Urlaubsabgeltungsanspruch bei in Anspruch genommenem Urlaub aus dem Vorjahr
Leitsatz
Ein Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 10 EUrlV, Art. 7 RL 2003/88/EG) besteht nicht, soweit im betreffenden Jahr der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaub in Anspruch genommen wurde; dies gilt unabhängig davon, ob es sich um neuen oder um aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (wie 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 23).
Gesetze: Art 7 EGRL 88/2003, § 10 BUrlV
Tatbestand
1Der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Kläger beansprucht die Zahlung von Urlaubsabgeltung für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage.
2Der Kläger ist Ruhestandsbeamter. Bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit zum war er Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 BBesO) im Bundesdienst und wurde beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet.
3Im Jahr 2016 nahm der Kläger 29 Tage und im Jahr 2017 24 Tage Erholungsurlaub in Anspruch. Hierbei handelte es sich jeweils um übertragenen Urlaub aus dem vorherigen Urlaubsjahr.
4Mit Schreiben vom beantragte der Kläger die finanzielle Abgeltung seines nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs aus dem Jahr 2017. Dabei berief er sich auf das Senatsurteil vom im Verfahren 2 C 10.12 (Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1). Er verwies darauf, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres - hier zum - verfalle. Für den Fall, dass seinem Antrag nicht entsprochen werde, bat er um einen "klagefähigen Bescheid", es sei denn der BND erkläre, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Nach seiner Berechnung stand ihm für das Jahr 2017 ein Abgeltungsanspruch für 15 Urlaubstage (sowie für 2018 für 20 Tage und für 2019 für 15 Tage) zu.
5Mit Schreiben vom beantragte der Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017, 2018 und 2019 und wiederholte sein Vorbringen aus seinem Schreiben vom .
6Mit Bescheid vom gab der BND dem Kläger bekannt, dass ihm für die Urlaubsjahre 2018 und 2019 ein Abgeltungsanspruch für 33,33 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage (20 Tage für 2018, 13,33 Tage für 2019) zustehe; die Höhe des Abgeltungsbetrages werde durch die Gebührnisstelle ermittelt und ihm ausgezahlt. Für das Urlaubsjahr 2017 werde ein gesonderter Bescheid ergehen.
7In einem weiteren Schreiben vom wies der BND den Kläger u.a. darauf hin, dass sein Antrag auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs aus dem Jahr 2017 "noch in Bearbeitung sei". Es müsse noch geprüft werden, ob der Anspruch ggf. gemäß § 7 Abs. 3 EUrlV verfallen sei. Er erhalte zeitnah einen Bescheid.
8Mit Schreiben vom erinnerte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger unter Fristsetzung zum an die Bescheidung seines Begehrens für das Jahr 2017; bei einer dreijährigen Verjährungsfrist müsse der Anspruch aus dem Jahr 2017 spätestens bis zum Jahresende 2021 geltend gemacht werden.
9Im März 2020 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben und zur Begründung auf die Ausführungen in seinen vorgerichtlichen Schreiben Bezug genommen.
10Er hat zunächst sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm für insgesamt 15 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage des Jahres 2017 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.
11Später hat er einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 20 Urlaubstage als in den Jahren 2017 oder 2016 entstanden angesehen. Letztlich habe er jeweils aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub genommen und es seien vor seinem Eintritt in den Ruhestand krankheitsbedingt Urlaubstage verfallen.
12Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, ihm eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand für insgesamt 20 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage aus den Jahren 2017 und 2016 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14Sie hält den zuletzt gestellten Klageantrag für nicht hinreichend bestimmt; es sei unklar, für welchen Zeitraum ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werde. Dem Kläger stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch weder für das Jahr 2017 noch für das Jahr 2016 zu. Insbesondere habe er in beiden Jahren mehr als den Mindesturlaub in Anspruch genommen. Es sei unerheblich, ob es sich jeweils um neuen Urlaub oder um übertragenen Urlaub aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr handele.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Gründe
16Die Klage, über die zu entscheiden das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
171. Die Klageänderung ist wegen als Einwilligung zu wertender rügeloser Sacheinlassung der Beklagten zulässig (§ 91 Abs. 2 VwGO). Die geänderte Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) ebenfalls zulässig; die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Bestimmtheit des nunmehr gestellten Klageantrags greifen nicht durch, weil sich dem Klagevorbringen entnehmen lässt, dass für die beiden Jahre 2016 und 2017 zusammen ein Urlaubsabgeltungsanspruch für insgesamt 20 Tage geltend gemacht wird.
182. Die Klage ist unbegründet, der Kläger hat keinen Urlaubsabgeltungsanspruch.
19Nach § 10 Abs. 1 Erholungsurlaubsverordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 2831 - EUrlV) wird Erholungsurlaub abgegolten, soweit er in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist. § 10 Abs. 2 EUrlV bestimmt, dass im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG) unabhängig davon anzurechnen ist, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist.
20Ein Urlaubsabgeltungsanspruch steht dem Kläger hiernach nicht zu. Er hat im Jahr 2016 29 Urlaubstage und im Jahr 2017 24 Urlaubstage und damit jeweils mehr als den unionsrechtlich (Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG) gewährleisteten Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen in Anspruch genommen. Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wieviel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (stRspr, 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 23; Beschlüsse vom - 2 B 57.13 - juris Rn. 8 und vom - 2 B 72.15 - Buchholz 232.3 § 10 EUrlV Nr. 1 Rn. 10; gebilligt von - NVwZ 2014, 1160 Rn. 13 ff.).
21Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abgeltung solchen nicht genommenen Urlaubs, der über den Mindesturlaub hinausgeht, besteht nicht.
223. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:150621U2A1.20.0
Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 10 Nr. 36
XAAAH-85816