Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug: Gewerbsmäßiges Handeln des Gehilfen
Gesetze: § 27 Abs 1 StGB, § 28 Abs 2 StGB, § 263 Abs 5 StGB
Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 2 KLs 8/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten O. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in zwölf Fällen sowie Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten K. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in 14 Fällen sowie Beihilfe zur Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten M. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in 33 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten O. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind seine weitergehende Revision und die auf die Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen gestützten Revisionen der weiteren Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlossen sich die Angeklagten mit weiteren gesondert Verfolgten zusammen, um im Einzelnen noch ungewisse betrügerische Schlüsseldienstleistungen zu erbringen und sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Der Angeklagte S. organisierte die Taten, indem er über seine Internetseite und ein Call-Center mit wahrheitswidrigen Angaben Kunden akquirierte. Deren Aufträge leitete er jeweils an die einzelnen von ihm "angelernten" Mitangeklagten O. , K. und M. weiter, die als Monteure die Kunden vor Ort aufsuchten. S. teilte auch deren Zuständigkeitsbereiche ein und koordinierte ihr Vorgehen mit konkreten Handlungsanweisungen. Gegenüber den Kunden traten die Angeklagten unter falschen Personalien auf und veranlassten diese mit wahrheitswidrigen Behauptungen zur Zahlung massiv überhöhter Preise für unsachgemäße bzw. nicht erforderliche Arbeiten; die Rechnungen wurden auf Scheinfirmen ausgestellt, um Reklamationen zu vereiteln. S. suchte lediglich in einem Fall selbst den Kunden auf. Er rechnete wöchentlich mit den Mitangeklagten ab und erhielt 65 % ihrer Bruttoeinnahmen, von denen er wiederum 50 % an den übergeordneten "Chef" der Bande weiterleitete.
3In vier Fällen (A.III. Nr. 12., 13., 68. und 116. der Urteilsgründe) leitete der Angeklagte O. die Aufträge unentgeltlich an den Mitangeklagten K. weiter, der sodann die Kunden aufsuchte und sie durch Täuschung zu irrtumsbedingten Zahlungen nicht geschuldeter Entlohnungen veranlasste.
42. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte O. habe in den letztgenannten Fällen A.III. Nr. 12., 13., 68. und 116. der Urteilsgründe eine Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug geleistet, ist bezüglich der Gewerbsmäßigkeit durchgreifend rechtsfehlerhaft. Diese setzt stets ein eigennütziges Handeln voraus und damit einen vom Täter erstrebten Vermögenszufluss an sich selbst. Sie ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB; deshalb kann der Gehilfe nur dann nach § 263 Abs. 5, § 27 StGB verurteilt werden, wenn er selbst gewerbsmäßig handelte (vgl. , BGHR StGB § 28 Abs. 2 Merkmal 3 Rn. 28 ff.; Beschlüsse vom - 5 StR 413/18, NStZ 2019, 277; vom - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 f., jeweils mwN). Da der Angeklagte O. in den vorgenannten Fällen jedoch keinen eigenen Vorteil erlangte oder anstrebte, liegt jeweils nur eine Beihilfe zum Betrug unter Erfüllung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 2 StGB vor.
53. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte O. nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
64. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Das Landgericht hat den - hinsichtlich der Obergrenze mit § 263 Abs. 3 StGB identischen - Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB jeweils aufgrund geleisteter Aufklärungshilfe nach § 46b Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB sowie nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB und nochmals nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB - insoweit rechtsfehlerhaft, weil es die Gewerbsmäßigkeit als strafbegründendes Merkmal gewertet hat - gemildert. Bei der konkreten Strafzumessung hat es schließlich den Umstand der unentgeltlichen Weitergabe der Aufträge erneut zugunsten des Angeklagten berücksichtigt und jeweils Einzelstrafen von sieben Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung unter Anwendung der einschlägigen Sanktionsnormen auf noch niedrigere Strafen erkannt hätte.
75. Zur Revision des Angeklagten S. bemerkt der Senat ergänzend:
8Es beschwert den Angeklagten S. nicht, dass die Strafkammer 53 Einzelfälle, an denen er mitwirkte, zu einem "Organisationsdelikt" zusammengefasst und ihn lediglich wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in zwei Fällen verurteilt hat, obwohl er nach den getroffenen Feststellungen in jedem der ihm angelasteten 54 tatmehrheitlichen Einzelfälle im Rahmen des gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig mittäterschaftliche Tatbeiträge (§ 25 Abs. 2 StGB) erbrachte. Eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft (vgl. , BGHSt 40, 218; vom - 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270; Beschluss vom - 2 StR 384/07, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 36 Rn. 5), deren Voraussetzungen die Revision bezweifelt, hätte es daher hier nicht bedurft.
96. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Angesichts des geringen Erfolges der Revision des Angeklagten O. ist es nicht unbillig, auch ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:200421B3STR343.20.0
Fundstelle(n):
DAAAH-82927