Nichtannahmebeschluss: Wegfall des Rechtsschutzinteresses in Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen "Berliner Mietendeckel" nach Ergehen einer Leitentscheidung des Senats (, 2 BvF 1/20 ua) - Anordnung der Auslagenerstattung
Gesetze: § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 11 Abs 2 MietBegrG BE
Instanzenzug: nachgehend Az: 1 BvR 515/20 Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren
Gründe
I.
11. Die Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen das am verkündete und am Folgetag in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom (GVBl <BE> S. 50), namentlich gegen das im dortigen Artikel 1 enthaltene Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) beziehungsweise gegen Teile hiervon.
22. Die Beschwerdeführenden sind - mit Ausnahme des Beschwerdeführers zu 1. im Verfahren 1 BvR 1088/20 - Vermieter von frei finanzierten und vor 2014 erstmals bezugsfertigen Wohnungen in Berlin. Sie machen geltend, durch das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein, weil weder das Land Berlin die erforderliche Gesetzgebungskompetenz besitze noch die Regelungen verhältnismäßig seien.
33. Die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 623/20, 1 BvR 1290/20 und 1 BvR 2046/20 haben ihre Verfassungsbeschwerden für erledigt erklärt.
II.
41. Die Verfassungsbeschwerden, mit Ausnahme der für erledigt erklärten, werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die hierfür nach § 93a Abs. 2 BVerfGG erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Sie haben weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführenden erforderlich, da sie wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sind.
5a) Das Bundesverfassungsgericht hat das mit den Verfassungsbeschwerden angegriffene Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin mit Beschluss vom (2 BvF 1/20 u.a.) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt, weil das Land nicht die Gesetzgebungskompetenz hierfür nach Art. 70 GG besitzt. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG).
6b) Für eine auf denselben Gegenstand zielende verfassungsgerichtliche Entscheidung besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 571/16 -, Rn. 17 f.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1494/16 -, Rn. 6).
72. Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
8a) Die Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführenden - mit Ausnahme des Beschwerdeführers zu 1. im Verfahren 1 BvR 1088/20 - entspricht der Billigkeit. Die maßgeblichen Rechtsfragen waren zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerden nicht geklärt und die Verfassungsbeschwerden hatten, wie aus dem u.a. - ersichtlich ist, Aussicht auf Erfolg.
9b) Allein die Tatsache, dass bereits zum Zeitpunkt der Erhebung einiger Verfassungsbeschwerden weitere Verfassungsbeschwerden erhoben waren, die sich gegen das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin richteten und zur Nichtigkeitserklärung dieser Vorschrift durch u.a. - führten, hat nicht die Versagung der Auslagenerstattung zur Folge.
10Zwar sind denjenigen, die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz einlegen, obwohl für sie erkennbar ist, dass bereits Verfassungsbeschwerden erhoben sind, die zur Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht führen werden, in der Regel die notwendigen Auslagen auch dann nicht zu erstatten, wenn sich aufgrund einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, dass ihre Verfassungsbeschwerde begründet war (vgl. BVerfGE 85, 117 <123, 125 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 790/12 -, Rn. 9 f.). Sind Beschwerdeführende aber mit einer Straf- oder wie hier erheblichen Bußgeldandrohung (vgl. § 11 Abs. 2 MietenWoG Bln) konfrontiert, sind sie indes nicht gehalten, darauf zu vertrauen, dass andere Normadressaten oder mittelbar von der Norm Betroffene die Straf- oder Ordnungswidrigkeitsvorschrift in einer den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise zur verfassungsrechtlichen Prüfung stellen, zumal sich diese Beurteilung hier den Erkenntnismöglichkeiten der Beschwerdeführenden entzog (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1494/16 -, Rn. 10).
11c) Dies gilt nicht für den Beschwerdeführer zu 1. im Verfahren 1 BvR 1088/20. Er ist selbst nicht Vermieter. Damit fehlt ihm die nötige unmittelbare und gegenwärtige Selbstbetroffenheit, die Voraussetzung dafür ist, eine Verfassungsbeschwerde zulässig erheben zu können (vgl. BVerfGE 1, 97 <101>; 40, 141 <156>; 60, 360 <370>; 72, 39 <43>; 79, 1 <13>; 143, 246 <321 Rn. 207>; stRspr.). Aufgrund der Übertragung des Nießbrauchs an dem Vermietungsobjekt auf die dortige Beschwerdeführerin zu 2. ist allein diese Vermieterin, vgl. §§ 1030 Abs. 1, 100, 99 Abs. 3, auch §§ 567, 567a in Verbindung mit § 566 BGB.
123. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
13Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2021:rk20210519.1bvr048720
Fundstelle(n):
NAAAH-82283