Anordnung von Sicherungsverwahrung: Verwertung zulässigen Verteidigungsverhaltens
Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 66 Abs 1 StGB, § 211 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG München II Az: 33 Js 19952/19 - 1 Ks
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und einem Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Urteil weist weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
32. Die auf § 66 Abs. 1 StGB gestützte Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat hingegen keinen Bestand, weil das Landgericht zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zur Begründung eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten und insbesondere zur Begründung seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit herangezogen hat.
4a) Die Schwurgerichtskammer hat insoweit ausgeführt, dass der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung zwar teilweise geständig eingelassen, jedoch versucht habe, die Gewalttat zu verharmlosen, weil er den Tötungsvorsatz in Abrede gestellt habe. Damit liege zwar ein teilweises Einräumen der objektiven Umstände der Tatbegehung vor, aber kein vollumfängliches, von Schuldeinsicht und Reue getragenes Geständnis. Dies spreche dafür, dass beim Angeklagten mangels ausreichendender Auseinandersetzung mit der Tat auch in Zukunft mit vergleichbaren erheblichen Straftaten zu rechnen sei.
5b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Schwurgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten verkannt hat. Zulässiges Verteidigungsverhalten - vorliegend lediglich im Bestreiten des Tötungsvorsatzes - darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 320/14 Rn. 7 und vom - 4 StR 200/19 Rn. 7 f. jeweils mwN). Denn müsste der Angeklagte befürchten, dass zulässiges Verteidigungsverhalten zur Begründung der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu seinem Nachteil verwertet wird, wäre er in seiner Entscheidung, wie er sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen will, nicht mehr frei.
63. Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:111120B1STR277.20.0
Fundstelle(n):
NAAAH-75813