Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: Beschwer nach Abweisung vorn Feststellungsanträgen wegen mehrfacher Sperre eines Facebook-Kontos
Gesetze: § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 23 Abs 3 S 2 RVG, § 52 Abs 2 GKG, Art 5 Abs 1 S 1 GG
Instanzenzug: Az: 15 U 62/19vorgehend LG Mosbach Az: 1 O 110/18 Urteil
Gründe
I.
1Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem zwischen den Parteien im Hinblick auf die von der Beklagten betriebene Social Media-Plattform "F. " bestehenden Nutzungsverhältnis geltend.
2Er unterhält bei F. ein Nutzerkonto und nimmt die hierzu von der Beklagten angebotenen Dienste in Anspruch. Im April 2017 entfernte die Beklagte Kommentare des Klägers und sperrte sein Profil einmal für 24 Stunden und einmal für drei Tage, im Mai 2017 für sieben Tage.
3Im Juli 2017 äußerte der Kläger in Verbindung mit einem Artikel der Zeitung "W. ", der eine positive Einstellung des B. gegenüber muslimischen Zuwanderern widerspiegelte:
"Offensichtlich haben die Politiker nicht mehr alle Latten am Zaun. Die Musels verbreiten weltweiten Terror und von denen sollen wir laut Aussage des Herrn S. lernen können? UNFASSBAR!!!"
4Daraufhin entfernte die Beklagte den Beitrag und sperrte dem Kläger für 30 Tage die Möglichkeit, Beiträge zu schreiben, zu kommentieren und sich auf anderen Plattformen anzumelden (sog. "read-only"-Modus).
5Zu einem Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahmestelle E. im Zusammenhang mit dem Versuch, einen Flüchtling abzuschieben, verfasste der Kläger im Mai 2018 auf der Plattform folgenden Beitrag:
"Ich frage mich; Wie lange wollen unsere Politiker noch blöde rum quatschen und diese kriminellen Verbrecher auf Steuerzahlerkosten im Land durchfüttern???????????????? Wenn ich mich als Deutscher so benehme, habe ich einen Eintrag in der Akte und vermutlich den Staatsschutz am Hals wegen Landfriedensbruch! - Statt den Abschaum abzuschieben, wird er nur in eine andere Unterkunft verlegt! Was für eine harte Strafe - Die lachen sich doch kaputt!!"
6Diesen Kommentar entfernte die Beklagte am und sperrte wiederum die Kommentierungsfunktion des Klägers für 30 Tage.
7Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die vorgenannten fünf Sperrungen rechtswidrig waren (Berufungsanträge zu 2, 4, 5, 6 und 7). Er verlangt die erneute Freischaltung der vorgenannten gelöschten Beiträge aus Juli 2017 und Mai 2018 (Berufungsanträge zu 3 und 8), die Unterlassung, diese Beiträge erneut zu löschen und sein Konto wieder zu sperren (Berufungsanträge zu 9 und 10), Auskunft, ob die Sperren durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt seien und ob die Bundesregierung oder nachgeordnete Dienststellen auf die Löschung von Beiträgen oder Sperrung von Nutzern eingewirkt hätten (Berufungsanträge zu 11 und 12), die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.550 € (Berufungsantrag zu 13) und die Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 14). Hilfsweise begehrt er die Berichtigung seiner Daten durch die Beklagte dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch die am und gelöschten Beiträge aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um jeweils einen Verstoß zurückgesetzt wird (Berufungsantrag zu 15).
8Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - die Beklagte verurteilt, den am gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des vorstehend genannten Textes auf www.f. .com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen und den Kläger von Ansprüchen der Kanzlei R. i.H.v. 136,73 € freizustellen. Ferner hat es ausgesprochen, die Beklagte dürfe bei künftigen Maßnahmen bezüglich des Benutzerkontos des Klägers auf www.f. .com nicht zugrunde legen, dass er am gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen habe.
9Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger seine Berufung weiter, soweit sie vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden ist.
II.
10Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
111. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem die Wertgrenze von 20.000 € übersteigenden Umfang erreichen will. Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Senat, Beschlüsse vom - III ZR 580/16, BeckRS 2017, 128871 Rn. 5 und vom - III ZR 445/16, BeckRS 2017, 121625 Rn. 5; , BeckRS 2017, 100946 Rn. 5; jeweils mwN). Das Revisionsgericht ist dabei an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht gebunden (z.B. Senat, Beschluss vom aaO; aaO; jeweils mwN).
122. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil in Höhe von 11.000 € beschwert.
13a) Hinsichtlich der Berufungsanträge zu 2 und 4 bis 7 (Rechtswidrigkeit der Kontosperren) ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nur für einen begrenzten Zeitraum und nur an einer aktiven Nutzung seines Kontos gehindert war. Die Kenntnisnahme von dessen Inhalten war ihm hingegen durchgehend möglich (so zu ähnlichen Sachverhalten Senat, Beschluss vom - III ZR 124/20, zur Veröffentlichung bestimmt; OLG Frankfurt a.M., ZUM-RD 2019, 6, 7 und OLG Koblenz, MMR 2019, 625 Rn. 18). Der Kläger konnte weiterhin über andere Medienarten kommunizieren wie zum Beispiel über E-Mails und andere Plattformen, soweit er dort nicht mit seinem F. -Konto registriert war. Andererseits sind die Marktmacht, die Reichweite und der potenzielle Empfängerkreis von F. erheblich (vgl. Senat, Beschluss vom ; OLG Dresden, GRUR-RR 2019, 408 Rn. 4; Haertel/Thonke, GRUR-Prax 2020, 75, 76 f; BeckOK ZPO/Wendtland, § 3 Rn. 18 [Stand: ]). Das von der Beklagten betriebene Netzwerk kann daher nicht einschränkungslos durch andere Kommunikationsformen ersetzt werden.
14Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte ist nach Auffassung des Senats ein Klageantrag, der sich gegen eine 30tägige (Teil-)Sperre eines F. -Benutzerkontos richtet, mit einer Beschwer von nicht mehr als 2.500 € zu bewerten (Senat, Beschluss vom ). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit und mangelnden genügenden Anhaltspunkten für ein höheres oder geringeres Interesse von einem Wert von 5.000 € auszugehen (, WM 2016, 96 Rn. 13; vgl. auch § 52 Abs. 2 GKG: Streitwert von 5.000 € bei fehlenden Anhaltspunkten für die Bestimmung des Streitwerts). Die zeitliche und inhaltliche Begrenzung der Sperre ergeben jedoch deutliche Anhaltspunkte für eine geringere Beschwer. Auch darf das Gesamtgefüge der Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstände nicht aus den Augen verloren werden (vgl. Senat, Beschluss vom ; so auch OLG Frankfurt a.M. aaO S. 8). Daraus ergibt sich für die hier verhängte 30tägige Kontosperre jedenfalls kein höherer Wert als 2.500 €.
15Bei längerer oder mehrfacher Sperre des Benutzerkontos kann dieser Betrag nicht einfach mit der Anzahl der von einer Sperre (oder mehreren Sperren) betroffenen Monate multipliziert werden. Denn auf diesem Wege entstünden Werte, die erkennbar das Interesse des betroffenen Nutzers und die Bedeutung der Sache überstiegen (Bsp.: 30.000 € bei einjähriger Kontosperre). Vielmehr ist auch bei mehreren Kontosperren von dem vorgenannten Betrag von 2.500 € auszugehen und dieser moderat zu erhöhen, wenn die Sperren - wie hier - innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erfolgen. Vorliegend erscheint bei einer insgesamt 71tägigen Kontosperre innerhalb eines 14monatigen Zeitraums ein - im Verhältnis zu einer einmaligen Sperre erhöhter - Wert von 4.000 € angemessen, um dem Interesse des Klägers hinreichend Rechnung zu tragen. Hiervon ist, da es sich (nur) um Feststellungsanträge handelt, ein Abschlag von 20 % vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom mwN). Denn es handelt sich nicht um die Untersagung einer gegenwärtigen oder künftigen Sperre, sondern lediglich um die Feststellung der Rechtswidrigkeit von in der Vergangenheit liegenden, beendeten Sperren. Auf diese Weise ergibt sich für die Berufungsanträge zu 2 und 4 bis 7 eine Beschwer von insgesamt 3.200 €.
16b) Hinsichtlich des Berufungsantrags zu 8 ist bei der Bemessung der Beschwer zwar zu berücksichtigen, dass der im Juli 2017 gelöschte Beitrag vom Schutzbereich der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit erfasst wird (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. Senat, Beschluss vom ; BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 69/14, juris Rn. 11 und vom - VI ZB 29/14, CR 2015, 250 Rn. 11). Indes betrifft die Löschung vorliegend nur eine einzige spontane und kurze Äußerung auf einer Internet-Plattform (ähnlich Senat, Beschluss vom ; OLG Frankfurt a.M. aaO S. 8 und OLG Koblenz aaO Rn. 18). Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers gering zu bewerten und erscheint - neben dem separat angesetzten Wert für die betreffende Kontosperre - ein Betrag von 500 € angemessen (vgl. Senat, Beschluss vom ). Anhaltspunkte für ein besonderes Interesse des Klägers an seiner Äußerung macht die Beschwerde nicht geltend. Der Regelstreitwert von 5.000 € gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG könnte - wie ausgeführt - nur bei mangelnden Anhaltspunkten für ein höheres oder geringeres Interesse herangezogen werden. Solche Anhaltspunkte für ein - deutlich - geringeres Interesse des Klägers sind mit den vorgenannten Umständen gegeben.
17c) Hinsichtlich des auf die Unterlassung einer künftigen Löschung und Sperre bezogenen Berufungsantrags zu 10 ist zu berücksichtigen, dass die Berufungsanträge zu 7 und 8 lediglich andere Zeiträume, aber denselben Beitrag des Klägers und dasselbe Benutzerkonto betreffende Verhaltensweisen der Beklagten zum Gegenstand haben. Auch die Feststellungs- und Freischaltungsanträge zu 7 und 8 dienen bereits der Vermeidung künftiger identischer Rechtsbeeinträchtigungen. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Wert von 1.500 € angemessen, um einerseits der separaten Antragstellung und andererseits der Bedeutung des Unterlassungsantrags im Gesamtgefüge der Anträge hinreichend Rechnung zu tragen.
18d) Hinsichtlich des Berufungsantrags zu 11 bemisst der Senat die Beschwer des Klägers mit 500 € (vgl. Senat, Beschluss vom ). Soweit der Kläger die Auskunft zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen mit der Durchführung der Kontosperren beauftragte Unternehmen verlangt, bilden diese Ansprüche einen Anhaltspunkt für seine Beschwer (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZR 75/13, juris Rn. 9 zum wirtschaftlichen Interesse an der Erteilung der Auskunft als maßgeblichem Kriterium für die Bemessung der Beschwer des - in den Vorinstanzen erfolglos - Auskunft Begehrenden). Der Wert des Auskunftsanspruchs ist allerdings nicht identisch mit dem Leistungsanspruch, sondern in der Regel nur mit einem Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (Senat, Beschluss vom aaO mwN). Die Beschwerde zeigt keinen Vortrag des Klägers auf, nach dem dieser einen Betrag von 2.000 € übersteigende Ansprüche gegen ein mit den Kontosperren beauftragtes Unternehmen geltend zu machen beabsichtigt. Selbst bei Ansatz eines Viertels des Betrages solcher Ansprüche ergibt sich mithin für das vorliegend zu bewertende Auskunftsverlangen keine höhere Beschwer als 500 €.
19e) Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 12 bemisst der Senat die Beschwer des Klägers ebenfalls mit 500 € (vgl. Senat, Beschluss vom ). Die Beschwerde zeigt auch insofern keinen Vortrag des Klägers auf, nach dem dieser einen Betrag von 2.000 € übersteigende Ansprüche gegen die B. D. geltend zu machen beabsichtigt.
20f) Soweit das Berufungsgericht den auf Zahlung von 3.550 € gerichteten Berufungsantrag zu 13 abgewiesen hat, ist die entsprechende Beschwer des Klägers mit diesem Betrag anzusetzen.
21g) Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 15 bemisst der Senat die Beschwer des Klägers, soweit der Antrag ohne Erfolg geblieben ist, mit 1.250 € (vgl. Senat, Beschluss vom ). Mit diesem Antrag will der Kläger verhindern, dass ein künftiger Verstoß seinerseits gegen die Nutzungsbedingungen der Beklagten als - strenger als ein Erstverstoß zu wertender - Folgeverstoß betrachtet wird und zu einer (erneuten) Sanktionierung führt. Da indes eine solche Sanktion noch nicht verhängt worden ist, sondern einen - aus Sicht der Beklagten: weiteren - Verstoß des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen voraussetzt, ist die Beschwer des Klägers niedriger anzusetzen als bei einem Antrag auf Untersagung oder Aufhebung einer bereits verhängten oder unmittelbar bevorstehenden Sperre (s.o. zu a: 2.500 €). Insofern erscheint ein - im Vergleich zu einer bereits verhängten Sperre - hälftiger Betrag von 1.250 € als angemessen.
22Damit berechnet sich die Beschwer des Klägers i.S.v. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wie folgt:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:171220BIIIZR76.20.0
Fundstelle(n):
HAAAH-77354