Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - keine ausreichende Darlegung einer nachträglichen Divergenz - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Angemessenheitsprüfung - schlüssiges Konzept - gerichtliche Kontrolle
Gesetze: § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2
Instanzenzug: Az: S 19 AS 2817/17 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 7 AS 287/18 Urteil
Gründe
1I. Die Kläger begehren höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung vom Dezember 2016 bis Februar 2017, welche die Beklagte auf der Grundlage eines von der Firma A erstellten und nach den Urteilen des , B 14 AS 11/18 R, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 24/18 R, B 14 AS 41/18 R) bezogen auf die Vergleichsraumbildung nachgebesserten Konzepts übernahm. Das LSG hat die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG, mit dem weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4,53 Euro monatlich zugesprochen worden waren, zurückgewiesen (Urteil vom ).
2Mit ihren Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Weiter machen sie das Vorliegen einer Divergenz und eines Verfahrensfehlers geltend.
3II. Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil die Kläger die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, und einer Divergenz nicht in der gebotenen Weise bezeichnet sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt haben (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
4Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 160 RdNr 119, Stand ).
5Die Beschwerdebegründung der Kläger wird diesen Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Sie führen zunächst aus, das Berufungsurteil weiche von der Entscheidung des ) ab. Das LSG habe dahinstehen lassen, ob die Repräsentativität und die Validität der Datenerhebung sowie anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze bei der Datenauswertung von dem SGB II-Träger beachtet worden seien. Das BSG habe entschieden, dass auch insofern eine eigenständige Prüfung und Beurteilung des Konzepts, ggf unter Mitwirkung des Jobcenters, durch das Gericht vorzunehmen sei. Mit diesem Vortrag beziehen sich die Kläger auf ein im Zeitpunkt der LSG-Entscheidung noch nicht, sondern erst vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ergangenes BSG-Urteil. Ohnehin nur ausnahmsweise kann ein Beschwerdeführer in diesen Konstellationen eine Divergenz zulässig rügen ( - SozR 4-1500 § 160 Nr 28 RdNr 4). Dies setzt aber jedenfalls voraus, dass er geltend macht, dass es sich um ein Nichtübereinstimmen von Rechtssätzen, also eine Abweichung in grundsätzlichen Rechtsfragen, handelt. Daran fehlt es hier. Unabhängig hiervon legen die Kläger auch nicht schlüssig dar, dass das angefochtene Urteil auf einer Abweichung in dem Sinne beruht, dass die angefochtene Entscheidung bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem abgewichen worden ist, anders hätte ausfallen müssen (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15e). Soweit sie behaupten, das Berufungsurteil widerspreche auch den Urteilen des und B 14 AS 24/18 R) sind keine Rechtssätze dieser Entscheidungen herausgearbeitet. Bezogen auf die gleichfalls geltend gemachte Divergenz bei der Erhebung der kalten Betriebskosten bezeichnen sie keine Rechtssätze der Berufungsentscheidung.
6Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Kläger tragen nicht vor, warum sich aus den Urteilen des und B 14 AS 24/18 R), in denen gerade Fragen der Anwendung des schlüssigen Konzeptes in Flächenlandkreisen thematisiert sind, keine Beantwortung der von ihnen allgemein formulierten Klärungsbedarfe zu schlüssigen Konzepten im ländlichen Raum ergeben.
7Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel der angegriffenen Entscheidung nicht ausreichend bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Insofern machen die Kläger geltend, die Beklagte sei ihrer Bitte zur Übersendung der "sog. Rohdaten für das Konzept 'Bericht, Juli 2017'," nicht nachgekommen und habe kein "Sachverständigengutachten" zum "schlüssigen Konzept" sowie zu den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zu 1. eingeholt. Insofern beziehen sie sich für die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht auf einen auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts gerichteten Beweisantrag, was erforderlich gewesen wäre. Auch haben sie nicht dazu vorgetragen, warum die angefochtene Entscheidung auf den behaupteten Verfahrensfehlern beruhen kann.
8Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO), ist den Klägern zu 1. und 2. auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:250221BB4AS36220B0
Fundstelle(n):
UAAAH-76771