Wirksame Einspruchsrücknahme am Tag der Bekanntgabe der
verbösernden Einspruchsentscheidung außerhalb der Drei-Tages-Fiktion
Leitsatz
1. Aus teleologischen, gesetzessystematischen und verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus ist es geboten, § 362 Abs. 1 i.V.m.
§ 122 Abs. 2 AO so auszulegen, dass eine Rücknahme des Einspruchs zur Vermeidung einer verbösernden Einspruchsentscheidung
auch dann noch bis zum Ablauf des Bekanntgabetages wirksam ist, wenn der tatsächliche Zugang außerhalb der Drei-Tages-Frist
des § 122 Abs. 2 AO erfolgt.
2. Da die Verfahrensordnung ein Festhalten eines exakten Zugangszeitpunktes nicht vorsieht und dieses von den Beteiligten
daher in der Regel auch nicht vorgenommen wird, würde eine andere Auslegung im Übrigen letztlich immer darauf hinauslaufen,
dass im Konfliktfall eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Rücknahme mangels tatsächlicher Feststellungen zu einer Beweislastfrage
würde. Eine solche Gesetzesauslegung, die als Folge in der Rechtsanwendung nicht praktisch handhabbar ist und – abgesehen
von krassen Ausnahmefällen – in Konfliktfällen nur zu Beweislastentscheidungen führen kann, kann gerade auch angesichts des
Gesetzeszwecks des § 362 Abs. 1 AO nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): DStR-Aktuell 2022 S. 10 Nr. 12 DStRE 2022 S. 557 Nr. 9 EFG 2021 S. 1342 Nr. 16 NWB-Eilnachricht Nr. 28/2021 S. 2008 TAAAH-82109
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