(Nichtigkeitsklageverfahren – "Wirkstoffkombination Ezetimib/Simvastatin" – Zur Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel – Zum Ausgleich des Rückstandes in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung durch ein ergänzendes Schutzzertifikat – Für die Bestimmung des durch das ergänzende Schutzzertifikat mit einem verlängerten Schutz zu versehenden Erfindungsgegenstandes kommt es allein auf die Angabe im Grundpatent an – Zur Bewertung der Frage, ob eine Wirkstoffkombination als gesonderte Erfindung anzusehen ist - Für die Beurteilung der Voraussetzungen in Art. 3 lit. c) EGV 469/2009 (AMVO), dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde, ist allein auf den Zeitpunkt der ersten arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines der Wirkstoffe abzustellen – Zur Frage, ob ein Grundpatent einen Wirkstoff schützt oder ob eine Wirkstoffkombination eine eigenständige Innovation bildet.)
Leitsatz
Ezetimib
1. Durch das ergänzende Schutzzertifikat soll allein – wenigstens zum Teil - der Rück-stand in der wirtschaftlichen Verwertung einer Erfindung ausgeglichen werden, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der Marktzulassung eingetreten ist, nicht aber dem Patentinhaber die Verwertung aller möglichen Formen der Erfindung, auch in Gestalt verschiedener Zusammensetzungen mit demselben Wirkstoff, die für sich genommen entweder nicht vom Grundpatent geschützt oder nicht eigenständig innovativ sind, ermöglicht werden (Anschluss an Az. C-443/12, Rn. 31 und 40 - Actavis 1).
2. Für den Fall, dass ein Grundpatent mehrere Erzeugnisse i.S.v. Art. 1 lit. b) AMVO schützt, hängt die Erteilung mehrerer Schutzzertifikate für diese Erzeugnisse daher nach der insoweit einschränkend zu verstehenden Voraussetzung in Art. 3 lit. c) AMVO davon ab, dass es sich bei den fraglichen Erzeugnissen um unterschiedliche Innovationen handelt. Die Ertei-lung mehrerer Schutzzertifikate für jedes sukzessive Inverkehrbringen eines innovativen Wirkstoffs in Kombination mit einem anderen, durch das Grundpatent nicht als solchen geschützten Wirkstoff, ist demgegenüber unzulässig; ein Zertifikatsschutz kommt vielmehr nur für solche Erzeugnisse in Betracht, die gemäß den Zielen der AMVO eine echte Neuerung darstellen (Anschluss an Az. C-443/12 - Actavis 1, und Urteil vom , Az. C-577/13 - Actavis 2).
3. Dem stehen die weiteren EuGH-Entscheidungen in den Sachen Georgetown (Urteil vom , Az. C-484/12), Teva ./. Gilead (Urteil vom , Az. C-121/17) und Royalty Pharma (Urteil vom , Az. C-650/17) nicht entgegen. Viel-mehr bestätigen sie die Grundentscheidungen von Actavis 1 und Actavis 2.
4. Für die Bestimmung des durch das ergänzende Schutzzertifikat mit einem verlängerten Schutz zu versehenden Erfindungsgegenstandes kommt es allein auf die Angaben im Grundpatent an. Erkenntnisse, die erst nach dem für das Grundpatent maßgeblichen Zeitrang, also seinem Prioritäts- oder Anmeldetag, gewonnen wurden, sind daher nicht zu berücksichtigen. Dieser vom EuGH in den Sachen Teva ./. Gilead (a.a.O. Rn. 49) und Royalty Pharma (a.a.O. Rn. 47) zu Art. 3 lit. a) AMVO aufgestellte Grundsatz gilt auch für die Ermittlung des Erfindungsgegenstands bei der Prüfung des Art. 3 lit. c) AMVO.
5. Für die Bewertung der Frage, ob eine Wirkstoffkombination als gesonderte Erfindung anzusehen ist, welche die Erteilung eines eigenen ergänzenden Schutzzertifikats für diese Wirkstoffkombination neben ggf. bestehenden Schutzzertifikaten für die Monowirkstoffe rechtfertigen kann, spielt die Qualifizierung eines der in der Wirkstoffkombination enthaltenen Monowirkstoffes als „first in class“- Wirkstoff keine Rolle.
6. Wie sich aus den Ausführungen des EuGH in seiner Entscheidung Actavis 1 ableiten lässt, ist für die Beurteilung der Voraussetzung in Art. 3 lit. c), dass für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde, allein auf den Zeitpunkt der ersten arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines der Wirkstoffe abzustellen. Erfolgten die arzneimittelrechtlichen Genehmigungen aufgrund des vom Anmelder nicht zu beeinflussenden Verwaltungsverfahrens am selben Tag, sind zusätzlich die jeweiligen Zeitpunkte der Beantragung dieser Genehmigungen zu berücksichtigen, weil sich der Anmelder bis zur jeweiligen Genehmigung jederzeit noch entscheiden kann, ob er lediglich für einen Monowirkstoff oder für die Wirkstoffkombination Schutz beanspruchen möchte.
Tatbestand
ECLI Nummer: ECLI:DE:BPatG:2020:091020U3Ni4.19.0
Fundstelle(n): BAAAH-87170
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