Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Zäsurwirkung bei Tatbegehung zwischen zwei Vorverurteilungen
Gesetze: § 55 StGB
Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 3 KLs 20/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom festgesetzten Einzelstrafen nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Es hat des Weiteren die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Die Überprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge hat mit Ausnahme der Gesamtstrafenbildung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
3Diese erweist sich als rechtsfehlerhaft, denn aus den bisherigen Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vorgelegen haben.
4Der Angeklagte hat die hier abgeurteilte Tat zwischen zwei möglicherweise ihrerseits untereinander gesamtstrafenfähigen Vorverurteilungen begangen. Eine Gesamtstrafenfähigkeit der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom festgesetzten Geldstrafe und der durch das Landgericht einbezogenen Strafen aus dem Erkenntnis vom käme dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der letztgenannten Verurteilung der Strafbefehl vom bereits rechtskräftig und noch nicht vollstreckt gewesen wäre. Hierzu hat das Landgericht bislang keine Feststellungen getroffen.
5Sollten die beiden Vorverurteilungen gesamtstrafenfähig sein, wäre eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit der hier abgeurteilten Tat nicht möglich. Insoweit gilt: Wurde zwar die eine neue Strafe nach sich ziehende Tat vor einer rechtskräftigen Vorverurteilung begangen, lag dieser aber eine Tat zugrunde, die wiederum vor einer (nicht erledigten) vorausgegangenen Vorverurteilung begangen wurde, hat die zeitlich erste Entscheidung ihrerseits Zäsurwirkung, nicht hingegen die zweite. Das spätere Erkenntnis hat gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung; denn es wäre nicht ergangen, wenn mit dem früheren Erkenntnis die Taten aus beiden Entscheidungen geahndet worden wären (vgl. , juris Rn. 17 mwN).
6Durch die vom Landgericht vorgenommene nachträgliche Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe ist der Angeklagte beschwert, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Geldstrafen aus den Verurteilungen vom und zu einer Gesamtgeldstrafe zusammengeführt werden.
7Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht. Ergänzende Feststellungen sind möglich, dürfen den bisherigen jedoch nicht widersprechen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:130121B3STR444.20.0
Fundstelle(n):
NAAAH-80180