BGH Beschluss v. - XII ZB 430/20

Beschwerde in Unterbringungssache: Hilfsweise Feststellung der Unbegründetheit nach Verwerfung der Beschwerde als unzulässig

Leitsatz

Verwirft das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig und führt hilfsweise aus, dass die Beschwerde auch unbegründet sei, gelten diese Rechtsausführungen des Beschwerdegerichts und grundsätzlich auch seine dazu getroffenen Feststellungen als nicht geschrieben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 482/19, NJW-RR 2020, 1459).

Gesetze: § 58 FamFG

Instanzenzug: Az: 309 T 177/20vorgehend AG Hamburg-Bergedorf Az: 421 XVII 13/15

Gründe

I.

1Der Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung seiner geschlossenen Unterbringung sowie seiner Zwangsmedikation.

2Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom die geschlossene Unterbringung des Betroffenen in einer psychiatrischen Akutstation bis einschließlich sowie die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsmedikation für die Dauer von sechs zusammenhängenden Wochen mit näher bezeichneten Medikamenten genehmigt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben, hilfsweise eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht.

II.

3Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

4Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall einer - hier vorliegenden - Erledigung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 2/19 - FamRZ 2019, 1181 Rn. 6 mwN). Nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG ist der Feststellungsantrag auch im Übrigen zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 2/19 - FamRZ 2019, 1181 Rn. 7 mwN).

51. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beschwerde des Betroffenen vom sei gemäß § 68 Abs. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, da sie verfristet sei. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG sei nicht gewahrt, nachdem der Beschluss des Amtsgerichts ausweislich der Akten am an den Betroffenen abgesandt worden sei und damit gemäß § 15 Abs. 2 FamFG drei Tage nach Aufgabe zur Post, mithin am , als dem Betroffenen zugestellt gelte. Der Beschluss sei dem Betroffenen zudem noch am über den Faxanschluss der Klinikstation übermittelt worden.

62. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass der Beschluss des Amtsgerichts dem Betroffenen nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG hätte zugestellt werden müssen, weil er gemäß § 58 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar ist und dem erklärten Willen des Betroffenen nicht entspricht. Das Amtsgericht hat als Ergebnis der persönlichen Anhörung des Betroffenen ausdrücklich festgehalten, dass es in keiner Weise gelingen werde, den Betroffenen auf freiwilliger Basis zur Akzeptanz irgendeiner Medikation zu bewegen.

8Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt (Senatsbeschluss vom - XII ZB 491/14 - FamRZ 2015, 1374 Rn. 7 mwN).

9Eine etwaige Heilung der Zustellungsmängel gemäß §§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 189 ZPO kann vorliegend nicht angenommen werden. Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls wann der Betroffene den Beschluss des Amtsgerichts tatsächlich erhalten hat. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, der Beschluss des Amtsgerichts sei dem Betroffenen noch am über das Stationsfax der Klinik übermittelt worden, rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass sich dies aus dem Akteninhalt nicht ergibt. Das Amtsgericht hat zwar am verfügt, den Beschluss an den Betroffenen in der Klinikstation per Fax zu übermitteln. Zugleich sollte der Beschluss auch in Kurzform an die Station übermittelt werden. In Ausführung dieser Verfügung wurden am drei Seiten per Fax an die Klinikstation übermittelt. Dies kann schon deswegen nicht den Schluss rechtfertigen, der Beschluss sei dem Betroffenen in der Klinik übermittelt worden, weil der vollständige Beschluss vier Seiten umfasst.

10b) Soweit das Beschwerdegericht hilfsweise ausgeführt hat, dass die Beschwerde auch unbegründet sei, gelten diese Rechtsausführungen der angefochtenen Entscheidung und grundsätzlich auch die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als nicht geschrieben (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 482/19 - NJW-RR 2020, 1459 Rn. 13 mwN). In diesen Fällen darf das Rechtsbeschwerdegericht von der grundsätzlich gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung nur absehen und in der Sache entscheiden, wenn die Beschwerdeentscheidung einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und wenn bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint (vgl. - NJW 2018, 2269 Rn. 20). Dies wird unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie etwa für den Fall angenommen, dass die maßgeblichen Tatsachen zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beschwerdegericht vollständig festgestellt sind und das Beschwerdegericht die Prozessabweisung auf diese Tatsachen gestützt hat (sogenannte doppelt relevante Tatsachen; vgl. BGHZ 216, 83 = NJW-RR 2018, 719 Rn. 43 ff. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben.

113. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:240321BXIIZB430.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 721 Nr. 12
RAAAH-79419