als "Kernstück" des mietrechtlichen Bestandsschutzes bezeichnet hat und in diesem Zusammenhang den Regelungszweck des Kündigungstatbestandes des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit der Zielsetzung der in § 577a BGB normierten Kündigungsbeschränkungen vermengt hat, kann dahinstehen. Denn es handelt sich bei den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts um ergänzende Überlegungen, denen für die Würdigung des klägerischen Verhaltens als rechtsmissbräuchlich ersichtlich keine entscheidende Bedeutung zukommt.

123. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:300321BVIIIZR221.19.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 1168 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2021 S. 2728
CAAAH-87323