Gemeinschaftsbezogene Zuwendung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft: Rückgewähranspruch des Zuwendenden nach Tod des Zuwendungsempfängers; Nichtberücksichtigung relevanter Beweisantritte als Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 286 Abs 1 BGB, § 313 BGB
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 3 U 248/19vorgehend LG Frankfurt Az: 2-13 O 201/17
Gründe
I.
1Die Klägerin lebte seit 2004 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit Herrn S., bevor dieser im Dezember 2015 unerwartet verstarb und von der Beklagten als seiner Schwester zu einem Viertel nach der gesetzlichen Erbfolge beerbt wurde. Mit der Klage hat die Klägerin unter anderem die Rückerstattung von 194.500 € verfolgt, die sie aus ihrem Vermögen zur Finanzierung von Grundstücken des Erblassers aufgebracht habe, und um die nun das Vermögen der Erbmasse erhöht sei.
2Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines im Jahr 2015 von der Klägerin erbrachten Teilbetrags von 112.000 € nebst Zinsen unter dem Vorbehalt einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass stattgegeben und sie wegen der übrigen, bereits in den Jahren 2004 bis 2008 geleisteten Zahlungen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Zurückweisung der klägerischen Berufung vollständig abgewiesen. Mit der Revision, deren Zulassung die Klägerin begeht, verfolgt sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
II.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.
41. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Mögliche Ausgleichsansprüche der Klägerin gemäß § 313 BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB setzten voraus, dass nicht freigiebige Schenkungen, sondern gemeinschaftsbezogene Zuwendungen vorlägen und diesen die Vorstellung zugrunde gelegen habe, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben. Weitere Voraussetzung sei, dass die Zuwendungen über dasjenige hinausgingen, was das tägliche Zusammenleben erst ermögliche, wie etwa die Erfüllung laufender Unterhaltsbedürfnisse für die gemeinsam benutzte Wohnung.
5Hinsichtlich des im Jahr 2015 gezahlten Betrags von 112.000 € könne abweichend von den Feststellungen des Landgerichts nicht die Angabe der Klägerin zugrunde gelegt werden, dass allein im Hinblick auf eine für Mai 2016 geplante Hochzeit auf jegliche Absicherung der Klägerin verzichtet worden sei. Es erschließe sich schon nicht, warum das Paar nach mehr als elf Jahren Zusammenlebens ohne Trauschein nun plötzlich habe heiraten wollen. Glaubwürdig sei auch nicht die Angabe der Klägerin, man habe wegen der bevorstehenden Hochzeit auf die Kosten einer Eigentumsumschreibung verzichtet, weil sie davon ausgegangen sei, dass mit der Eheschließung alles gemeinschaftliches Eigentum werde. Denn die Eheschließung ändere an den Eigentumsverhältnissen nichts und führe im Hinblick auf die streitgegenständliche Zahlung auch nicht zu irgendeiner Form der dinglichen Absicherung.
6Auch habe die Klägerin vorgetragen, die Lebenshaltungskosten der Lebensgemeinschaft seien von ihrem Privatkonto bestritten worden. Gehe man von der Richtigkeit dieses Vortrags aus, dann scheine sie in finanziellen Dingen gegenüber dem Erblasser insgesamt recht großzügig gewesen zu sein, was durchaus auch bedeuten könne, dass sich die Lebenspartner schlicht keine weiteren Gedanken gemacht und diesbezüglich keine Gespräche geführt hätten, so dass sich die von der Klägerin mitgeteilten Überlegungen allenfalls einseitig in ihrer Vorstellung befunden hätten und nicht das Ergebnis eines Kommunikationsvorgangs mit dem Erblasser gewesen seien.
7Auch ansonsten bestünden gewisse Zweifel am Wahrheitsgehalt des klägerischen Vorbringens, nachdem sie zunächst behauptet habe, Zins- und Tilgungsleistungen seien allein vom gemeinsamen Konto des Erblassers und der Klägerin erbracht worden, während sie inzwischen habe einräumen müssen, dass auch die Mutter des Erblassers 30.000 € beigetragen habe.
8Zur Begründung einer Ausgleichspflicht bei Tod des Zuwendungsempfängers müssten tatsächliche Feststellungen getroffen werden, wonach die Lebenspartner eine Abrede getroffen hätten, die einen Ausgleichsanspruch auch für den Fall des Todes des Erblassers begründen könnte. Eine solche Abrede habe die Klägerin aber nicht nachvollziehbar vorgetragen, zumal sie angegeben habe, mit dem Ableben ihres Lebensgefährten überhaupt nicht gerechnet zu haben.
92. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil es versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 67/19 - NJW-RR 2020, 392 Rn. 8 mwN).
10a) Das Oberlandesgericht hat sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Klägerin tragend auch darauf gestützt, dass ihre Angaben zur im Hinblick auf eine für 2016 gemeinsam beabsichtigte Eheschließung mit dem Erblasser unterlassenen dinglichen Absicherung der Zahlung nicht glaubhaft seien. Insoweit hat es sich anhand des Sachvortrags und der persönlichen Anhörung der Klägerin keine Überzeugung bilden können und den der Klägerin obliegenden Beweis damit als nicht geführt erachtet. Dabei hat es aber wesentliches Vorbringen der Klägerin übergangen.
11Die Würdigung der Angaben der Klägerin ist bereits mit Denkfehlern und Verstößen gegen Erfahrungssätze behaftet, wie etwa dem Vorhalt, nicht für die grundbuchmäßige Absicherung eines - vor dem Ableben gar nicht bestehenden - Anspruchs gesorgt zu haben, oder dem sachfremd angebrachten generellen Argwohn gegen eine Eheschließungsabsicht nach elf Jahren des Zusammenlebens. Abgesehen davon hätte das Oberlandesgericht die Behauptung der Klägerin jedenfalls nicht als unbewiesen behandeln dürfen, ohne die über ihre persönliche Anhörung hinaus noch angetretenen förmlichen Beweise vollständig zu erheben und zu würdigen.
12b) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Das gilt auch und insbesondere dann, wenn diese Nichtberücksichtigung auf vorweggenommener tatrichterlicher Beweiswürdigung beruht, also der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (Senatsbeschluss vom - XII ZR 54/16 - NJW-RR 2018, 74 Rn. 7 mwN).
13c) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
14Die Klägerin hatte bereits mit ihrer Klageschrift Beweis dafür, dass sie und der Erblasser ihre Eheschließung für das Frühjahr 2016 geplant hatten, angetreten durch Vernehmung dreier Zeugen, darunter ihr erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter. Im Rahmen ihrer Berufungserwiderung hat sie sich auf ihren Vortrag in der ersten Instanz einschließlich der dort angebotenen Beweise bezogen.
15Zwar musste das Landgericht den Zeugenbeweis nicht erheben, nachdem es seine Überzeugungsbildung bereits auf die Angaben der Klägerin allein gestützt hatte. Wollte jedoch das Oberlandesgericht abweichend davon den Beweis über die von der Klägerin aufgestellte Behauptung nicht bereits durch das Ergebnis ihrer persönlichen Anhörung als geführt ansehen, so musste es entweder die weiter angebotenen Zeugenbeweise zusätzlich erheben und würdigen oder - wenn es den über die innere Tatsache der Eheschließungsabsicht angetretenen Zeugenbeweis als nicht hinreichend mit beweiszugänglichen Indiztatsachen unterlegt ansah - die Klägerin darauf hinweisen. Indem es dies unterlassen hat, hat es das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.
163. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
17Unabhängig von der erneuten Klärung der Heiratsabsicht unter Ausschöpfung der angetretenen Beweise gibt die Zurückverweisung dem Oberlandesgericht Gelegenheit, die Frage eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) auch im Hinblick allein auf das Versterben des nichtehelichen Lebenspartners neu zu beurteilen.
18Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil entspricht es nicht der Senatsrechtsprechung, dass beim Tod des Zuwendungsempfängers eine Ausgleichpflicht davon abhinge, dass eine ausdrückliche Abrede der Lebenspartner festgestellt werden könne, die einen Ausgleichsanspruch auch für diesen Fall begründet. Einer solchen Abrede bedarf es nach der Rechtsprechung allein zur Begründung eines Ausgleichsanspruchs im Fall des Versterbens des Zuwendungsgebers, weil dessen Tod nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führt (Senatsurteil BGHZ 183, 242 = NJW 2010, 998 Rn. 26).
19Ohne gesonderte Abrede denkbar ist hingegen ein Anspruch unmittelbar aus § 313 BGB, wenn die Lebensgemeinschaft durch den Tod des Zuwendungsempfängers beendet worden ist. Denn in diesem Fall kann der Zuwendende nicht mehr an dem Vermögensgegenstand partizipieren (Senatsurteil BGHZ 183, 242 = NJW 2010, 998 Rn. 27). Das Oberlandesgericht wird daher auch insoweit Feststellungen über die Geschäftsgrundlage zu treffen haben.
20Der Senat macht von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:100321BXIIZR54.20.0
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2022 S. 154
KAAAH-82514