Seiner Satzung nach dem Gesundheitswesen, der Gesundheitspflege und der Förderung des demokratischen Staatswesens dienender
Verein bei politisch motivierter, zielgerichtet einseitiger öffentlicher Positionierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie
nicht mehr gemeinnützig
Leitsatz
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Die tatsächliche Geschäftsführung eines Vereins, der nach seiner Satzung die
gemeinnützigen Zwecke der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesen und der öffentlichen Gesundheitspflege (§ 52 Abs. 2
Nr. 3 AO) und der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO) verfolgt, ist nicht mehr auf
die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet, wenn er mit Aufforderungen an die
Regierungen in den politischen Wettstreit um die zutreffende Strategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie tritt, ohne sich
auf sachliche Kritik an aus seiner Sicht negativen gesundheitlichen Folgen durch einzelne Pandemiemaßnahmen zu beschränken
und er mit Maßnahmen gezielt auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen will, ohne eine Diskussion über politische
Fragen in „geistiger Offenheit” anzustreben.
2. Unter die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere die Verhütung
und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) fallen alle Tätigkeiten, die der Gesundheit der
Bürger dienen, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten.
3. Von der Förderung der Allgemeinheit regelmäßig nicht erfasst ist die Verfolgung politischer Zwecke. Daher darf weder ein
politischer Zweck als alleiniger und ausschließlicher oder als überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt
sein noch die Vereinigung mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck
verfolgen. Die Tätigkeit der Körperschaft darf weder unmittelbar noch allein auf das politische Geschehen und die staatliche
Willensbildung gerichtet sein; unter Berücksichtigung der Definitionen des Parteiengesetz (PartG) gehören somit weder die
Einflussnahme auf die „politische Willensbildung” (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Einflussnahme auf die „Gestaltung der öffentlichen
Meinung” (§ 1 Abs. 2 PartG) zur Förderung der Allgemeinheit im Sinne von § 52 AO.
4. Nicht jede Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ist gemeinnützigkeitsrechtlich schädlich.
Zur Förderung der Allgemeinheit gehört die kritische öffentliche Information und Diskussion dann, wenn ein nach § 52 Abs.
2 AO begünstigtes Anliegen der Öffentlichkeit und auch Politikern nahegebracht werden soll. Die dienende und damit ergänzende
Einwirkung auf die politische Willensbildung muss aber gegenüber der unmittelbaren Förderung des steuerbegünstigten Zwecks
in den Hintergrund treten, die Tagespolitik darf nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft stehen.
5. Gehören zu den im Internetauftritt genannten Mitgliedern eines Vereins in der Mehrzahl im medizinischen Bereich tätige
Personen, darunter einige Ärzte, sowie mehrere Hochschulprofessoren unterschiedlicher Fachrichtungen, und vertritt der Verein
in öffentlichen Stellungnahmen zu geeigneten Maßnahmen gegen Corona von den Positionen der Bundesregierung und der Landesregierungen
abweichende Auffassungen (z. B. Kritik an Maskenpflicht, an der Verwendung von Desinfektionsmitteln, Warnung vor Impflicht),
ist das für sich genommen nicht gemeinnützlichkeitsschädlich. Der Verein überschreitet aber durch formulierten politische
Forderungen im Zusammenhang mit den verhängten Coronamaßnahmen (z. B. Aufforderung an die Bundesregierung und alle Landesregierungen
zur sofortigen Aufhebung aller verhängten Maßnahme; Forderung nach Einrichtung eines Untersuchungsausschusses; Hinweis auf
das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht, Art. 20 Abs. 4 GG) die Grenzen einer gemeinnützigen Zweckverfolgung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2021 S. 917 Nr. 11 NWB-Eilnachricht Nr. 30/2021 S. 2168 VAAAH-78706
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