Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0284.1.1-4/7 St 41

Zustellung von Verwaltungsakten im Ausland nach § 9 VwZG und Bekanntgabe im Ausland durch einfachen Brief

1. Allgemeines

Nach § 9 Abs. 1 VwZG können Verwaltungsakte im Ausland wie folgt zugestellt werden:

  • durch (internationales) Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG),

  • auf Ersuchen der Behörde durch die Behörden des fremden Staates oder durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG),

  • auf Ersuchen der Behörde durch das Auswärtige Amt an eine Person, die das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, sowie an Familienangehörige einer solchen Person, wenn diese das Recht der Immunität genießen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG, vgl. hierzu auch Tz 4),

  • durch Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 5 Abs. 5 VwZG, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist ( § 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG ).

Die Formulierung „völkerrechtlich zulässig“ in § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VwZG umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, sondern auch Völkergewohnheitsrecht, ausdrücklich nichtvertragliches Einverständnis, aber insbesondere auch Tolerierung einer entsprechenden Zustellungspraxis durch den Staat, in dem zugestellt werden soll. Es ist deshalb bis auf weiteres davon auszugehen, dass in allen Staaten zumindest eine Tolerierung im vorgenannten Sinne gegeben ist.

2. Bekanntgabe im Ausland durch die Post mit einfachem Brief

Die unmittelbare postalische Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland ist nur im Verhältnis zu solchen Ländern zulässig, die dies gestatten. Mit Ausnahme der nachfolgend aufgeführten Staaten kann davon ausgegangen werden, dass an Empfänger im Ausland Steuerverwaltungsakte durch einfachen Brief oder Telefax bekannt gegeben werden können:


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Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Lichtenstein, Mexiko, Russische Föderation,
San Marino, Schweiz, Slowenien, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela [1]

3. Zuzustellende Schriftstücke

Für eine Zustellung im Ausland kommen in erster Linie zustellungsbedürftige Verwaltungsakte in Betracht:

4. Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG durch internationales Einschreiben mit Rückschein

Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein in allen Ländern, mit Ausnahme der unter Tz 2 genannten Staaten, von diesen zumindest toleriert wird und daher völkerrechtlich zulässig ist.

Diese ist unmittelbar durch Versendung eines (internationalen) Einschreibens mit Rückschein vom Finanzamt zu veranlassen. Eine Vorlage an das Bayer. Landesamt für Steuern ist nicht mehr erforderlich.

Von der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der Zustellung durch internationales Einschreiben mit Rückschein ist kein Gebrauch zu machen, wenn

  • ein Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG,

  • ein Fall von grundsätzlicher politischer Bedeutung oder

  • die Möglichkeit der Gefährdung der Sicherheit des Empfängers

vorliegt oder eine Zustellung an nichtdeutsche Exterritoriale erfolgen soll.

5. Zustellungsersuchen für Zustellungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG

Zustellungsersuchen für Zustellungen in Länder, die in Tz 2 nicht genannt sind, werden die Konsulate und Botschaften ab sofort nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen nachkommen. Daher wird eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG in diese Länder nur noch dann möglich sein, wenn im Einzelfall wegen drohender Festsetzungsverjährung ein einwandfreier Nachweis des Zugangs des Verwaltungsakts erforderlich ist oder wegen Scheiterns der Zustellung durch internationales Einschreiben mit Rückschein die Zustellung sicher zu stellen ist.

Für die Zustellung in die in Tz 2 genannten Länder bitte ich anhand der in Tz 8 enthaltenen Aufstellung vorab zu überprüfen, ob ein Zustellungsersuchen aufgrund der dortigen Gegebenheiten erfolgversprechend ist.

Die Zustellungsersuchen sind mit der UNIFA-Word-Vorlage (Ordner Allgemeines/Zustellung nach § 9 VwZG) in 2-facher Ausfertigung dem Bayerischen Landesamt für Steuern vorzulegen. Der Dienstweg ist einzuhalten. Im einzelnen bitte ich folgendes zu beachten:

  • In dem Ersuchen ist darzulegen, aufgrund welcher besonderen Umstände die Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG erfolgen soll.

  • Für jeden Zustellungsempfänger ist ein gesondertes Ersuchen vorzulegen. Die Zustellung eines Verwaltungsakts an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich. Es kann nur an einen bestimmten Empfänger zugestellt werden. Dies gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (vgl. AEAO zu § 122, Tz. 3.2 u. 3.4 ).

  • In dem Ersuchen sind die zuzustellenden Schriftstücke einzeln aufzuführen. Name und Anschrift des Zustellungsempfängers sind genau anzugeben. Die Staatsangehörigkeit des Zustellungsempfängers ist mitzuteilen, weil sie für die Form der Zustellung im Ausland von Bedeutung sein kann. Ist sie nicht bekannt, ist dies zu vermerken.

  • Die zuzustellenden Schriftstücke sind sorgfältig auf formelle und sachliche Richtigkeit zu prüfen. Sie sind mit der ausländischen Anschrift des Zustellungsempfängers und mit einem zeitnahen Datum zu versehen. Sofern sie eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, bitte ich als Hinweis auf den Beginn der Rechtsbehelfsfrist die Formulierung "Die Rechtsbehelfsfrist beginnt mit Ablauf des Tages der Zustellung" zu verwenden; alle sonst in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltenen Ausführungen sind zu streichen, da sie nicht zutreffen.

  • Zahlungstermine und sonstige vom Finanzamt festgesetzte Termine dürfen nicht auf einen bestimmten Tag festgelegt werden, sondern sind vom Tag der Zustellung abhängig zu machen (z.B. "Zahlen Sie bitte einen Monat nach Zustellung dieses Bescheids").

  • Dem Zustellungsersuchen ist ein unverschlossener Briefumschlag (kein Fensterkuvert!) beizufügen, der die Anschrift des Empfängers, die Anschrift der absendenden Behörde und das Aktenzeichen tragen soll.

6. Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nach § 123 AO

Von der durch § 9 Abs. 3 VwZG eingeräumten Möglichkeit, bei einer Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 VwZG anzuordnen, dass ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, sollte nur Gebrauch gemacht werden, wenn zu erwarten ist, dass künftig Verwaltungsakte erlassen werden, für die das Gesetz die förmliche Zustellung vorschreibt (vgl. Tz 3).

Ansonsten ist vorrangig nach § 123 AO zu verfahren, soweit die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten für erforderlich oder zweckmäßig gehalten wird. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn einem Beteiligten zeitlich nachfolgend mehrere Verwaltungsakte z.B. im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bekannt zu geben sind. Um einen Nachweis über den Zugang des Schreibens zu haben, sollte das Anforderungsschreiben regelmäßig durch internationales Einschreiben mit Rückschein gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG zugestellt werden, soweit dies gem. Tz 4 zulässig ist.

Wird auch auf Anforderung kein Empfangsbevollmächtigter benannt, können nicht zustellungsbedürftige Verwaltungsakte in alle außer die in Tz 2 genannten Länder grundsätzlich mit einfachem Brief zur Post gegeben werden; den Empfänger trifft bezüglich des Nachweises, dass er den Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erhalten hat, die Feststellungslast (vgl. § 123 Satz 3 AO).

Die Rechtsbehelfsbelehrung muss in diesen Fällen hinsichtlich des Tages der Bekanntgabe wie folgt lauten: "..........Bei Zusendung durch einfachen Brief gilt der Verwaltungsakt einen Monat nach der Aufgabe zur Post als zugegangen, es sei denn, dass der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 123 Satz 2 AO)."

Für die Aufforderung zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten steht die UNIFA-Word-Vorlage „Benennung Empfangsbevollmächtigter § 123 AO“ (Veranlagung/Beschränkte Steuerpflicht) zur Verfügung.

7. Öffentliche Zustellung

Nur wenn ein Schriftstück nicht auf andere Weise zugestellt oder bekannt gegeben werden kann - auch nicht durch Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG, vgl. z.B. Tz 8 zur Schweiz und zu Lichtenstein - ist eine öffentliche Zustellung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG vorzunehmen. In derartigen Fällen ist der Empfänger zunächst aufzufordern, dem Finanzamt einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen (vgl. Tz. 6) und darauf hinzuweisen, dass die öffentliche Zustellung erfolgen muss, wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird. Erst wenn der Empfänger dieser Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht Folge leistet, ist die öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG vorzunehmen. Dem Empfänger ist durch einfachen Brief die öffentliche Zustellung sowie der Tag der Zustellung mitzuteilen und eine Kopie des Verwaltungsakts zu übersenden. Es ist zweckmäßig, den Brief bereits abzusenden, wenn die Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 VwZG durch Aushang bekannt gemacht wird.

8. Besonderheiten bei der Zustellung an Personen in bestimmten Ländern nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG (weitgehend übernommen von der OFD Frankfurt am Main)

Die Amtshilfe der EU-Staaten untereinander erstreckt sich gem. Art. 2 der EG-BeitrRL und § 1 EG-BeitrG u.a. auf Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie Umsatzsteuern einschließlich Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zwangsgelder. Sie umfasst auch verhängte Geldbußen, soweit sie nicht strafrechtlichen Charakter haben.

Sind in den Doppelbesteuerungsabkommen weitere Regelungen zur Amtshilfe getroffen oder wird das Ersuchen durch oder an einen Nicht-EU-Staat gestellt, erstreckt sich dieses regelmäßig auf die Steuern, für die das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen gilt.

Ägypten

Die deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in diesen Ländern nehmen Zustellungen in Steuersachen nur vor, wenn der Empfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Zur Vornahme von Zustellungen an andere Staatsangehörige sehen sich die Vertretungen mangels einer entsprechenden Ermächtigung durch das Gastland als nicht befugt an. Eine Zustellung nach § 9 VwZG an andere Staatsangehörige ist daher nicht möglich.

San Marino

Mit diesem Land unterhält die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatischen Beziehungen, Zustellungen sind daher nicht möglich.

Österreich

Bei den in Österreich zuzustellenden Verwaltungsakten kann die zuständige österreichische Steuerbehörde durch deutsche Finanzämter unmittelbar um Zustellung ersucht werden (Artikel 4 Abs. 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BStBl 1955 I S. 434, i.V.m. Nr. 4 Abs. 4 der Verwaltungsanordnung zur Durchführung des vorgenannten Vertrags vom , 76). Für die Zustellung ist das österreichische Finanzamt zuständig, in dessen Bereich der Zustellungsempfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (ein Verzeichnis der Finanzämter in Österreich enthält Karte 1 zu § 117 ). Des Weiteren stellt das österreichische Bundesministerium für Finanzen auf seiner Internetseite www.bmf.gr.at/service/ behoerden/_start.htm über die Schaltfläche „Finanz- und Zollämter“ eine Suchfunktion zur Verfügung, die es ermöglicht, zu einem bekannten Ort das zuständige Finanzamt zu ermitteln).

Schweiz, Liechtenstein

Sowohl in der Schweiz als auch in Liechtenstein ist eine direkte Bekanntgabe von steuerlichen Verwaltungsakten (insbesondere von Steuerbescheiden und Einspruchsentscheidungen) durch die Post unzulässig.

Auch eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 VwZG scheidet für diese beiden Staaten allgemein aus. Weder in Liechtenstein noch in der Schweiz sind Zustellungen über die zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland möglich. Die Auslandsvertretungen dürfen Zustellungen in Fiskalsachen weder an eigene noch an fremde Staatsangehörige oder an Staatenlose bewirken.

Bei Zustellungen an Empfänger in der Schweiz und Liechtenstein ist daher von der Möglichkeit der öffentlichen Zustellung gemäß § 10 VwZG Gebrauch zu machen (siehe hierzu Tz. 7), falls kein inländischer Empfangsbevollmächtigter benannt ist und auch nicht nach § 123 AO verfahren werden kann.

AO-Kartei BY:

Hinweis:
Die bisherige Karte 2 zu § 122 AO (Kontroll-Nr. 17/2008) ist auszureihen.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0284.1.1-4/7 St 41

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
AO-Kartei BY AO § 122 Karte Karte 2 - Kontroll-Nr. Nr. 11/2009 -
RAAAH-73697

1Die Länderliste im AEAO zu § 122 Nr. 3.1.4.1 wird in Kürze geändert.