Equal pay - Inbezugnahme tariflicher Regelungen - vergleichbarer Arbeitnehmer
Leitsatz
Vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG kann grundsätzlich auch der - vormalige - Leiharbeitnehmer sein, der vom Entleiher mit unveränderter Tätigkeit als Stammarbeitnehmer übernommen wird.
Gesetze: § 8 Abs 1 S 1 AÜG, § 8 Abs 2 S 3 AÜG, § 8 Abs 2 S 2 AÜG, Art 5 Abs 3 EGRL 104/2008, § 13 AÜG
Instanzenzug: Az: 15 Ca 4827/17 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 2 Sa 402/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten in der Revision noch über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay für den Zeitraum Februar bis April 2017.
2Der Kläger war aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrags seit dem bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmer beschäftigt und verdiente 2.800,00 Euro brutto monatlich. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag zugrunde, der auszugsweise folgende Bestimmungen enthält:
3Seit dem war der Kläger der D eG überlassen, von der er ab Mai 2017 als Stammarbeitnehmer übernommen wurde und bei unveränderter Tätigkeit ein Bruttomonatsgehalt von 3.600,00 Euro erhielt.
4Nach erfolgloser Geltendmachung hat der Kläger am Klage auf Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay erhoben, weil die Beklagte gegen den Gleichstellungsgrundsatz und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen verstoßen habe. Als Stammarbeitnehmer verdiene er im Vergleich zu der von der Beklagten bezogenen Vergütung monatlich 800,00 Euro brutto mehr. Der Kläger ist der Auffassung, die von § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG und § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF eröffnete Möglichkeit, vom Gleichstellungsgrundsatz durch die Bezugnahme entsprechender Tarifverträge abzuweichen, verstoße gegen Unionsrecht. Außerdem seien die in Bezug genommenen Tarifverträge unwirksam, weil nicht alle der unterzeichnenden DGB-Gewerkschaften für die Arbeitnehmerüberlassung tarifzuständig (gewesen) seien. Schließlich fehle der Kollisionsregel in der Bezugnahmeklausel die erforderliche Transparenz.
5Der Kläger hat - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt auf den hiesigen Streitzeitraum zugelassenen Revision hält der Kläger an seiner Klage fest, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Gründe
8Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Für den in die Revisionsinstanz gelangten Streitzeitraum ist die zulässige Klage begründet. Dabei kommt es auf die vom Kläger aufgeworfenen und vom Landesarbeitsgericht erörterten unionsrechtlichen Fragen nicht entscheidungserheblich an. Denn die Parteien haben bereits nach nationalem Recht keine zur Abweichung vom Gebot der Gleichstellung berechtigende Vereinbarung getroffen.
9I. Der Kläger hat nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF für die Monate Februar und März 2017 und nach § 8 Abs. 1 AÜG für den Monat April 2017 dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts, wie es die Entleiherin den bei ihr beschäftigten Stammarbeitnehmern gewährte. Eine nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF und § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichstellung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Die gegenteilige Annahme des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht hinreichend, dass arbeitsvertraglich teilweise von den Tarifbestimmungen abweichende Regelungen getroffen wurden, die nicht ausschließlich zugunsten des Klägers wirken.
101. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verpflichtet den Verleiher, dem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichstellung erlaubt das AÜG ein Abweichen durch Tarifvertrag, wobei im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbaren können, § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF, § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG. Dies hat zur Folge, dass der Entleiher grundsätzlich nur das tariflich vorgesehene Arbeitsentgelt gewähren muss, § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG aF, § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG.
112. Eine Geltung der in § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag aufgeführten, zwischen dem BAP und der „DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit“ - also den in den jeweiligen Tarifverträgen namentlich aufgeführten Mitgliedsgewerkschaften des DGB - geschlossenen Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) hat das Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch ist eine solche von den Parteien behauptet worden.
123. Eine den Anforderungen des § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF und § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG genügende vertragliche Inbezugnahme dieser Tarifverträge haben die Parteien nicht vereinbart. Deshalb bedarf die vom Kläger durch die Instanzen aufgeworfene, im Schrifttum kontrovers diskutierte Frage der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit Unionsrecht (zum Meinungsstand sh. - jeweils mit weiteren Nachweisen - Schüren in Schüren/Hamann AÜG 5. Aufl § 8 Rn. 138 ff.; ErfK/Wank 21. Aufl. § 8 AÜG Rn. 26; EuArbRK/Rebhahn/Schörghofer/Kolbe 3. Aufl. RL 2008/104/EG Art. 5 Rn. 18 ff; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 2. Aufl. Rz. 12.81 ff.; Hamann Anm. zu BAG AP AÜG § 10 Nr. 57 unter III.) keiner Beantwortung.
13a) § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF verlangt für den Entleihzeitraum eine vollständige Inbezugnahme des zwischen den jeweiligen Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifwerks für die Arbeitnehmerüberlassung. Unschädlich sind allenfalls vertragliche Regelungen über Gegenstände, die tariflich nicht geregelt sind und deshalb keine verdrängende Wirkung entfalten sowie Vertragsbestimmungen, die zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen und deshalb auch im Fall einer beiderseitigen Tarifgebundenheit nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig wären. Das hat - was das Landesarbeitsgericht noch nicht berücksichtigen konnte - zwischenzeitlich der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden ( - Rn. 16 ff. mwN, BAGE 168, 96). Dem schließt sich der erkennende Senat an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die ausführliche Begründung des Vierten Senats. Soweit dem entgegengehalten wird, das Bundesarbeitsgericht stelle zu strenge Anforderungen an die Inbezugnahme von Zeitarbeitstarifverträgen (etwa Greiner RdA 2020, 300; Ulrici BB 2020, 756; HWK/Höpfner 9. Aufl. AÜG § 8 Rn. 25; krit. auch Bissels NZA 2020, 427) vermag das nicht zu überzeugen. Denn die arbeitsvertragliche Vereinbarung der tariflichen Regelungen iSd. § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF ersetzt nur die - in der Leiharbeitsbranche häufig fehlende - beiderseitige Tarifgebundenheit, ermöglicht jedoch nicht, bei der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz beiderseits tarifgebundene Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer und solche, die es nicht sind, unterschiedlich zu behandeln. § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG aF verpflichtet sowohl bei beiderseitiger Tarifgebundenheit als auch bei arbeitsvertraglicher Inbezugnahme eines entsprechenden Tarifvertrags den Verleiher, dem Leiharbeitnehmer, „die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen“ - und somit alle tariflich geschuldeten Arbeitsbedingungen - zu gewähren (zutr. Hamann Anm. zu BAG AP AÜG § 10 Nr. 57 unter II.). Nur die Anwendung des gesamten Tarifwerks, das bei unterstellter Tarifgebundenheit beider Parteien auf das Arbeitsverhältnis unmittelbar Anwendung fände, kann für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung die Vermutung begründen, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden ( - Rn. 23 mwN, BAGE 168, 96). Eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme kommt deshalb nur zu den Bedingungen in Betracht, wie sie bei unterstellter beiderseitiger Tarifgebundenheit von Entleiher und Leiharbeitnehmer gelten würden. Könnte hingegen der nichttarifgebundene Leiharbeitnehmer bei der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch zusätzliche arbeitsvertragliche Regelungen zu seinen Lasten schlechter gestellt werden als der tarifgebundene, wäre dies mit Unionsrecht schwerlich vereinbar. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/EG, von dem der Gesetzgeber bei der Tariföffnungsklausel des § 9 Nr. 2 Halbs. 2 und Halbs. 3 AÜG aF Gebrauch gemacht hat, gestattet Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz nur den Sozialpartnern durch Tarifverträge, nicht jedoch den Verleihern durch arbeitsvertragliche Klauseln.
14b) Dasselbe gilt für eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nach dem seit dem geltenden § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG. Denn eine inhaltliche Änderung der bisherigen Bestimmungen sollte mit der Neuregelung nicht verbunden sein (so ausdrücklich Regierungsbegründung, BT-Drs. 18/9232 S. 23; vgl. auch Hamann Anm. zu BAG AP AÜG § 10 Nr. 57 unter I.). Zudem bestätigt die Regierungsbegründung - wenn auch im Zusammenhang mit der Tariföffnung in § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 4 AÜG -, dass die tarifvertragliche Regelung regelmäßig eine nicht teilbare Einheit darstellt und nur im Ganzen ohne Änderungen übernommen werden kann (BT-Drs. 18/9232 S. 20 f.).
154. Den dargestellten Anforderungen genügt der Arbeitsvertrag der Parteien nicht. Denn die zwischen dem BAP und der „DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit“ geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeit sind im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vollständig in Bezug genommen worden. Vielmehr weichen einzelne Regelungen von den tariflichen Bestimmungen ab, ohne für den Kläger ausschließlich günstiger zu sein. Auf das „Gewicht“ der Abweichungen kommt es dabei nicht an.
16a) § 2 Arbeitsvertrag enthält - als Allgemeine Geschäftsbedingung - unter der Überschrift „Anwendbare Tarifverträge“ nach Wortlaut und Inhalt eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel (vgl. dazu nur - Rn. 20 mwN, BAGE 160, 106) auf die aufgeführten Tarifverträge für die Zeitarbeit. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen, auch die Parteien stellen dies nicht in Frage. Im Verhältnis zu einer durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung haben jedoch ausdrücklich in einen Arbeitsvertrag aufgenommene Klauseln grundsätzlich Vorrang ( - Rn. 16 mwN; - 4 AZR 66/18 - Rn. 30, BAGE 168, 96).
17b) Davon ausgehend, weichen zumindest die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zur Arbeitszeit und zum Urlaub von den im Streitzeitraum maßgeblichen tariflichen Regelungen ab, ohne ausschließlich günstiger für den Kläger zu sein.
18aa) Der zwischen dem BAP und mehreren, namentlich benannten Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossene Manteltarifvertrag Zeitarbeit (iF nur MTV) - Stand November 2016 - sieht in § 2 Abs. 1 eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 151,67 Stunden vor, die einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden entsprechen. Nach § 2 Abs. 2 MTV kann nur in den Fällen, in denen ein Mitarbeiter dauerhaft in ein Unternehmen mit längerer Arbeitszeitdauer überlassen wird, eine entsprechend längere Arbeitszeit (max. 40 Std./Woche) vereinbart werden. Davon abweichend beträgt die regelmäßige Arbeitszeit nach § 5 Nr. 1 Arbeitsvertrag 40 Wochenstunden, ohne dass dies an die Voraussetzung einer dauerhaften Überlassung an ein Unternehmen mit entsprechend längerer Arbeitszeit gebunden oder auch nur eine dauerhafte Überlassung an ein solches Unternehmen vereinbart worden wäre. Eine derartig abweichende Arbeitszeit ist für den Kläger nicht nur günstiger (zur längeren Arbeitszeit als sog. ambivalente Regelung vgl. - Rn. 29 ff., BAGE 151, 221).
19bb) Die längere regelmäßige Arbeitszeit wirkt sich auch unmittelbar auf das zu führende Arbeitszeitkonto aus. Während nach § 5 Nr. 3 Arbeitsvertrag infolge der arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche Plusstunden erst ab der 41. Wochenstunde anfallen können, ergeben sich nach § 4.3 MTV Plusstunden, wenn die monatliche Arbeitszeit 151,67 Stunden (entsprechend durchschnittlich 35 Wochenstunden) übersteigt. Entsprechendes gilt für die nach § 5 Nr. 2 Arbeitsvertrag vorrangig durch Freizeit auszugleichende Mehrarbeit, die begrifflich nach dem Arbeitsvertrag nur bei Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden möglich ist, während nach § 6 MTV für Mehrarbeitsstunden ein geringerer zeitlicher Umfang genügen kann. Zudem enthält der MTV - anders als § 5 Nr. 2 Arbeitsvertrag - keine ausdrückliche Verpflichtung des Leiharbeitnehmers zur Mehrarbeit.
20cc) Die arbeitsvertragliche Regelung des Urlaubs weicht ebenfalls vom Tarifvertrag ab. Dass der Urlaubsanspruch nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums sowie darüber hinaus bis zu 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt ist, beschränkt § 11 Nr. 5 Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Eine entsprechende Begrenzung sieht § 11 MTV nicht vor. Damit verbleibt es bei den gesetzlichen Befristungsvorschriften auch für den tariflichen Mehrurlaub (vgl. - Rn. 14 mwN) mit der Folge, dass der Anspruch auf Urlaub, der wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, erneut nach § 7 Abs. 3 BurlG befristet ist und erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs erlischt ( (A) - Rn. 17 mwN, st. Rspr. seit - BAGE 142, 371).
21dd) Den Vereinbarungen der Parteien kann nicht entnommen werden, die genannten Vertragsklauseln sollten lediglich nachrangig gegenüber den tariflichen Bestimmungen gelten. Eine entsprechende Kollisionsregel fehlt, § 11 Nr. 6 Arbeitsvertrag bestimmt im Gegenteil sogar ausdrücklich, dass die tarifvertraglichen Regelungen zum Urlaub nur „im Übrigen“ gelten. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz des Vorrangs ausdrücklich in den Arbeitsvertag aufgenommener Klauseln gegenüber einer durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag geltenden Regelung (oben Rn. 16).
22ee) Weil es auf das „Gewicht“ der Abweichungen nicht ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob noch weitere Vertragsklauseln nicht nur zugunsten des Klägers von den tariflichen Regelungen abweichen.
23II. Die Höhe der ihm hiernach zustehenden Differenzvergütung hat der Kläger schlüssig dargelegt. Seinem diesbezüglichen Sachvortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
241. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG aF und § 8 Abs. 1 AÜG ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen ( - Rn. 35 f., BAGE 137, 249). Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist nach allgemeinen Grundsätzen der Leiharbeitnehmer ( - Rn. 21, seither st. Rspr.; HWK/Höpfner 9. Aufl. § 8 AÜG Rn. 17; Schüren in Schüren/Hamann AÜG 5. Aufl. § 8 Rn. 82, 86; MüKoBGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 1202; Greiner in Thüsing AÜG 4. Aufl. § 8 Rn. 38). Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehört vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt ( - Rn. 23; - 4 AZR 66/18 - Rn. 42, BAGE 168, 96; - 5 AZR 22/19 - Rn. 19).
252. Als vergleichbaren Stammarbeitnehmer kann der - vormalige - Leiharbeitnehmer auch sich selbst benennen, wenn er vom entleihenden Unternehmen mit unveränderter Tätigkeit übernommen und damit gleichsam selbst zum vergleichbaren Stammarbeitnehmer wird. In diesem Falle genügt er zunächst seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, welches Arbeitsentgelt er nunmehr als unmittelbar beim Entleiher Beschäftigter für dieselbe Tätigkeit erhält. Es ist dann Sache des Verleihers, entsprechendem Sachvortrag entgegenzutreten, etwa mit dem Vorbringen, im Streitzeitraum wäre die Vergütung des vormaligen Leih- und nunmehrigen Stammarbeitnehmers eine geringere gewesen. Das ist vorliegend nicht erfolgt. Nach den nichtangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht fest, dass der Kläger bei unveränderter Tätigkeit als Stammarbeitnehmer monatlich 800,00 Euro brutto mehr verdiente, als er von der Beklagten erhalten hat. Für den Streitzeitraum ergibt dies den ausgeurteilten Betrag. Anhaltspunkte dafür, der Kläger hätte in den seiner Übernahme vorangehenden drei Monaten als Stammarbeitnehmer weniger verdient, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
26III. Die beantragten Zinsen kann der Kläger nach § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB beanspruchen.
27IV. Die Kosten der Revision hat die Beklagte entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen, hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Kosten beruht die Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:161220.U.5AZR131.19.0
Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1074 Nr. 18
DB 2021 S. 1137 Nr. 21
NJW 2021 S. 10 Nr. 21
ZIP 2021 S. 1237 Nr. 23
GAAAH-76271