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StuB Nr. 14 vom Seite 580

Steuerberaterhaftung und die konsolidierte Schadensbetrachtung

Die neuere BGH-Rechtsprechung führt nicht zu eindeutiger Klärung

RA/WP/StB/FAStR Alexander Kirchner, M.A.

Der BGH hatte durch ein Urteil des OLG Düsseldorf Gelegenheit, zur Frage der konsolidierten Schadensbetrachtung bei der Steuerberaterhaftung Stellung zu beziehen. Das Berufungsgericht hatte die Revision zugelassen, explizit zu der Frage, „ob die vom BGH aufgestellten Grundsätze der Schadenskonsolidierung auch in Fällen anzuwenden sind, in denen ein Mandant aufgrund einer steuerlichen Gestaltungsberatung Vermögenswerte nicht in eine eigennützige, sondern in eine gemeinnützige Stiftung einbringt“ . Der BGH hat mit seinem Urteil vom - IX ZR 228/19 bedauerlicherweise jedoch die Gelegenheit, für eindeutige Klarheit zu sorgen, nicht genutzt. Es steht vielmehr zu befürchten, dass die Schadenskonsolidierung noch für lange Zeit ein „Feld für Einzelfallentscheidungen“ bleiben wird.

Kernfragen
  • Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Schadensberechnung bei der Steuerberater- und Rechtsanwaltshaftung?

  • Was gilt nach der Differenzhypothese?

  • Was versteht man unter der konsolidierten Schadensbetrachtung?

I. Der zugrunde liegende Sachverhalt in der Zusammenfassung

[i]Hölscheidt, Die konsolidierte Schadensbetrachtung im Steuerberaterhaftungsprozess, NWB 17/2021 S. 1257, NWB KAAAH-76796 Geißler, Haftung des Steuerberaters, infoCenter, NWB GAAAB-78593 Der Entscheidung des lag die Frage zugrunde, ob Nachteile aus einer Vermögensübertragung, die bewusst eingegangen waren, im Nachhinein einen kausalen Schaden aus einem Beratungsfehler darstellen können. Der Kläger hatte sich von der Beklagten – einer Steuerberatungsgesellschaft – zur Unternehmensnachfolge beraten lassen. Das Ergebnis einer offenbar mehrmonatigen Beratung war das sog. „Doppelstiftungsmodell“, bei dem Vermögensübertragungen zum einen in eine Familienstiftung und zum anderen in eine gemeinnützige Stiftung erfolgen. Von seiner 100%igen GmbH-Beteiligung, die einen hohen Wert hatte, übertrug der Kläger auf die neugegründete Familienstiftung 35 %. Auf die ebenfalls neugegründete gemeinnützige Stiftung übertrug er 65 % dieser GmbH-Beteiligung. Fortan bezog die gemeinnützige Stiftung die Gewinnausschüttungen aus der 65 %-Beteiligung, was über einige Jahre bereits beachtliche Beträge von knapp 1 Mio. € ergab.

Im Rahmen der steuerlichen Beratung war u. a. der Sonderausgabenabzug nach § 10b EStG erörtert worden und der Kläger ging aufgrund dessen davon aus, dass die Einbringung der Geschäftsanteile in und die jährlichen Gewinnausschüttungen an die gemeinnützige Stiftung jedes Jahr zum Sonderausgabenabzug berechtigen würden. Dieser Beratungsaspekt war unzutreffend und der versprochene steuerliche Vorteil stellte sich im Nachhinein als deutlich niedriger als angedacht heraus.

Mit seiner Klage gegen die Steuerberatungsgesellschaft macht der Kläger daher geltend, dass ihm durch eine falsche steuerliche Beratung ein Vermögensschaden entstanden sei. Dieser Vermögensschaden bestünde u. a. i. H. der Brutto-Gewinnausschüttungen (in den Urteilen als „Dividenden“ bezeichnet), die seit der Vermögensübertragung der gemeinnützigen Stiftung zugeflossen seien und in Zukunft auch noch weiter zuflössen. Denn bei ordnungsgemäßer steuerlicher Beratung hätte er die Vermögensübertragungen auf die gemeinnützige Stiftung nicht schon im Jahr 2014 vorgenommen, sondern würde sie erst im Jahr 2025 vollzogen haben, wenn er selbst das 70. Lebensjahr vollenden werde. S. 581

II. Die Begründung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf als Berufungsinstanz hatte die Klage noch abgewiesen, nachdem zuvor das FG Düsseldorf der Klage stattgegeben hatte. In seiner Begründung nahm das OLG Düsseldorf Bezug auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur konsolidierten Schadensbetrachtung, wonach eine Schadensberechnung auch unter Einbeziehung von Interessen Dritter erfolgen muss, wenn das dem Berater erteilte Mandat gerade auch diese Drittinteressen einbezogen habe. Im vorliegenden Fall sei daher das Interesse der gemeinnützigen Stiftung einzubeziehen, auf die eine Vermögensübertragung gem. dem steuerlich geprägten Beratungskonzept bewusst erfolgt sei. Wenn diese Vermögensübertragung von 65 % der Geschäftsanteile an der GmbH aber bewusst eingegangen worden sei, so i. E. das OLG Düsseldorf, könnten die nun bei der gemeinnützigen Stiftung ankommenden Gewinnausschüttungen nicht (gleichzeitig) einen Schaden des Klägers darstellen.

Doch das OLG Düsseldorf ließ die Revision zum BGH zu, da bislang zur konsolidierten Schadensbetrachtung nur eine höchstrichterliche Entscheidung vorlag, bei der die Interessen einer eigennützigen Stiftung bei der Schadensberechnung einzubeziehen waren, nicht jedoch Vermögensübertragungen an eine gemeinnützige Stiftung. Ohne dies näher auszuführen, war es für das OLG Düsseldorf daher offenbar von entscheidender Bedeutung, ob Vermögensübertragungen in eine eigennützige oder in eine gemeinnützige Stiftung erfolgen. Und dies entsprach auch dem wirtschaftlichen Gedanken der Klage. Denn der Kläger machte keinerlei Schaden geltend aufgrund der ebenfalls erfolgten Vermögensübertragungen in die neugegründete (eigennützige) Familienstiftung, sondern „nur“ bezüglich der ihm wirtschaftlich nicht mehr nützlichen Gewinnausschüttungen an die gemeinnützige Stiftung.