Überdenkungsverfahren zur Steuerberaterprüfung: Chancengleichheit
Unbeachtlichkeit von Fehlern bei Nichterreichen einer zur Zulassung zur mündlichen Prüfung berechtigenden Gesamtnote
Anschluss des Erstprüfers an den Zweitprüfer
kein Anspruch auf Mindestbestehensquote
keine Benachteiligung durch Vergabe von Kennnummern für Prüfungsarbeiten
Spezialisierung eines Steuerberaters für Berufung in Prüfungsausschuss nicht nötig
Leitsatz
1. § 24 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Steuerberatungsgesetz (DVStB) – Bewertung der Aufsichtsarbeit durch mindestens
zwei Prüfer – verstößt nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit oder gegen Art. 12 Abs 1 GG.
2. Bei einem Verfahrensfehler im außergerichtlichen Überdenkungsverfahren der Steuerberaterprüfung kann der Prüfling nur dann
die Aufhebung der negativen Prüfungsentscheidung verlangen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Fehler auf das
Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, er also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist. Fehler
bei der Vergabe von Wertungspunkten im Überdenkungsverfahren sind daher unerheblich, wenn sich auch bei richtiger Bepunktung
und ggf. einer besseren Note in einer oder mehreren Aufsichtsarbeiten eine Gesamtnote ergibt, die weiterhin über der – für
die Zulassung zur mündlichen Prüfung maßgeblichen – Schwelle von 4,5 liegt (vgl. Ausführungen zum prüferspezifischen Entscheidungsspielraum
sowie zum prüferischen Ermessen bei der Bepunktung; keine Verpflichtung zum einheitlichen Gebrauch der Korrekturbögen).
3. Wird dem Zweitkorrektor die Bewertung des Erstprüfers mitgeteilt (offenes Bewertungsverfahren), so kann aus der Tatsache,
dass der Zweitkorrektor sich der Bewertung des Erstkorrektors anschließt (z. B. durch bloßes Abhaken der Bewertungsschritte
des Erstkorrektors oder durch ein allgemeines („Einverstanden”) nicht gefolgert werden, er habe die Arbeit nicht selbständig
begutachtet. Selbst der Umstand, dass der Zweitkorrektor die eigens für seine Korrektur vorgesehene Spalte sowie einen Korrekturbogen
(teilweise) nicht ausfüllt, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine eigenständige Bewertung vorgenommen. Die Möglichkeit
des Zweitprüfers, sich der Meinung des Erstprüfers anzuschließen, gilt auch für das Überdenkungsverfahren; ein Anspruch auf
eine sogenannte verdeckte Bewertung der schriftlichen Steuerberaterprüfung im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren besteht
nicht (vgl. , EFG 2012 S. 1602).
4. Pauschal geltend gemachte formale Mängel (Durchfallquote, Prüfungsstoff) können nicht die Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit
der Steuerberaterprüfung begründen. Weder das Steuerberatungsgesetz noch Art. 3 Abs. 1 GG sehen eine Mindestbestehensquote
bei der Steuerberaterprüfung vor. Insbesondere verlangt der Grundsatz der Chancengleichheit nicht, dass der Schwierigkeitsgrad
einer Prüfung tatsächlich stets der gleiche ist oder dass stets eine in etwa gleiche Misserfolgsquote erzielt wird.
5. Wenn es schon nicht zu beanstanden ist, dass Aufsichtsarbeiten zur Steuerberaterprüfung nicht anonym, sondern mit Namensnennung
der Prüflinge geschrieben und bewertet werden (vgl. , EFG 2020 S. 938), ist umso
weniger ersichtlich, dass eine Anonymisierung der Prüfungsaufgaben mittels der Vergabe von Kennnummern den Prüfling benachteiligen
könnte.
6. Im Hinblick auf die Berufung eines Steuerberaters in den Prüfungsausschuss ist eine Spezialisierung auf konkrete Steuerrechtsgebiete
für Steuerberater weder vorgeschrieben noch erforderlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStR 2021 S. 2757 Nr. 47 DStRE 2022 S. 314 Nr. 5 EFG 2021 S. 1055 Nr. 12 OAAAH-80077
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