BGH Beschluss v. - 5 StR 123/20

Revisionsverfahren: Anforderungen an einer Verfahrensrüge wegen eines Beweisverwertungsverbots

Gesetze: § 344 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Dresden Az: 423 Js 38026/18

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten u.a. wegen zahlreicher Fälle des schweren Bandendiebstahls verurteilt. Gegen den Angeklagten G.        hat es - unter Einbeziehung von früher verhängten Strafen und Aufrechterhaltung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis - eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, gegen die Angeklagten C.      und S.      solche von vier Jahren und neun Monaten (C.      ) und vier Jahren (S.     ) verhängt. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Senat hat das Verfahren gegen den Angeklagten G.       mit Zustimmung des Generalbundesanwalts in den Fällen 12, 20, 28, 36, 38 und 70 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Dies bedingt eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs und führt zum Wegfall der in diesen Fällen verhängten Strafen.

32. Die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen 41 bis 44 sowie 62 und 63 als jeweils selbständige Taten des schweren Bandendiebstahls hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

4Nach den Urteilsfeststellungen entwendeten die Angeklagten im Rahmen zweier ihrer bandenmäßigen Diebestouren nahezu zeitgleich Waren in vier verschiedenen Geschäften eines Einkaufszentrums (Fälle 41 bis 44) und aus zwei nebeneinanderliegenden Läden einer Geschäftszeile (Fälle 62 und 63). Angesichts des unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der auf einem gemeinsamen Entschluss beruhenden Tathandlungen stellen sich die Fälle 41 bis 44 sowie die Fälle 62 und 63 rechtlich jeweils als ein schwerer Bandendiebstahl dar (vgl. , NStZ-RR 2016, 274, 275).

5Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab, wobei er aus Gründen der Übersichtlichkeit davon absieht, die jeweils mehrfache tateinheitliche Verwirklichung des § 244a Abs. 1 StGB zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, aaO). § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

63. Infolgedessen entfallen die in den Fällen 42, 43, 44 und 63 festgesetzten Einzelstrafen. Für die beiden einheitlichen Geschehen setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die im Fall 41 verhängte Strafe von zwei Jahren und die im Fall 62 bestimmte Strafe von einem Jahr und sechs Monaten fest.

74. Die Gesamtfreiheitsstrafen haben trotz des Wegfalls der in den nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Betrugsfällen gegen den Angeklagten G.      und in den genannten Diebstahlsfällen gegen alle Angeklagten verhängten Strafen Bestand. Angesichts der Vielzahl der verbleibenden Freiheitsstrafen schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.

85. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:

9a) Die von den Angeklagten G.        und S.     erhobenen Rügen der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO sind bereits unzulässig, da die Beschwerdeführer die in der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden der Strafkammer zu den Befangenheitsanträgen in Bezug genommenen mehrseitigen Widersprüche, Anträge und Stellungnahmen des Verteidigers des Angeklagten S.     entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt haben. Sie wären auch unbegründet, weil - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die Befangenheitsanträge zu Recht zurückgewiesen worden sind.

10b) Soweit die Angeklagten C.        und S.      die Verwertung von Erkenntnissen aus angeblich rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen (insbesondere aus polizeilichen Observationen und der Verwendung eines GPS-Peilsenders am 9. und ) rügen, die in ihrer Gesamtschau zudem zu einer „rechtsstaatswidrigen Totalüberwachung“ geführt hätten, entspricht ihr Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

11Nach dieser Vorschrift muss jeder Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darlegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Wird - wie hier - das Beweisverwertungsverbot darauf gestützt, dass Beweismittel mangels Anordnungsvoraussetzung oder Anordnungskompetenz erlangt worden seien, wird also die Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung konkret in Zweifel gezogen, sind nicht nur die in der Hauptverhandlung hierzu gestellten Anträge und Beschlüsse vollständig und zutreffend mitzuteilen. Vielmehr ist regelmäßig auch die Verdachts- und Beweislage, die im Zeitpunkt der beanstandeten Beweisgewinnung gegeben war, anhand der Aktenlage zu rekonstruieren und mitzuteilen. Denn erst auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots umfassend beurteilen (st. Rspr., vgl. , BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 12 mwN).

12Dem werden die Beschwerdeführer nicht gerecht.

13Der Angeklagte C.      unterlässt es bereits, die aktenkundigen Berichte über die betreffenden („kurzfristigen“) Observationen und weitere diese Ermittlungsmaßnahmen betreffende Unterlagen mitzuteilen. In den Revisionsbegründungen beider Beschwerdeführer fehlen eine gegen den Mitangeklagten G.       gerichtete Strafanzeige vom und ein damit im Zusammenhang stehender Sachstandsbericht vom Vortag, obwohl die gegen G.       geführten Ermittlungen zu dem Verdacht einer Tatbeteiligung der Beschwerdeführer geführt hatten. Zudem teilen sie die polizeiliche Anregung vom auf Anordnung einer auch gegen sie gerichteten längerfristigen Observation nicht mit, ausweislich derer den Strafverfolgungsbehörden die Identität der Beschwerdeführer bei der Observation am nicht bekannt war. Ohne Kenntnis des Inhalts dieser Unterlagen kann der Senat indes nicht prüfen, ob es sich bei den betreffenden Observationen um Maßnahmen nach § 163f Abs. 1 StPO handelte, für die es gemäß § 163f Abs. 3 Satz 1 StPO grundsätzlich einer richterlichen Anordnung bedarf, oder jeweils um eine nicht unter dem Richtervorbehalt stehende kurzfristige Observation (vgl. hierzu Rn. 50 [zu § 163f StPO aF]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 163f Rn. 1).

14Darüber hinaus mangelt es an der Mitteilung der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Gegenerklärung vorgelegten Anordnung über die Anbringung eines Peilsenders nach § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO vom an dem Pkw des Mitangeklagten G.      , der zum einen in den hier betreffenden Diebstahlsfällen, aber - ausweislich der Strafanzeige vom und des damit zusammenhängenden Sachstandsberichts - auch schon zuvor von G.        und dem gesondert Verfolgten M.      als Tatfahrzeug genutzt wurde. Ohne Kenntnis vom Inhalt der Strafanzeige, des Sachstandsberichts und der Anordnung kann aber nicht überprüft werden, ob die Anbringung des Peilsenders am Pkw des - in der Anordnung nicht genannten - Mitangeklagten G.       nach § 100h Abs. 2 StPO zulässig war.

15Soweit der Angeklagte S.     rügt, die Anbringung einer polizeilichen Überwachungskamera mit Zustimmung einer Mitarbeiterin der betreffenden Rossmann-Filiale sei rechtswidrig, weil sie ohne Einwilligung der Geschäftsführung der Rossmann GmbH angebracht worden sei, ist die Rüge unzulässig. Denn der Beschwerdeführer teilt keine Unterlagen mit, aus denen sich die Regelungen zum Hausrecht und damit zusammenhängender Befugnisse für die einzelnen Filialen ergeben. Ungeachtet dessen beruht das Urteil nicht auf der behaupteten Rechtsverletzung (§ 337 Abs. 1 StPO), weil sich die Strafkammer bei ihrer Überzeugungsbildung insoweit maßgeblich auf die Aussage einer Mitarbeiterin der betreffenden Filiale und Observationserkenntnisse gestützt hat.

16Eine von den Beschwerdeführern behauptete unzulässige „Totalüberwachung“ liegt hier aber auch in der Sache fern (vgl. , BGHSt 54, 69, 102 ff.).

174. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs ihrer Revisionen ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführern die gesamten Kosten ihrer jeweiligen Rechtsmittel aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO); ausgenommen bleiben die die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Angeklagten G.       nach § 154 Abs. 2 StPO betreffenden Kosten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:290920B5STR123.20.0

Fundstelle(n):
TAAAH-79197