Urkundenfälschung: Urkundeneigenschaft der Brief- und Paketmarken der Deutschen Post
Gesetze: § 148 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 807 BGB
Instanzenzug: LG Bochum Az: 13 KLs 14/17
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten T. S. wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 124 Fällen, versuchten Betrugs in 293 Fällen, Beihilfe zum Betrug in 204 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in 57 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 147 Fällen als Versuch, „gemeinschaftlicher“ Urkundenfälschung, Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten D. S. wegen Betrugs in 88 Fällen, davon in 57 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchten Betrugs in 161 Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen und gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Angeklagten M. S. hat es wegen Beihilfe zum Betrug in 417 tateinheitlichen Fällen, davon in 124 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 293 Fällen als Versuch sowie wegen Urkundenfälschung und gewerbsmäßiger Kennzeichenverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Mit Berichtigungsbeschluss vom hat die Strafkammer die Anzahl der Taten bei beiden Angeklagten in der Urteilsformel abgeändert und die Einziehungsbeträge neu berechnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zugunsten des Mitangeklagten M. S. – den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
I.
2Die Revision des Angeklagten T. S. führt zu mehreren Teileinstellungen und zu einer Änderung des Schuldspruchs, die zum Teil auch auf den nicht revidierenden Angeklagten M. S. zu erstrecken war; im Übrigen ist sie unbegründet.
31. Soweit der Angeklagte T. S. unter C.I.2 – Tat 176 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, hat der Senat das Urteil aufgehoben und das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
4Das Landgericht hat das Verfahren wegen dieser Tat (Fall 802 der Anklage) mit Beschluss vom nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (vgl. Protokoll- und Urteilsband I, Bl. 156) und in der Folge nicht wieder aufgenommen. Damit steht diese Einstellung einer Verurteilung auch weiterhin entgegen (vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 359/03; Beschluss vom – 4 StR 85/00).
52. Darüber hinaus hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren auch hinsichtlich der Taten C.I.2 – Taten 18, 40, 41, 42, 59 und 289 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Diese Taten waren Gegenstand des aus den vom Generalbundesanwalt angeführten Gründen unwirksamen und deshalb unbeachtlichen Berichtigungsbeschlusses vom . Damit wird für den Angeklagten jede Beschwer ausgeschlossen, die sich aus der Unwirksamkeit dieses Beschlusses ergeben könnte.
63. Der danach verbleibende Schuldspruch hält der rechtlichen Überprüfung nicht voll umfänglich stand.
7a) Soweit das Landgericht den Angeklagten T. S. unter C.I.2 – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 der Urteilsgründe auch wegen einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung und hinsichtlich C.I.2 – Taten 563, 570 und 601 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zu tateinheitlich begangenen Urkundenfälschungen verurteilt hat, wird dies in den Urteilsgründen nicht belegt.
8Zwar ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei Brief- und Paketmarken der Deutschen Post AG, die nach der Neuordnung des Post- und Telekommunikationswesens nicht mehr § 148 StGB unterfallen, um Urkunden im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB handelt. Sie verkörpern als Inhaberpapiere im Sinne des § 807 BGB einen Anspruch auf Beförderung der Postsendung im Umfang des aufgedruckten Werts und perpetuieren insoweit zu Beweiszwecken eine entsprechende Gedankenerklärung des Ausstellers (die entsprechende Beförderungsleistung gegenüber jedem schuldbefreiend erbringen zu wollen, der gültige Briefmarken in Höhe des vorgesehenen Leistungsentgelts auf die Postsendung klebt) (vgl. , BGHZ 158, 201 ff.; , Rn. 5; Schmidt, ZStW 111 (1999), 389, 418 ff.; KNP-StGB/Puppe, 5. Aufl., § 148 Rn. 3 und 8; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 148 Rn. 2a; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 148 Rn. 2; Erb in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 148 Rn. 5; BeckOK-StGB/Weidemann, 40. Edition, § 148 Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 148 Rn. 2). Der Angeklagte hat sich deshalb in allen Fällen, in denen er entweder selbst gefälschte Frankaturware übersandte oder den Mitangeklagten D. S. hierbei unterstützte auch der Urkundenfälschung bzw. der Beihilfe hierzu schuldig gemacht. Die Strafkammer hat aber übersehen, dass es nach den Feststellungen unter C.I.2 – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 sowie 563, 570 und 601 nicht zu einer Übersendung von gefälschten Brief- oder Paketmarken durch den Angeklagten bzw. den von ihm unterstützten Mitangeklagten D. S. kam. Die insoweit erfolgte Verurteilung wegen einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB bzw. der Beihilfe hierzu hatte daher zu entfallen.
9b) Darüber hinaus ist der Strafkammer bei der Abfassung des Schuldspruchs insoweit auch ein Übertragungsfehler unterlaufen, als sie von einer Beihilfe zum Betrug in 204 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in 147 Fällen als Versuch ausgegangen ist, obgleich sie in den Urteilsgründen nur 203 Fälle, davon 146 Fälle als Versuch, festgestellt hat (UA 146).
10c) Dadurch, dass der Angeklagte T. S. den Mitangeklagten D. S. bei der Herstellung einer unechten Meldebescheinigung unterstützte, indem er ihm eine elektronische Vorlage übersandte, hat er sich nur der Beihilfe zu einer Urkundenfälschung und nicht wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht.
11Zwar hat D. S. die von ihm erstellte unechte Meldebescheinigung – wie von vorneherein beabsichtigt – in zwei Fällen für Kontoeröffnungen verwendet, doch führt dies nicht zu der Annahme mehrerer Urkundenfälschungen. Hat der Täter schon beim Herstellen der unechten Urkunde den Vorsatz, diese – gegebenenfalls auch mehrfach – zu verwenden und geschieht dies in der Folge auch, so verbinden sich die darin liegenden mehrfachen Verwirklichungen des Tatbestandes des § 267 Abs. 1 StGB zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit, sodass im Ergebnis nur eine Urkundenfälschung vorliegt (vgl. , NStZ 2018, 205; Beschluss vom – 4 StR 354/16; NStZ-RR 2017, 26 f.; Beschluss vom – 4 StR 95/14, wistra 2014, 349; weitere Nachweise bei Erb in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 267 Rn. 217).
12d) Schließlich war der Schuldspruch auch dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte im Fall C.I.1 der Urteilsgründe nur der „Urkundenfälschung“ schuldig ist. Das Mitwirken von Mittätern („gemeinschaftlich“ gemäß § 25 Abs. 2 StGB) gehört nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 StPO (vgl. , Rn. 3 mwN).
II.
13Die Revision des Angeklagten D. S. führt ebenfalls zu einer Teileinstellung des Verfahrens sowie zu einer Änderung des Schuldspruchs in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
141. Der Senat hat auf Antrag des Generalbundesanwalts die Taten 519 und 588 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und die Strafverfolgung der Tat 540 gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, dass der Tatvorwurf in Fall 484 der Anklage entfällt, um jedwede Beschwer auch dieses Angeklagten infolge der Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses vom auszuschließen.
152. Der verbleibende Schuldspruch hält auch bei dem Angeklagten D. S. nicht in allen Fällen der rechtlichen Überprüfung stand.
16a) Die Feststellungen zu C.I.2 – Taten 563, 570 und 601 rechtfertigen eine (tateinheitliche) Verurteilung wegen Urkundenfälschung nicht, weil in diesen Fällen, wie oben bereits dargelegt, keine gefälschten Briefmarken versandt wurden; auch hat sich der Angeklagte durch die Herstellung und den zweifachen Gebrauch der unechten Meldebescheinigung – wie die Strafkammer in den Urteilsgründen zurecht ausgeführt hat – nur einer Urkundenfälschung schuldig gemacht.
17b) Schließlich hat der Angeklagte nach den Feststellungen unter C.I.2 und C.II. der Urteilsgründe auch nur 160 und nicht 161 versuchte Betrugstaten begangen. Insoweit liegt ersichtlich ein Übertragungsfehler vor.
III.
18Der Senat hat bei beiden Angeklagten den Schuldspruch entsprechend abgeändert (§ 354 Abs. 1 StPO analog) und berichtigt. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Die wegen der fehlerhaften Annahme einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung erforderlich gewordene Schuldspruchänderung bei dem Angeklagten T. S. war auf den nicht revidierenden Mitangeklagten M. S. zu erstrecken, soweit dieser wegen Beihilfe zu diesen Taten des Angeklagten T. S. verurteilt worden ist (§ 357 Satz 1 StPO).
IV.
19Soweit tateinheitliche Verurteilungen wegen Urkundenfälschung entfallen sind (C.I.2 – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 sowie 563, 570 und 601 der Urteilsgründe), schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung gegen beide Angeklagte für diese Taten geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Denn die Strafkammer hat bei der Strafbemessung jeweils nicht auf die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände, sondern in erster Linie auf die Schadenshöhe abgestellt. Dies gilt entsprechend, soweit eine Schuldspruchänderung bei dem nicht revidierenden Mitangeklagten M. S. erfolgt ist.
20Auch die Gesamtstrafenaussprüche können bestehen bleiben. Soweit Einzelstrafen in Wegfall gekommen sind, schließt der Senat mit Blick auf die große Anzahl der verbleibenden Einzelstrafen aus, dass das Landgericht auf geringere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.
21Die Einziehungsentscheidungen erweisen sich auch nach den Teileinstellungen aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht als fehlerhaft.
V.
22Im Umfang der Einstellungen fallen die Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel haben die Angeklagten selbst zu tragen; der geringe Teilerfolg ihrer Revisionen rechtfertigt es nicht, sie teilweise von den entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:300119B4STR385.18.0
Fundstelle(n):
UAAAH-86076