Schenkungsteuer - Zuwendung aus dem Vermögen eines Dritten
Leitsatz
1. NV: Eine freigebige Zuwendung erfordert eine Minderung der Vermögenssubstanz bei dem Zuwendenden.
2. NV: Die Entreicherung fehlt, wenn der Zuwendende veranlasst, dass ein Dritter dem Empfänger unmittelbar einen Vorteil gewährt, ohne an dem Vermögen des Dritten ein Recht oder gegenüber dem Dritten einen Anspruch zu haben.
Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1;
Instanzenzug: (EFG 2018, 1911),
Tatbestand
I.
1 Die mit dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) bekannte A war angestellte Buchhalterin. Im Zeitraum von September 2014 bis Februar 2015 gelang es ihr, von Konten ihres Arbeitgebers und konzernangehöriger Unternehmen Überweisungen zu veranlassen, für die es tatsächlich keine Geschäftsvorfälle gab. Das Geld wurde in der überwiegenden Zahl der Fälle unmittelbar auf Konten Dritter überwiesen, die der Kläger der A zuvor benannt hatte. In einem Fall kam es zu einer Überweisung in Höhe von 17.500 € auf ihr eigenes Konto. Sie übergab dem Kläger am das Geld in bar.
2 Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wollte A finanzielle Probleme des Klägers lösen, die einer Eheschließung mit dem Kläger entgegengestanden hätten. Er habe ihr versprochen, dass durch den späteren Verkauf eines Hauses Gelder frei würden, mit denen die Geldbeträge wieder zurückgeführt werden könnten.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ging davon aus, dass A dem Kläger die Geldbeträge geschenkt habe, und erließ am insgesamt 17 Schenkungsteuerbescheide über jeweils gesonderte freigebige Zuwendungen der A an den Kläger. In der Summe aller Bescheide setzte er unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 € Schenkungsteuer in Höhe von 61.620 € gegen den Kläger fest.
4 Der Einspruch und die auf Aufhebung aller Bescheide gerichtete Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des FG hat sich A die Geldbeträge rechtswidrig angeeignet und wie eigenes Vermögen über sie verfügt. Dies gelte nicht nur für den Fall, in dem sie sich das Geld auf ihr eigenes Konto hat überweisen lassen, sondern auch in den Fällen, in denen das Geld direkt auf Konten Dritter überwiesen wurde. Die Zuwendungen erfüllten auch den subjektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Insoweit genüge das Bewusstsein des Zuwendenden der Unentgeltlichkeit der Leistung. Die in Aussicht gestellte Eheschließung schließe die Unentgeltlichkeit nicht aus. Die versprochene Rückzahlung der Geldbeträge schließe im Verhältnis zu A die Unentgeltlichkeit ebenfalls nicht aus. Eine etwaige Rückzahlung der Geldbeträge wäre allenfalls dem Arbeitgeber der A zugutegekommen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1911 veröffentlicht.
5 Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Es fehle bereits an einer Bereicherung. Dafür hätte er über das zugewendete Geld im Verhältnis zu A tatsächlich und rechtlich frei verfügen können müssen. Er wäre dann jedoch zivilrechtlich zur Rückzahlung des Geldes an den Arbeitgeber der A verpflichtet gewesen. Es fehle auch an einer Entreicherung der A. Diese sei ausschließlich bei dem Arbeitgeber der A eingetreten. Dieser komme jedoch als Zuwendender nicht in Betracht. Im Übrigen liege ein Verfahrensverstoß vor, denn das FG habe es versäumt, die A als Zeugin dazu zu vernehmen, weshalb sie die Überweisungen veranlasst habe.
6 Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben.
7 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
8 Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung ist zwar erst am eingegangen, obwohl sie nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) spätestens einen Monat nach der am bewirkten Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) hätte eingehen müssen. Dem Kläger ist jedoch auf seinen Antrag vom hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 56 FGO) zu gewähren. Er hat anhand von Sendeberichten glaubhaft gemacht, dass er aufgrund technischer Probleme auf Seiten des BFH am ohne Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Revision durch Zusendung eines Telefaxes rechtzeitig einzuhalten. Sein Vortrag wird durch einen Telefonvermerk vom über ein Gespräch zwischen der Geschäftsstelle des II. Senats des BFH und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigt.
9 Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Sein schriftsätzlich gestellter Antrag ist zusammen mit seinem Antrag im Verfahren vor dem FG so auszulegen, dass er die Aufhebung der Vorentscheidung und aller Schenkungsteuerbescheide vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom begehrt.
III.
10 Die so verstandene Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
11 Die Überweisungen sind dem Grunde nach nicht schenkungsteuerpflichtig. Die Geldübergabe vom ist zumindest wegen Nichtüberschreitens des Freibetrags steuerfrei.
12 1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
13 a) Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit. Erforderlich ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten. Ob eine Bereicherung des Empfängers vorliegt und welche Personen als Zuwendender und als Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt sind, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage (vgl. , BFHE 246, 506, BStBl II 2015, 241, Rz 37, m.w.N., und vom - II R 33/19, BFH/NV 2021, 317, Rz 16, m.w.N.); dies gilt korrespondierend auch für die Entreicherung bei dem Leistenden. Die Vermögensverschiebung muss sich auf die Vermögenssubstanz (einschließlich der Überlassung eines Vermögensgegenstands zum Gebrauch oder zur Nutzung) beziehen. Die bloße Verminderung des Werts des Vermögens des „Schenkers“ genügt demgegenüber nicht (, BFHE 240, 287, BStBl II 2018, 656, Rz 16 bis 18, m.w.N.).
14 b) Wer veranlasst, dass ein Dritter dem Empfänger unmittelbar einen Vorteil gewährt, ohne an dem Vermögen des Dritten ein Recht oder gegenüber dem Dritten einen Anspruch zu haben, ist insoweit schenkungsteuerrechtlich nicht entreichert. Ein solcher Vorgang begründet zwischen dem Veranlassenden und dem Empfänger keine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dem Veranlassenden steht in einer solchen Konstellation weder eine dingliche Rechtsposition noch ein schuldrechtlicher Anspruch zu, der Gegenstand einer Vermögensverschiebung im vorbezeichneten Sinne sein könnte.
15 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine freigebige Zuwendung im Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Empfänger in Betracht kommt.
16 2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist und sich die Entscheidung auch nicht im Ergebnis als richtig erweist, ist sie aufzuheben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
17 a) Soweit es die Überweisungen betrifft, ist A nicht entreichert. Sie hatte eine direkte Überweisung von den Konten ihres Arbeitgebers und der konzernangehörigen Unternehmen veranlasst. Sie hatte diese Gelder zu keinem Zeitpunkt in ihr eigenes Vermögen überführt und hatte auch gegenüber den jeweiligen Kontoinhabern keine Geldleistungsansprüche, die mit den Überweisungen hätten erfüllt werden können.
18 Eine Zuwendung der geschädigten Firmen an den Kläger kommt ersichtlich mangels Zuwendungswillens nicht in Betracht.
19 b) Wie die Übergabe des Geldes vom —das sich zumindest im Besitz der A befand— schenkungsteuerrechtlich zu würdigen ist, kann dahinstehen. Das gilt auch für die Frage, ob bei dem Kläger eine Bereicherung eingetreten ist. Sollte insoweit eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen, wäre der steuerpflichtige Erwerb mangels Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) steuerfrei, da der steuerpflichtige Erwerb in Höhe von 17.500 € den Freibetrag in Höhe von 20.000 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) nicht übersteigt.
20 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:U.251120.IIR25.18.0- 2 -
Fundstelle(n):
HAAAH-79791