BGH Beschluss v. - 1 StR 99/20

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge; räumliche Nähe einer Schusswaffe; Einziehung von Bargeld für den Erwerb von Betäubungsmitteln

Gesetze: § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 73a StGB, § 74 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 150 Js 93/19 - 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat B.I. der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat B.II. der Urteilsgründe) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und von Munition (Tat B.III. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und eine Entscheidung über den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe getroffen. Schließlich hat es die Einziehung eines Bargeldbetrages in Höhe von 7.500 Euro angeordnet. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3a) Der Angeklagte überbrachte am 23./ dem anderweitig Verfolgten S.   500 Gramm Kokain zum Preis von 22.500 Euro im Auftrag eines unbekannten Verkäufers. Wie der Angeklagte wusste, beabsichtigte S.  das Kokain gewinnbringend weiterzuverkaufen (Tat B.I. der Urteilsgründe).

4b) Am verkaufte und übergab der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht weitere 100 Gramm Kokain an S.   für 6.000 Euro. Das Rauschgift hatte er zuvor für 4.500 Euro von einer unbekannt gebliebenen Person erworben. S.    verkaufte sodann im Zusammenwirken mit dem Angeklagten 223,5 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von über 90 % an einen Verdeckten Ermittler für 12.000 Euro. Das verkaufte Kokain setzte sich aus einer Teilmenge der vom Angeklagten dem anderweitig Verfolgten S.   tags zuvor überbrachten 500 Gramm und den vom Angeklagten erhaltenen 100 Gramm zusammen (Tat B.II. der Urteilsgründe).

5c) In der Wohnung seiner Lebensgefährtin in A.    bewahrte der Angeklagte 81,2 Gramm Amphetamin (nach Trocknung 40,7 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt rund 24 % Amphetaminbase), 38,8 Gramm MDMA (Wirkstoffgehalt von etwa 80 % MDMA-Base) und 44 Ecstasy-Tabletten (etwa 50 % MDMA-Base) sowie eine Feinwaage auf.

6In seiner eigenen, 60 qm großen Einzimmerwohnung in M.     wurden im Kühlschrank in der Küche 572,5 Gramm Amphetamin (nach Trocknung 275,1 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 23,7 % Amphetaminbase) und im Wohnzimmer 2,61 Gramm Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt von 80,7 % CHC) aufgefunden. Hiervon war jeweils die hälftige Menge zum Eigenkonsum, die andere Hälfte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Unmittelbar neben der Wohnungseingangstür befand sich im Scharnierbereich in einer Entfernung von etwa 1,36 Meter zum Küchenbereich - und etwa weitere 1,17 Meter zum Kühlschrank entfernt - ein hölzerner Baseballschläger. Im Wohnzimmerbereich befanden sich in einem Regal in einer Dose 1.500 Euro Bargeld und eine Feinwaage sowie Verpackungsmaterial unter dem Couchtisch. 2,7 Meter vom Couchtisch entfernt bewahrte der Angeklagte in einem leicht herausziehbaren, nach oben geöffneten Korbbehältnis eine mit geöffneter Folie und darin eingewickelt mit Küchenrolle und Gummiringen umwickelt in einer Mülltüte eine vollfunktionsfähige halbautomatische Kurzwaffe der Marke Browning 7,65 mm nebst eingeführtem Magazin mit sechs Patronen auf. Im Korb befanden sich zudem ein zur Schusswaffe passender Schalldämpfer sowie 3,3 Gramm Marihuana und 1,07 Gramm psilocybinhaltige Pilze. Vor dem Korbbehälter war ein Flachbildfernseher abgestellt, der ohne großen Zeitaufwand zur Seite geschoben werden konnte (Tat B.III. der Urteilsgründe).

72. Nach Wertung der Strafkammer diente die Schusswaffe dem Angeklagten zur Selbstverteidigung und zur Verteidigung seines Betäubungsmittelvorrates. Die Voraussetzungen eines Mitsichführens im Sinne des Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG lägen vor, weil der Angeklagte die Waffe bewusst gebrauchsbereit in einer Weise bei sich gehabt habe, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Aufwand hätte bedienen können. Nach Ansicht des Landgerichts würde es „maximal ca. 15 Sekunden“ dauern, die Waffe nach Herausziehen des Korbes unter Beseiteschieben des Flachbildschirmes, Entfernen der Mülltüte, Abnehmen der dünnen Gummibänder, Entfernen der Küchenrolle, Aufklappen der Plastikfolie und deren Durchladen schussbereit zur Verfügung zu haben.

II.

81. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts der Taten B.I. und B.II. der Urteilsgründe als tatmehrheitlich (§ 53 StGB) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind sämtliche Betätigungen im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes, die sich auf den Vertrieb einer (einheitlichen) Betäubungsmittelmenge beziehen, vom Tatbestand des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit verbunden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 641/19 Rn. 9 ff.; vom - 4 StR 553/19 Rn. 5 und vom - 3 StR 487/16 Rn. 4). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass die an den Verdeckten Ermittler vom Angeklagten und S.   veräußerten 223,5 Gramm Kokain zwar aus zwei unterschiedlichen Erwerbsvorgängen stammten, aber als zu einer Verkaufseinheit zusammengeführte Betäubungsmittelmenge von S.  und dem Angeklagten gewinnbringend weiterverkauft wurden und dementsprechend der Verkaufserlös unter ihnen anschließend aufgeteilt wurde. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte seinen Gewinn aus dem Betäubungsmittelgeschäft erst nach der Bezahlung des Kaufpreises durch den Verdeckten Ermittler und nicht schon zuvor von S.    erlangt.

10b) Demgemäß ist der Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der für die Taten B.I. und B.II. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen, des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und der Anordnung der Dauer des Vollwegvollzugs der Strafe vor der Maßregel.

112. Auch die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, Tat B.III. der Urteilsgründe) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

12a) Zwar hat das Landgericht seiner Bewertung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Danach liegt das Mitsichführen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vor, wenn der Täter diese bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Ein Tragen am Körper ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die Schusswaffe sich so in der räumlichen Nähe des Täters befindet, dass er sich ihrer jederzeit - also ohne nennenswerten Zeitaufwand und besondere Schwierigkeiten - bedienen kann. Dies kann zwar auch der Fall sein, wenn Betäubungsmittel und Waffe innerhalb derselben Wohnung in unterschiedlichen Räumen aufbewahrt werden. Das Tatgericht muss in einer solchen Konstellation allerdings die konkreten Umstände des Einzelfalls in einer Weise darlegen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung möglich ist, ob der Täter die Schusswaffe tatsächlich jederzeit verwenden kann (vgl. Rn. 11 ff. mwN; Beschlüsse vom - 3 StR 433/19 Rn. 15; vom - 1 StR 355/18 Rn. 3 und vom - 2 StR 203/10 Rn. 4 ff.). Dies gilt umso mehr, wenn - wie vorliegend - der sofortige Zugriff auf die Waffe nur nach Überwindung weiterer Hemmnisse möglich ist.

13b) Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Zwar hat das Landgericht die räumlichen Verhältnisse und den jeweiligen Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und der Schusswaffe konkret beschrieben. Der vom Landgericht gezogene Schluss, dass nach seiner Ansicht die Schusswaffe in „maximal ca. 15 Sekunden“ gebrauchsbereit zum Einsatz zur Verfügung gestanden hätte, ist jedoch nicht hinreichend belegt. Es hätte wegen der Eigentümlichkeiten des Aufbewahrungsortes und der mehrfachen Verpackung der Schusswaffe näherer Darlegung bedurft, ob die den Zugriff hindernden Umstände tatsächlich in der genannten Zeitspanne hätten überwunden werden können.

14c) Der Rechtsfehler führt insgesamt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall B.III. der Urteilsgründe, auch wenn die tateinheitlich verwirklichten Tatbestände des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des Besitzes einer halbautomatischen Waffe und Munition ohne Rechtsfehler festgestellt sind. Bis auf die Feststellungen zur aufgefundenen Schusswaffe nebst Munition sind die weiteren Urteilsfeststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden; diese bleiben daher bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können durch weitere Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen Bewertung im Fall B.III. der Urteilsgründe auch den am Scharnierbereich der Wohnungseingangstür abgestellten Baseballschläger mit Blick auf die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG einzubeziehen haben.

153. Die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs zieht auch die rechtsfehlerfrei angeordnete Maßregel nach § 64 StGB nach sich.

164. Die Einziehungsanordnung hat lediglich in Höhe eines Geldbetrages in Höhe von 6.000 Euro Bestand. In Höhe eines weiteren Geldbetrages von 1.500 Euro tragen die Feststellungen die Einziehungsentscheidung nicht.

17Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Die auf § 73a Abs. 1 StGB gestützte Einziehung eines im Wohnzimmer des Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages von 1.500 Euro (vgl. UA S. 9) begegnet durchgreifenden Bedenken.

Die Strafkammer hat im Hinblick auf den vorgenannten Geldbetrag - rechtsfehlerfrei - festgestellt, dass es sich hierbei entweder um Verkaufserlöse aus vergangenen oder um Geldmittel für zukünftige Betäubungsmittelgeschäfte gehandelt hat (UA S. 24 f.). Eine Einziehung als Tatertrag nach §§ 73 ff. StGB kommt indes nur für die - von der Kammer aber nicht als einzige Möglichkeit festgestellte - Variante in Betracht, dass vom Angeklagten vereinnahmte Erlöse eines Betäubungsmittelgeschäftes sichergestellt wurden (vgl. ). Soweit das Bargeld als Kaufgeld für den Erwerb von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten - entsprechend der zweiten festgestellten Variante - dienen sollte, liegen weder die Voraussetzungen einer Einziehung nach § 73a StGB noch nach § 74 Abs. 1 StGB vor.

Die zweite Sachverhaltsvariante zugrunde gelegt, hätte der Angeklagte das Bargeld weder durch eine andere rechtswidrige Tat noch für sie erlangt im Sinne von § 73a Abs. 1 StGB. Das verfahrensgegenständliche Bargeld war danach schon kein Tatertrag im Sinne von §§ 73 ff. StGB, sondern es sollte nach der Bestimmung des Angeklagten zur Begehung einer (neuen) Tat als Tatmittel gebraucht werden (vgl. zur Einziehung von Kaufgeld im Verfahren gegen den Käufer: Volkmer in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 33 Rn. 67 ff.). Die Einziehung von für den Erwerb von Betäubungsmitteln bestimmtes Geld als Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1, 2. Var. StGB kommt indes nur in Betracht, wenn der jeweilige konkrete Geldbetrag zur Durchführung weiterer Betäubungsmittelgeschäfte bestimmt war und diese Geschäfte wiederum Gegenstand der Anklage sind (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom - 1 StR 217/97, NStZ-RR 1997, 318; Volkmer, aaO, Rn. 69 mwN aus der Rspr.). Vorliegend hat die Kammer weder feststellen können, dass der Angeklagte das Bargeld nicht nur allgemein, sondern bereits für ein konkretes Betäubungsmittel bereitgestellt hat, noch war ein solches Geschäft Gegenstand des Verfahrens, so dass eine Einziehung auch nach § 74 Abs. 1 StGB ausscheidet.“

18Dem schließt sich der Senat an. Er hebt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO die Einziehungsanordnung in Höhe eines Betrages von 1.500 Euro auf und lässt die Einziehung insoweit antragsgemäß entfallen, weil auszuschließen ist, dass ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen treffen könnte, auf deren Grundlage eine Einziehung dieses Bargeldbetrages möglich wäre.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:230420B1STR99.20.0

Fundstelle(n):
UAAAH-82259