Strafverurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.: Eigennütziges Bemühen zur Tilgung von Schulden
Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG
Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 1 KLs 7/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1), Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigem Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Taten II. 4a und 5), davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 5) und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Taten II. 6 und 7), davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 7) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Schuldspruchänderung und hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch ist in den Fällen II. 4a und 5 abzuändern. Insoweit vermag der Senat dem Antrag des Generalbundesanwalts, den Schuldspruch in beiden Fällen dahingehend zu ändern, dass der Angeklagte nur des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, nicht zu folgen.
3a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte gemeinsam mit B. und C. in einer Immobilie eine auf Dauer angelegte Marihuana-Plantage mit mehreren Pflanzflächen. Im April 2019 erfolgte die Ernte von 20 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 16,6 %, wovon jeweils 10 kg dem Angeklagten und B. zustehen sollten. Allerdings war zwischen dem Angeklagten und C. vereinbart, dass der Angeklagte seinen gesamten Ernteanteil C. überlassen sollte, um seine bei C. bestehenden Schulden zu tilgen. Dennoch zweigte der Angeklagte aus seinem Ernteanteil 992,35 Gramm zum eigenen gewinnbringenden Weiterverkauf ab. Den restlichen Anteil überließ er absprachegemäß C. , der das Betäubungsmittel ebenso wie B. gewinnbringend verkaufte (Fall II. 4a). Aus einer seit Frühjahr 2019 betriebenen Pflanzfläche erwarteten sie eine weitere Ernte von 15.625 Gramm Marihuana mit demselben Wirkstoffgehalt. Die Verteilung - einschließlich der Überlassung des dem Angeklagten zustehenden Ernteanteils an C. zur Schuldentilgung - und der Weiterverkauf waren wie in Fall II. 4a geplant, ohne dass allerdings der Angeklagte selbst Marihuana zum eigenen Verkauf entnehmen wollte. Die Plantage wurde vor der Ernte von der Polizei entdeckt (Fall II. 5).
4b) In Bezug auf den jeweiligen Ernteanteil des B. ist das Landgericht in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Insoweit ist sein Tatbeitrag beim Anbau lediglich als Beihilfe zum Bandenhandel des B. zu bewerten, da es an einem eigennützigen Handeln des Angeklagten in Bezug auf diese Anbaumenge fehlte. Dem vom Angeklagten täterschaftlich begangenen bandenmäßigen Anbau kommt deshalb hinsichtlich des auf B. entfallenden Ernteertrags ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass beide Delikte in Tateinheit stehen (vgl. , NStZ-RR 2019, 218).
5c) Das Landgericht hat indes - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - übersehen, dass sich der Angeklagte durch die zugesagte Überlassung seines Ernteanteils an C. in beiden Fällen - in weiterer Tateinheit - des täterschaftlichen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG schuldig gemacht hat.
6Handeltreiben erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell bessergestellt wird ( ‒ 5 StR 153/86, BGHSt 34, 124, 126; ‒ 3 StR 299/92, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34 mwN). Die Tilgung von Schulden im Zuge des Umgangs mit Betäubungsmitteln stellt eine Eigennützigkeit in diesem Sinne dar ().
7Hieran gemessen liegt nach den Feststellungen eine täterschaftliche Begehung des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für die jeweilige Anbaumenge vor, die der Angeklagte abredegemäß an C. zur Tilgung seiner Schulden weitergeben sollte, da er bereits durch die Überlassung der Betäubungsmittel an C. unmittelbar einen persönlichen Vorteil erlangte bzw. erlangen sollte. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass er an dem Verkaufserlös des C. nicht beteiligt war. Vom bandenmäßigen Handeltreiben erfasst ist daher auch die in Fall II. 4a für den eigenen Verkauf später abgezweigte Erntemenge, da sie ebenfalls zu Beginn des Anbaus dazu bestimmt war, an C. zur Schuldentilgung übergeben zu werden.
8Der täterschaftliche bandenmäßige Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt hinsichtlich dieser Anbaumenge hinter dem täterschaftlich begangenen bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (vgl. , NStZ 2012, 514).
9d) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. ). § 265 StPO steht ebenfalls nicht entgegen, da sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
10Der Schuldspruchänderung im Beschlusswege steht auch der auf eine Verurteilung nur wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gerichtete Abänderungsantrag des Generalbundesanwalts nicht entgegen, da dieser im Ergebnis die Verwerfung der Revision durch Beschluss des Revisionsgerichts erstrebt (vgl. ; Beschluss vom - 2 StR 346/93). Denn ungeachtet der Bezugnahme auf § 349 Abs. 4 StPO war der Antrag nicht auf eine Abänderung zugunsten des Angeklagten gerichtet, da der Generalbundesanwalt dem Angeklagten die gesamte angebaute Betäubungsmittelmenge als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurechnen will.
112. Der Strafausspruch hält in den Fällen II. 4a und 7 der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Landgericht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen hat.
12a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Er allein ist auf Grund des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, in der Lage, die für die Strafzumessung bestimmenden entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 34, 345, 349).
13b) Diesen Anforderungen wird der Strafausspruch nicht in jeder Hinsicht gerecht. Das Landgericht hat in den Fällen II. 4a und 7 gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, indem es zu Lasten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt hat, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt sind. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln erfasst jedoch typischerweise deren Verkauf an andere Personen ( ‒ 2 StR 403/03, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 5) und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten ( ‒ 3 StR 97/17, juris Rn. 11).
14c) Der Strafausspruch beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafhöhe zulasten des Angeklagten durch die strafschärfende Berücksichtigung des genannten Umstands beeinflusst worden ist.
153. Aufgrund der Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 4a und 7 erstreckt der Senat mit Blick auf den engen zeitlichen und situativen Zusammenhang der Taten die Aufhebung des Strafausspruchs auch auf die Taten II. 5 und 6, um dem neuen Tatrichter eine ausgewogene Strafzumessung zu ermöglichen. Der Gesamtstrafe und der Anordnung des Vorwegvollzugs der Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 2 StGB sind durch die Aufhebung der genannten Einzelstrafen die Grundlage entzogen.
164. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt auch für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Sie ist von der Teilaufhebung nicht betroffen.
175. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, den Umstand, dass sich die Taten II. 4a, 5, 6 und 7 auf eine weiche Droge beziehen, bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die im Rahmen der Bemessung der Gesamtstrafe erfolgte strafschärfende Berücksichtigung des hohen gemeinschädlichen Potentials, „durch welches die Volksgesundheit in erheblichem Maße gefährdet wurde“, vor dem Hintergrund des Doppelverwertungsverbots gemäß § 46 Abs. 3 StGB ebenfalls rechtlich bedenklich ist, da sich diese Erwägungen mit den Überlegungen decken, die den Gesetzgeber veranlasst haben, solche Taten überhaupt unter die Strafandrohung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu stellen (vgl. ‒ 3 StR 48/08, Rn. 6).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:120121B4STR411.20.0
Fundstelle(n):
JAAAH-77991